Eine Tote, zwei Vermisste und viele Geheimnisse - atmosphärischer, vielschichtiger Schwedenkrimi
Schwarzvogel„Sie, die immer eine intuitive Polizistin gewesen war, die ihren Instinkten folgte, fühlte sich jetzt verloren. Es war, als wäre ihr innerster Kern aus der Bahn geraten.“
Nach einem traumatischem Erlebnis ...
„Sie, die immer eine intuitive Polizistin gewesen war, die ihren Instinkten folgte, fühlte sich jetzt verloren. Es war, als wäre ihr innerster Kern aus der Bahn geraten.“
Nach einem traumatischem Erlebnis bei einem Einsatz kehrt Polizistin Fredrika Storm Stockholm den Rücken und tritt ihren Dienst bei der Mordkommission Lund an. Ihr neues Wirkungsgebiet ist ihr sehr vertraut, wuchs sie doch dort auf und ihre Familie lebt noch immer hier, auf einem Bauernhof im kleinen Ort Harlösa. Gemeinsam mit ihrem neuen Kollegen Henry Calment arbeitet Fredrika an dem Fall einer toten jungen Frau, die auf einem zugefrorenen See schwer verletzt im Eis einbrach und ertrank. Die Sache scheint eine Verbindung zu Fredrikas Familie zu haben. Und in Fredrikas Familie gibt es offenbar noch mehr Geheimnisse. Fredrika gerät in die Zwickmühle: Was, wenn sie den Täter viel besser kennt, als ihr lieb ist?
Autorin Frida Skybäck erzählt chronologisch in der dritten Person Vergangenheit. Die Geschichte ist flüssig und gut verständlich formuliert. Das Titelbild zeigt ein kleines schwedenrotes Haus vor einem Wald am See. In den dunklen Wolken darüber fliegt ein schwarzer Vogel. Das Foto sieht einerseits idyllisch aus, andererseits durch den dunklen Himmel auch bedrohlich. Die Stimmung des Covers passt zur ambivalenten Atmosphäre des Romans.
Fredrika hat an einigen Ereignissen aus ihrer Vergangenheit noch schwer zu knabbern. Dass ihre Mutter spurlos verschwand, hat sie beispielsweise nicht verwunden, zumal sie immer noch nicht weiß, was mit ihr wirklich geschah. Fredrika hat einen Hang zu riskanten Alleingängen. Ihrer Familie stellt sie viele Fragen, die unangenehme Erinnerungen aufkommen lassen. Fredrika wuchs in einfachen Verhältnissen auf einem Bauernhof auf, ihr neuer Kollege Henry hingegen hat einen ganz anderen Hintergrund. Für seine wohlhabende, etwas versnobte Mutter hat Henry, der verschiedene Fächer wie Soziologie und Rechtswissenschaft studiert hat, als einfacher Polizist zu wenig aus seinem Leben gemacht. Die beiden doch sehr unterschiedlichen Ermittler Fredrika und Henry, die sich dennoch erfolgreich ergänzen, gestalten die Figurenkonstellation ziemlich interessant. Dieses besondere Duo hat Potential. Aber auch andere Charaktere haben Abgründe, sind für Überraschungen gut.
In Fredrikas Heimatdorf Harlösa herrscht nicht gerade eitel Sonnenschein. Der Mord erschüttert Fredrikas Familie, die ohnehin nicht unbedingt vom Glück begünstigt ist und mit verschiedenen Schicksalsschlägen zu kämpfen hat. Mittendrin Fredrika, die zwar die Wahrheit sucht, aber auch gleichzeitig ihre Familie schützen möchte. Eine durchaus schwierige Situation für sie. Die düstere Stimmungslage in der Familie einerseits und Fredrikas Zwiespalt andererseits werden im Roman authentisch eingefangen. Anfangs hatte ich allerdings Probleme, die einzelnen Figuren zu unterscheiden und ihnen Verwandtschaftsverhältnisse zuzuordnen, werden doch recht viele Charaktere auf einmal vorgestellt. Hier hätte mir ein Personenverzeichnis sicher geholfen. Das Erzähltempo ist zu Beginn noch recht gemächlich, die Spannung steigert sich aber zum Ende hin enorm. Nicht nur der eigentliche Fall, auch andere Handlungsstränge und Entwicklungen nehmen Fahrt auf. Im Finale wird nicht nur der Tathergang enthüllt, auch weitere Geheimnisse werden gelüftet. Auch wenn ich etwas Eingewöhnungszeit brauchte, bis ich im Buch „angekommen“ war, kann ich diesen atmosphärischen, stimmig konstruierten Schwedenkrimi mit den vielschichtigen, reizvollen Figuren allen Fans des Genres empfehlen. Ich werde den zweiten Fall der beiden Ermittler jedenfalls ganz bestimmt lesen.