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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.09.2023

Frauen-Verbindung

Warum wir noch hier sind
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Die Erzählerin beschäftigt sich mit dem Tod, einerseits gemeinsam mit ihrer Großmutter, andererseits mit ihrer Freundin. Mit Ersterer besucht sie den Großvater auf dem Friedhof, Letzterer steht sie dabei ...

Die Erzählerin beschäftigt sich mit dem Tod, einerseits gemeinsam mit ihrer Großmutter, andererseits mit ihrer Freundin. Mit Ersterer besucht sie den Großvater auf dem Friedhof, Letzterer steht sie dabei bei, den Verlust ihrer Tochter zu verarbeiten.
Die Leiden des Alters könnte man vielleicht noch belächeln, beim Mord an einem Kind, wird das schon schwieriger. Die Autorin schafft es ganz wunderbar, Leichtigkeit und Schwermut miteinander zu kombinieren.
Sie verwendet eine fantasievolle Sprache, und ich möchte überall Zettelchen kleben, um mich all der schönen Worte zu erinnern. „Stattdessen stecke ich meine Gedanken in eine imaginäre Tüte mit so einem Zip-Verschluss. Ich atme aus, nehme die Tüte in die eine Hand und Großmutters Hand in die andere.“
Das Buch sprüht vor Energie durch den Zusammenhalt seiner Figuren und deren charmante Dialoge. Es hat mich inhaltlich berührt und sprachlich verzückt, so dass ich es unbedingt weiterempfehle.

Veröffentlicht am 27.09.2023

Nah und fern

Die Wahrheiten meiner Mutter
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Johanna hat vor dreißig Jahren ihre Familie verlassen und seitdem nicht mit ihrer Mutter gesprochen. Nun kehrt sie zurück und sucht über Erinnerungen und Kontakt eine Annäherung.
Die Ich-Erzählerin ist ...

Johanna hat vor dreißig Jahren ihre Familie verlassen und seitdem nicht mit ihrer Mutter gesprochen. Nun kehrt sie zurück und sucht über Erinnerungen und Kontakt eine Annäherung.
Die Ich-Erzählerin ist in diesem Roman die Ausgegrenzte, obwohl aus ihren Gedanken kein Indiz hervorgeht, das ein derart drastisches Vorgehen von Seiten der Mutter und der Schwester gerechtfertigt hätte. „Sie sind beide so weit weg, dass ich sie nicht sehen kann, ich setze zwei Gespenster an die Stelle, von der ich mir einbilde, dass sie sich dort befinden, das ist unheimlich.“
Es geht um Schuldzuweisungen und Bitterkeit, die sich über die Jahre verhärtet hat. Also seziert die Protagonistin die Vergangenheit, um herauszufinden, an welchen Stellen etwas schiefgelaufen ist. Das passiert in ganzen Episoden oder auch nur einzelnen Sätzen, die alleine auf einer Seite stehen.
Herausgekommen ist eine intensive Auseinandersetzung mit einer speziellen Mutter-Tochter-Beziehung. Die eindringliche Darstellung und klaren Worte haben mich berührt und mitgerissen.

Veröffentlicht am 10.09.2023

Gegen das Verschwinden

Hinter der Hecke die Welt
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Die Mutter ist als Forscherin in der Arktis, während die Tochter in einem Dorf weilt. Beide Orte könnten unterschiedlicher nicht sein, und doch sind sie sich ähnlich, schließlich ist jeder auf seine Art ...

Die Mutter ist als Forscherin in der Arktis, während die Tochter in einem Dorf weilt. Beide Orte könnten unterschiedlicher nicht sein, und doch sind sie sich ähnlich, schließlich ist jeder auf seine Art vom Verschwinden bedroht.
„Hinter der Hecke die Welt“ ist kein Buch, dessen Handlung sich leicht zusammenfassen lässt. Wir erleben Fragmente aus dem Alltag in zwei Welten und wie die Bewohner sie wahrnehmen. So gibt es Journalisten, die das Forscherteam besuchen, oder Dorfbewohner, die auf das Mädchen aufpassen.
Omnipräsent ist der Wunsch, das Dorf attraktiver für Touristen zu machen. „Das Schrumpfen beschäftigte die Leute im Dorf im Allgemeinen. Im Allgemeinen hatten sie Angst vor dem Verschwinden.“ Dem steht eine Auflistung verschwundener Dinge und Personen gegenüber. Das ist wenig greifbar, wie „drei Fische aus dem Teich“, denn wer will diese schon gezählt haben. Aber trotz solcher Skurrilitäten wird eine Dringlichkeit geschaffen, die mit den Figuren mitfühlen lässt.
Auch wenn ich mich zwischendurch gefragt habe, ob ich ohne einen logisch nachvollziehbaren Handlungsstrang glücklich würde, hat das Buch einen Sog auf mich entwickelt. Die Bedrohungen der heutigen Zeit werden subtil vermittelt, mit kleinen Zeichnungen versehen und poetisch in Worte verpackt. Ich habe mich in der besonderen Atmosphäre des Romans sehr wohlgefühlt.

Veröffentlicht am 04.09.2023

Die Liste

Kleine Probleme
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Es ist der letzte Tag des Jahres, und der Ich-Erzähler will noch einiges schaffen. Also macht er eine Liste mit Tätigkeiten, die bis Mitternacht erledigt sein sollen. „Die meisten meiner guten Taten muss ...

Es ist der letzte Tag des Jahres, und der Ich-Erzähler will noch einiges schaffen. Also macht er eine Liste mit Tätigkeiten, die bis Mitternacht erledigt sein sollen. „Die meisten meiner guten Taten muss ich noch vollbringen, ich muss noch schnell mein Potenzial ausschöpfen, ich muss noch dieses was in aus dem wird mal was werden, ich muss so vieles noch erledigen, Dringendes, Unangenehmes, eigentlich Schönes, ein paar Lappalien, sehr viel Entscheidendes, diesen ganzen Kram, dieses ganze Alles, dieses einzige Leben.“
Jedes Kapitel ist einer von dreizehn Aufgaben gewidmet; vom Putzen des Hauses bis zum Vollbringen des Lebenswerks erleben wir einen abwechslungsreichen 31. Dezember. Und schnell wird klar, warum dem Protagonisten dafür so wenig Zeit zur Verfügung steht. Er ist ein Meister der Prokrastination und will es nun allen beweisen.
Aus seiner Perspektive lässt er uns an seinen Kämpfen teilhaben und mitfühlen. Die Erfahrungen reichen von schmerzhaft über philosophisch bis hin zu saukomisch. Anhand obiger Kostprobe wird deutlich, wie spielerisch die Autorin mit Sprache umgeht, wie sie kleine Nuancen zu einer Sache in einem Satz unterbringt. Wer hätte gedacht, dass das Ausräumen der Spülmaschine für eine Romanfigur und einen Schriftsteller solch eine Rolle spielen könnten? „Kleine Probleme“ war für mich ein unterhaltsamer Lesegenuss.

Veröffentlicht am 25.08.2023

Unkonventioneller Gartenratgeber

Werden Tomaten süßer, wenn ich sie mit Zuckerwasser gieße und kann ich mein Unkraut einfach aufessen?
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“Werden Tomaten süßer, wenn ich sie mit Zuckerwasser gieße und kann ich mein Unkraut einfach aufessen?” - Hinter dem nach einem Scherz anmutenden Titel verbirgt sich ein ernst gemeinter Ratgeber zum Thema ...

“Werden Tomaten süßer, wenn ich sie mit Zuckerwasser gieße und kann ich mein Unkraut einfach aufessen?” - Hinter dem nach einem Scherz anmutenden Titel verbirgt sich ein ernst gemeinter Ratgeber zum Thema Eigenanbau. Ungewöhnlich ist das Buch dadurch, dass jeweils einzelne Fragen auf ein bis zwei Seiten beantwortet werden. Diese sind in fünf Kategorien unterteilt (Was baue ich an?, Wo baue ich an?, Erlebnis Eigenanbau, Wer knabbert an meinen Pflanzen?, Ernten und Verarbeiten) und können durchaus ausgefallen sein. Neben dem Anbauplan für das Weihnachtsessen gibt es Rezepte oder Bauanleitungen.
An einigen Stellen bleibt das aber doch etwas oberflächlich. Wenn ich Topfnachbarschaften plane, würde ich mich beispielsweise damit beschäftigen, welche Pflanzen gut miteinander auskommen. “Es gibt immer mehr Beweise dafür, dass Pflanzen Partnerschaften eingehen, um sich gegenseitig zu unterstützen.” Für die konkreten Details muss ich zusätzliche Quellen heranziehen.
Die “außergewöhnlichen Gartenfragen” sind jedoch der Clou. Mir gefallen das originelle Konzept, die Vielseitigkeit der Themen und die hochwertige Verarbeitung des Buchs. Ich empfinde es als gelungene Ergänzung zu konventionellen Gartenratgebern.