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Veröffentlicht am 15.12.2017

"Du warst damals wie heute nicht mehr als eine kurze Unterbrechung."

Alles wird unsichtbar
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"Alles wird unsichtbar" von Gerry Hadden ist für mich ein ganz besonderer Roman. Es geht um Milo, einen Jungen, der durch einen Unfall nicht nur seinen linken Arm und seine Mutter Miriam verlor, sondern ...

"Alles wird unsichtbar" von Gerry Hadden ist für mich ein ganz besonderer Roman. Es geht um Milo, einen Jungen, der durch einen Unfall nicht nur seinen linken Arm und seine Mutter Miriam verlor, sondern auch den Halt und ein Teil seines Lebens. Es sind die Phantomschmerzen, die bleiben. Schmerzen, die ihn tagtäglich begleiten und sich andere Ausflüchte suchen. Schmerzen, die ihn in ein tiefes Loch treiben und in der Kriminalität enden.

"Eines Morgens hockst du so im Jugendknast und studierst vor dich hin, die Amöbenhirne von Zellengenossen kommen um die Ecke und geben dir wie selbstverständlich zum siebenhundertvierunddreißigsten Mal auf die Fresse, und im nächsten Moment sitzt du in einem Bus auf dem Weg zu irgendeinem College in der Nähe vom Nordpol, und der Typ neben dir spielt Buchstabierwettbewerb. Gegen sich selbst."

Doch eines Tages erhält Milo eine Chance, ein Förderprogramm, das ihn aus dem Knast holt, auf ein Collage schickt und neue Hoffnung weckt. Über ein Auslandssemester gelangt er in den 80ern mit zwei anderen ehemaligen Sträflingen nach Westdeutschland an die Grenze zur DDR. Hier soll nun die Suche nach der ihm fehlenden Familie, zu sich selbst und seinen Wurzeln anknüpfen. Doch dass hier der Junge aus der Bronx nicht von allen mit offenen Armen willkommen geheißen und es Probleme geben wird, die das ganze Programm und seine Pläne gefährden, war irgendwie zu erwarten.

"Und als ich aufstand und diese Lichter über mich hinwegglitten, ohne innezuhalten, wurde mir wieder einmal klar, dass dieses Etwas nicht ich war, dass ich ebenso im Nichts verloren war wie er, wie Miriam oder das Nichts selbst."

"Alles wird unsichtbar" ist sehr sprachgewaltiges Werk, welches man gar nicht so einfach wiedergeben kann und das mich tief in den Bann gezogen hat. Von Tiefgründigkeit und Emotionen gepackt und nicht mehr losgelassen, fand ich mich lachend, grinsend, ergriffen und heulend wieder. Ich würde nicht unbedingt behaupten, dass es ein Buch für jeden ist und auch nicht, dass es ein stets einfaches, normales Lesevergnügen bietet, aber die Schwere in all diesen gewählten Worten und der Geschichte macht es zu einem wahren, berührenden Kleinod. Haddens erster Roman ist für mich eins der besten Bücher, die 2017 erschienen sind und ich kann nur eins raten: Lesen!

"Und obwohl der Tod nach wie vor eine ganz besondere Faszination auf mich ausübte, war ich immer davon ausgegangen, dass ich mich selbst richten würde, herzlichen Dank."

Veröffentlicht am 06.11.2017

Sind wir noch zu retten?

Planet Planlos
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Planet planlos - ein erschreckend interessantes Buch von und über den Klimawandel. Eine Vielzahl von Informationen und Fakten um die sich ändernde Wetterlage, das Abschmelzen der Pole und die immer weitere ...

Planet planlos - ein erschreckend interessantes Buch von und über den Klimawandel. Eine Vielzahl von Informationen und Fakten um die sich ändernde Wetterlage, das Abschmelzen der Pole und die immer weitere Steigung der CO2-Belastung ist einem jedem bekannt, doch was Stefan Bonner und Anne Weiss hier gelingt, ist viel mehr als eine lose Sammlung von Informationen. Auf sehr angenehme Weise stellen sie dem Leser die Veränderungen der Welt aus historischer, aktueller und zukünftiger Sicht vor und rütteln mehr oder weniger dazu auf, viel mehr für unsere Umwelt und das Klima zutun. Wenn wir nichts machen, können wir in kürzester Zeit mit noch viel mehr Pollen, kräftigeren Wirbelstürmen, einem stetig steigenden Grundwasserspiegel, Flüchtlinge aufgrund des Klimawandels und des ansteigenden Meeresspiegels, Hitzewellen und vielem mehr rechnen. Es ist sehr erschreckend und erstaunlich, dass der Mensch einfach so lange wie möglich abwartet und nichts tut. Die Grundlagen und Erkenntnisse über den Klimawandel reichen bis auf das Jahr 1824 zurück, doch die Einschränkungen und Gegenmaßnahmen sind recht gering.

"Trotz der seit Jahrzehnten eindeutigen wissenschaftlichen Faktenlage hat sich die Skepsis an der Klimaforschung in unseren Köpfen festgesetzt. Die Leugner sind inzwischen auch in Deutschland heimisch."

Also sind wir wirklich zu doof, die Welt zu retten oder haben wir noch eine Chance? Stefan Bonner und Anne Weiss zeigen sehr eindringlich und überraschend wie Ernst die Lage wirklich ist und wie es weitergeht, wenn wir so weiter machen wie bisher. In Kombination mit einigen Zitaten handelt es sich hier nicht um ein klassisches, verstaubt, trockenes Sachbuch, sondern ein schon fast mitreißender Kriminalroman mit einigen 'Elementen' die zum Schmunzeln und Weiterdenken anregen. Jeder selbst kann etwas tun, es liegt in unserer Hand, doch ...

"Die Klimaforscher, die sich mit den Kipp-Elementen befassen, vermuten, dass wir den Moment bereits verpasst haben, an dem wir die große Nordpol-Schmelze noch hätten aufhalten können.""Die eigentliche Frage ist nur noch: Wie schnell?"

Obwohl ich mich persönlich schon länger mit Umweltschutz und dem Klima beschäftige und immer häufiger Auswirkungen des Klimawandels vor der eigenen Haustür feststelle ist dieses Buch noch einmal eine zusätzliche Bestätigung, dass die Lage sehr ernst ist und sich Politik, Wirtschaft und jeder einzelne endlich mehr Gedanken über die Zukunft machen sollten. Ich finde auch, dass dieses Buch fast schon in den Bereich Standardliteratur oder Schulliteratur aufgenommen werden sollte. Es geht und schließlich alle was an und nur wenn man einmal die Zusammenhänge gezeigt bekommt, beginnt man vielleicht langsam mit dem Umdenken. Die Welt braucht uns heute mehr als uns lieb ist und daher sollten wir sie nicht weiterhin mit den Füßen treten, sondern unseren eigenen Arsch einfach mal etwas bewegen und ihr helfen. Dieses Buch zu lesen wäre schon mal ein Anfang.

"Wollen wir das Risiko wirklich eingehen, abwarten und gucken, was passiert? Dann spielen wir russisches Roulett mit mehr als einer Patrone in der Trommel."

Veröffentlicht am 16.10.2017

Zwischen Ideologie und Freundschaft

Endland
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Martin Schäuble entführt uns in ein Deutschland, das von der rechtsnationalen Partei die "Nationale Alternative" regiert wird. Kurz nach der Wahl trat Deutschland aus der EU aus, die Atomkraft steht wieder ...


Martin Schäuble entführt uns in ein Deutschland, das von der rechtsnationalen Partei die "Nationale Alternative" regiert wird. Kurz nach der Wahl trat Deutschland aus der EU aus, die Atomkraft steht wieder hoch im Kurs, die Schulpflicht sowie gesetzliche Arbeitslosenhilfe abgeschafft und das Land steuert nun gerade darauf zu 'Endland' zu werden. Die beiden Soldaten und Freunde Anton und Noah befinden sich beide an der Grenze zu Polen und wollen das Land vor Flüchtlingen auf der einen und Deutsch-Flüchtigen auf der anderen Seite schützen. Doch Noah zweifelt stark an der neuen Ideologie.

"In Deutschland machen sich die Leute was vor. Sie ziehen Mauern um sich herum hoch und denken: Jetzt ist die Welt wieder in Ordnung. Dabei haben sie sich nur die Augen zubetoniert."

Größer könnte der Kontrast nicht sein: Fana lebt in Äthiopien - ein Land, das dank Klimawandel unter einer immensen Hungerkatastrophe leidet und Menschen kaum noch medizinisch versorgt werden können. Sie möchte einmal Ärztin werden. In Äthiopien stößt sie auf die Karla, die ihr eine Flucht nach Deutschland ermöglicht. In dem letzten übrig gebliebenen Flüchtlingslager treffen Anton und Fana aufeinander. Anton wird jedoch zu einem zweifelhaften Auftrag gezwungen und wird mit ihm vor eine große Zerreißprobe gestellt - zwischen Ideologie und Freundschaft, Zensur, Observation und Flucht, Gefangenschaft und Freiheit. Wird er die richtige Wahl treffen und sich für Fana einsetzen und Noah unterstützen oder die Radikalisierungen und das Chaos vorantreiben?

"Mich hat noch nie eine Schwarze berührt. Wie auch? Im Kindergarten hatten wir nicht mal Türken. Von denen gibt es zwar viele in Deutschland. Aber vor allem im Westen und in der Hauptstadt. Da soll's Klassen ganz ohne Deutsche geben." "Wir sind nicht das Sozialamt der Welt"

Martin Schäuble ist es mit diesem Roman gelungen, ein so wahrscheinlich, unwahrscheinliches Szenario zu erschaffen, das für die heutige Zeit nicht treffender und mitreißender sein könnte. Er beschreibt eindrucksvoll die Anstrengungen der Flucht, die Zweifel an der Gesellschaft und die Vergehen einer nationalen Partei so, als wäre man selbst dabei. Mir ging dieser Roman sehr nahe und ich habe bis zum Ende mitgefiebert; vielleicht ist es eine Art Horror- und Wunschvorstellung (Anfang und Ende) zugleich und gerade das macht es so spannend.

"Warum denken wir Deutschen immer, alle wollen uns was wegnehmen? Müssen nicht die, die nichts haben viel mehr Angst haben?"

Veröffentlicht am 08.10.2017

"Ansichten eines Sterbenden"

Am Leben Sein
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"Ich kenne einen Menschen, der mit 17 Jahren erfuhr, dass er an einer unheilbaren, fortschreitenden Erkrankung leidet, die im Laufe der nächsten 3 bis 6 Jahren zum Tode führen sollte." - Sein Name ist ...

"Ich kenne einen Menschen, der mit 17 Jahren erfuhr, dass er an einer unheilbaren, fortschreitenden Erkrankung leidet, die im Laufe der nächsten 3 bis 6 Jahren zum Tode führen sollte." - Sein Name ist Paul.

Bei dem Buch "Am Leben Sein" von Ines Schmidt handelt es sich in dem Sinne nicht um einen Roman oder Sachbuch, es ist etwas viel Persönlicheres. Ihr Sohn Paul erfuhr mit 17, dass er an der unheilbaren, fortschreitenden Erkrankung ALS leidet. Aus der Sicht seiner Mutter Ines und seiner besten Freundin und Seelenverwandten Franzi begleiten wir Paul bei seinem Kampf ums Leben bis hin zum letzten Atemzug.

"Manchmal muss man glauben, um zu sehn, dass es noch mehr gibt, [...] Und so dreh ich mich immer weiter, immer weiter. Und irgendwann seh ich mein Leben, immer noch im Zweifel stehn, das würd ich mir nie vergeben, dieses Leben ist zu schön."

Ihr Buch zeigt einem erneut, wie wertvoll das Leben ist, dass Lebenswillen so wahnsinnig wichtig ist und man vor allem eines: Nie aufgeben soll, solange bis einfach nichts mehr geht. Dieses Buch ähnelt einer Erzählung, einem Tagebuch gepaart mit Bildern und Liedern. In ihm steckt so viel Mut, Kraft und Freude am Leben, aber auch das mit der Erkrankung verbundene Leid und die Trauer. 162 Seiten plus Audio-CD, die so viel Raum für Emotionen, Gedanken und Leben bieten. Es ist einzigartig in dem, was es aussagt und dabei kein gewöhnliches Buch und vielleicht kann auch nicht jeder damit etwas anfangen, aber ich wünsche mir, dass dieses kleine Buch ein bisschen mehr Aufmerksamkeit in dieser großen Welt bekommt. Mit dem Kauf geht ein Großteil des Autorenerlöses an ALS-mobil e.V. sowie an den Interdisziplinären Bereich für Paliativmedizin der Universitätsmedizin Rostock. Also warum nicht ab und zu mal etwas Gutes tun, wenn man ein Buch kauft oder anderen helfen, egal in welcher Form auch immer. Nur zusammen ist das Leben ein Stück einfacher, auf alles andere haben wir oftmals leider keinen Einfluss.

"Musik öffnet, genau wie die Liebe, den Blick für das Leben, den Sinn unseres Seins. Musik ist so unglaublich kraftvoll wie die Liebe. Für Paul war sie die Kraftquelle überhaupt. Er lebte mit ihr, von ihr, durch sie, und starb mit ihr!"

Veröffentlicht am 11.09.2017

Wenn Berge Freundschaft bedeuten

Acht Berge
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"Acht Berge" ist für mich ein bis ins Detail stimmender Roman über die Freundschaft, das Leben, die Ruhe, den Verlust und die Liebe zu den Bergen. Kein Wunder, dass dieses Buch bereits in Italien zu einem ...


"Acht Berge" ist für mich ein bis ins Detail stimmender Roman über die Freundschaft, das Leben, die Ruhe, den Verlust und die Liebe zu den Bergen. Kein Wunder, dass dieses Buch bereits in Italien zu einem Bestseller wurde, mein Lieblingsbuch ist es bereits. Die Erzählung besteht aus 3 Teilen - "Berge der Kindheit", "Haus der Versöhnung" und "Winter eines Freundes" - von denen bereits jeder Einzelne etwas Wunderbares besitzt. Die "Berge der Kindheit" widmet sich der Entwicklung der Freundschaft zwischen den Kindern Pietro und Bruno, dem Bergjungen. Pietro hatte in Mailand nie wirklich Freunde gefunden, doch als seine Eltern beschlossen auf dem Land ein Haus zu mieten, lernt er den Neffen der Vermieterin kennen. Aus beiden werden nicht nur Freunde, sondern Bruno fügt sich immer mehr in die Familie ein und wird so etwas wie ein Bruder. Doch "Unsere Freundschaft war in diesen Bergen beheimatet, und was im Tal passierte, durfte nicht damit in Berührung kommen." Gemeinsam erleben und teilen sie fast alles miteinander, bauen ein Haus und wir begleiten sie durch die kommenden Höhen und Tiefen. Der Berg und Grana wird für Pietro so etwas wie ein Zufluchtsort, sein Freund, sein Ausgleich. Er folgt den Spuren seines Vaters und lernt ihn nach seinem Tod von einer ganz neuen Seite kennen zulernen.


"Denn von meinem Vater habe ich [...] gelernt, dass es für manche Menschen Berge gibt, zu denen sie nicht zurückkehren können. Dass es mitunter, genau wie für ihn oder mich, unmöglich ist, zu den Bergen zurückzukehren, die im Mittelpunkt alle anderen und am Anfang der eigenen Lebensgeschichte stehen."


Paolo Cognetti entführt uns auf seine ganz eigene Art und Weise in eine Gegend abseits des Trubels, voller Liebe und Wärme. Die vielen schönen Details, die Ruhe und die emotionale Tiefgründigkeit machen es zu einem rundum großartigen Roman, der noch lange nachhallt und den man immer wieder neu entdecken und lesen kann.


"Du bist derjenige, der kommt und geht, während ich bleibe, genau wie immer."­