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Veröffentlicht am 15.03.2018

Eine fantastische Reise in zauberhafter Sprache - Leseempfehlung für High-Fantasy-Fans!

Quendel (Quendel, Bd. 1)
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Caroline Ronnefeldt hat mit "Quendel" ein sehr fantasievolles und lesenswertes Début im Genre Fantasy verfasst, das sich zu lesen lohnt. Herausgegeben wurde das Buch, ein rechtes "Schwergewicht", im Verlag ...

Caroline Ronnefeldt hat mit "Quendel" ein sehr fantasievolles und lesenswertes Début im Genre Fantasy verfasst, das sich zu lesen lohnt. Herausgegeben wurde das Buch, ein rechtes "Schwergewicht", im Verlag ueberreuter: Das irrlichternde und wirklich zauberhaft gestaltete Cover hat meine Neugierde auf sich gezogen, auf den Innenseiten der Buchdeckel dieses HC ist eine Landkarte mit den Orten, die von Quendeln bewohnt werden, enthalten: Schließlich ist der Hauptprotagonist Hobby-Kartograf und die Autorin ihres Zeichens Illustratiorin. Dass sie nicht nur mit Farbe und Stiften sehr gut umzugehen weiß, sondern auch "mit Worten malen kann", beweist ihre wirklich sehr schöne, dem Genre angemessenen ausgefeilte und zauberhafte Sprache, in der "Quendel" verfasst wurde!

Bullrich Schattenbart, ein Hobby-Kartograf aus Grünlohe, sitzt bei seinem ausgiebigen Frühstück (das mich zusammen mit dem Dorf und den weiteren Beschreibungen durchaus an die Hobbits im Auenland erinnerte ;) und sinniert darüber, warum es ihm noch immer nicht gelungen ist, alles zu seiner Zufriedenheit zu vermessen: So beschließt er kurzerhand (ungewöhnlich für einen Quendel, der Gemütlichkeit und Ruhe liebt, jedoch keine Abenteuer), den nahegelegenen Wald Finster aufzusuchen - oder zumindest seine Randgebiete, um die Arbeit als Kartograf endlich fertigstellen zu können....

Da er am Abend nicht zurückkehrt und zuvor noch auf dem Heckenweg Vetter Zwentibold einen Bären aufband, den dieser gerne zu Hortensia trug, einer Nachbarin Bullrichs und aus der Familie der Samtfuß-Kremplinge stammend, machen sich Zwentibold, Hortensia, Beda und ihr Sohn Karlmann sowie Hulda große Sorgen um ihn und beschließen, ihn zu suchen. Zuvor holen sie sich noch Rat beim alten Pfiffer ein, der sich der Gruppe gemeinsam mit seinem roten Kater Reizker anschließt - sicherheitshalber, denn es ist schon dunkel und die Nacht naht...

Ein anderer Erzählstrang handelt von Fendel Eichhase, der ein Nachfahre des Ästigen Porlings ist, der einst im Wald Finster verschwand.. Er ist ein rechter Trunkenbold und dies bringt ihn eines Abends nach vielen Lorchelbechern vor die Stalltüre von Pirmin, der mit seiner Frau und seinen Kindern auf die Geburt eines kleinen Stieres wartet...
Hier gibt es viel Düsterkeit und Schatten, viel Schilf und Moor, die den gruseligen Anteil dieser Fantasy-Saga deutlich erhöhen. Auch Schrecknisse aller Art und fantastische Wesen lernt man in diesem Roman kennen, vor allem aber ist immer wieder ein unheimliches "silbernes Glitzern" im Nebel zu sehen, das von nichts Gutem kündet und nicht zu dieser Welt gehört...

Die Autorin haucht den Quendeln Leben ein und versteht es ausgezeichnet, eine Atmosphäre zu schaffen, die den Leser verzaubern: Die Bäume, die Wälder, die Natur überhaupt spielt ebenfalls eine Hauptrolle; einer Dorflinde kommt sogar eine ganz besondere Bedeutung zu. Auch gibt es zauberhafte Verbindungen zu der Welt der Pilze: "Heilige Hohltrüffel"!! ist neben anderen gängiger Ausdruck für großes Erstaunen in "Quendel-Sprache". ;) Die wundervolle Erzählweise und liebenswerten Charaktere der Quendel, die mit Hobbits durchaus verwandt sein könnten, aber auch charakterlich so manchem Menschen entsprechen und die fantastischen Beschreibungen der jeweiligen Umgebung, in der die Gruppe um den alten Pfiffer, Zwentibold, Hortensia und den anderen zahlreiche und gefährliche Abenteuer bestehen (müssen), haben mich gut unterhalten und mir sehr gefallen.

Ich kann "Quendel" allen Lesern (Kindern und Jugendlichen ab 12 Jahren sowie Erwachsenen) sehr empfehlen; allerdings würde ich eher ängstliche Kinder von der Empfehlung ausnehmen, da die Perspektive doch oftmals sehr düster ist. Hier hätte ich mir mehr Helligkeit gewünscht und vermisste den Fortgang der fantastischen Reisen von Bullrich wie auch von Fendel Eichhase: Diese beiden losen Erzählstränge könnten sich jedoch in einer Fortsetzung (bzw. zwei) weitererzählen lassen? Ich vergebe 4 fantastische * Sterne am Genrehimmel Fantasy und danke für spannende und schöne Lesestunden sowohl der Autorin als auch dem ueberreuter-Verlag!

Veröffentlicht am 20.11.2017

E.K. - ein mysteriöser Fall

Der Fall Kallmann
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Vorausschicken muss ich, dass ich noch einige andere Romane von Hakan Nesser gelesen habe, mit dem "Fall Kallmann" jedoch zu einem absoluten Fan dieses mit einer außergewöhnlichen Erzählgabe ausgestatteten ...

Vorausschicken muss ich, dass ich noch einige andere Romane von Hakan Nesser gelesen habe, mit dem "Fall Kallmann" jedoch zu einem absoluten Fan dieses mit einer außergewöhnlichen Erzählgabe ausgestatteten Bestseller-Autors geworden bin.

Inhalt:

Leon Berger folgt einem Vorschlag einer früheren Studienkollegin, Ludmilla, sich in K., einer schwedischen Kleinstadt zu bewerben, und tritt als Nachfolger die Stelle des Lehrers Erich Kallmann an der Bengtsuna-Schule an. Leon versucht damit, nach einer schwierigen Zeit und dem tragischen Verlust von Frau und Tochter Judith einen Neuanfang zu starten und wieder als Schwedischlehrer tätig zu werden.

Im Schreibpult seines Vorgängers findet er Manuskripte, bei denen es sich um Tagebücher handelt und erhält aus dem Kollegium nur sparsame Informationen um Erich Kallmann, da dieser sehr introvertiert war und kaum soziale Beziehungen unter den Kollegen unterhielt. Lediglich Igor, ein Lehrer, der mit ihm zusammenarbeitete, erzählt Leon Erinnerungen der letzten Gespräche mit Kallmann, aus denen hervorgeht, dass dieser sich für Literaturgeschichte und Kriminologie (besonders unaufgeklärte Fälle) interessierte. Allem Anschein nach war Kallmann kurz vor seinem Tod über ein unentdecktes und ungeklärtes Verbrechen gestolpert und war kurz vor der Aufklärung - musste er deshalb sterben?

Meine Meinung:

Das perspektivische Erzählen der einzelnen Hauptprotagonisten (Leon Berger, Ludmilla Kovacs, Igor, Andrea Wester, Charlie Mattis) wechselt sich von Beginn an ab, wodurch der Leser immer mehr und sehr detaillierte Einblicke in die Romanhandlung, die fast ausschließlich an der Schule stattfindet, in der unterrichtet wird, durch die einzelnen Protagonisten erhält. So gibt es auch antisemitische und rassistische Drohungen gegenüber einer Lehrerin und einem Schüler, die ein Seitenhieb auf die rechtspopulistischen Entwicklungen sind, die auch vor Schweden nicht haltmachen und die ich als reale Sozialkritik verstehe. Im Eigentlichen geht es jedoch um die Gabe Kallmanns, der behauptet hatte, durch die Augen direkt in die Seele eines Menschen blicken zu können (weshalb er dies stets unterließ und auf Abstand ging). Was war Fiktion, was ist Wahrheit, die in den Tagebüchern zu finden ist, derer sich erst Leon, dann Leon und Ludmilla und schließlich das Dreierteam Leon, Ludmilla und Igor widmen? Was hat Andrea Wester und Charlie Mattis mit dem Fall Kallmann zu tun und in welchem Zusammenhang stehen beide zu dem Tod des bei den Schülern beliebten Lehrers?

Während die Polizei, in persona des Inspektors Marklund, die Akte Kallmann schnell beiseitelegt, forschen die Lehrer um Leon nach; auch Andrea und ihre Freundin Emma gründen ein Detektivbüro auf Zeit, um Nachforschungen anzustellen...
In einer Rückblende geht es in die 80er Jahre: Ulrika, die Mutter von Andrea Wester, unternimmt eine Reise nach England, wo sie sorglose und sehr verliebte Zeiten mit Flynn Branagan, einem etwas älteren Troubadour, verbringt und Ende Juni schwanger zurück nach Schweden fährt...

Die Hauptprotagonisten, allen voran Leon Berger, sind durch die Ich-Form sehr authentisch und ich empfand sie als sehr sympathisch und ihre Handlungen als nachvollziehbar. Ludmilla hilft Leon in einer schweren Zeit der Traumatisierung und sich selbst hinaus aus einer nicht mehr funktionierenden Ehe. Die Kapitel, in denen Andrea Wester (15) "erzählt", empfand ich als besonders erfrischend; ihre tiefgründigen, teils philosophischen Unterhaltungen mit Emma, ihrer besten Freundin, die einen ebenso scharfen Verstand aufweist wie Andrea selbst, besonders, als ein Junge, der als rechtsextrem gilt, an der Schule ermordet aufgefunden wird.

Jeder der Protagonisten gewährt dem Leser (im jeweiligen Augenblick der Handlung, der man mit Spannung folgt) einen Blick in seine Seele und seine Gedankenwelt, die sehr charakterisiert und den ich einfach großartig finde. Sicher spielt das Stilmittel der Ich-Form hier eine nicht unbedeutende Rolle; auch Ludmilla fiel mir da besonders positiv auf. Bei Andrea Wester ist es die Frische und Jugendlichkeit, ihre Intelligenz und auch soziale Kompetenz, die ich an dieser Figur mochte. Auch Charlie Mattis ist von Beginn an ein interessanter, kluger als auch überzeugend, authentisch wirkender junger Mann, der zum Ende hin eine Schlüsselrolle haben sollte: 20 Jahre sind vergangen und die Dinge "um den Fall Kallmann" beginnen sich zu klären; auch für all jene, die nochmal zusammengekommen sind und sich damals mit ihm beschäftigt haben. Schockierend, welche Sachlage sich zum Ende hin darstellt, die so nicht vorhersehbar war.

Fazit:

Subtile Spannung von einem Meister seines Fachs; stilistisch brillant umgesetzt: Ich kann diesen Roman, der starke Krimielemente aufweist, allen Hakan Nesser-Fans nur weiterempfehlen! Spannung, Unterhaltung auf höchstem Niveau halten sich durchaus die Waage. Von mir daher 4,5 * und 95° auf der "Krimi-Couch".

Veröffentlicht am 11.09.2017

Wieder spannend, atmosphärisch, stimmig: Toller Norwegenkrimi mit sympathischem Ermittler-Duo!

Das Mädchen, das schwieg
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Nach "Totensommer" ist dies der 2. norwegische Kriminalroman von Trude Teige, der ins Deutsche von Gabriele Haefs und Andreas Brunstermann aus dem Norwegischen übersetzt wurde. Erschienen ist "Das Mädchen, ...

Nach "Totensommer" ist dies der 2. norwegische Kriminalroman von Trude Teige, der ins Deutsche von Gabriele Haefs und Andreas Brunstermann aus dem Norwegischen übersetzt wurde. Erschienen ist "Das Mädchen, das schwieg" im Aufbau-Verlag (TB, 2017).

Kajsa und ihr Mann Karsten leben mit Kajsa Kindern aus der Ehe mit Aksel und dem kleinen Jonas, dem gemeinsamen Sohn mit Karsten, in Losvika, einem kleinen Ort auf einer norwegischen Insel, das Kajsa von ihrer Tante erbte.
Sissel, die seit vielen Jahren kein Wort mehr gesprochen hat, wird ermordet - im gleichen Haus, in dem auch ihr Vater Peder Vage ein knappes Jahr zuvor einem gewaltsamen Ende zum Opfer fiel: Haben die beiden Morde miteinander zu tun?
Sissel, die sich nur mit Zetteln und Notizblöcken mit anderen Menschen verständigte, saß meist in ihrem Sessel am Fenster und beobachtete ihre Umwelt, ihre Mitmenschen im Dorf: Was hatte sie gesehen, dass sie sterben musste?

Diesen Fragen geht das Ermittlerteam nach, das Eggesbo um sich schart, wobei er Karsten bewusst miteinbeziehen möchte, ohne ihn zu überfordern: Nach einer schweren Verletzung, die er sich bei der Aufklärung des letzten Falles zuzog, hat er sich noch nicht wieder erholt und ist auf Krücken angewiesen. Allerdings ist er zu Kajsas Freude mehr und mehr fest entschlossen, sich ins Leben zurückzukämpfen: Seine Stärke liegt in Analysefähigkeiten und methodischem Vorgehen; so nimmt er sich z.B. die Aufzeichnungen Sissels zur Brust, die er zu entschlüsseln versucht....

Kajsa, eigentlich Journalistin, kannte die Ermordete vom Sehen und macht sich auf die Suche nach Informanten, um Spuren aufzunehmen, die zur Klärung des Falls führen könnten. So sucht sie z.B. Tone auf, ein Mädchen, das direkte Nachbarin Sessels war, sehr viel musikalisches Talent hat und auch gerne mal den kleinen Jonas spazierenfährt, in der Schule allerdings aufgrund ihrer Hautfarbe ausgegrenzt und gemobbt wird; Olga, die pensionierte Lehrerin; und Bente und Dag, die gutsituierten Adoptiveltern von Tone, die direkt neben Sissel wohnen.
Da das Mädchen als vermisst gemeldet wird, wird Verstärkung angefordert, die Suchmannschaft vergrößert und Karsten, der sich nicht direkt an der Suche beteiligen kann, nimmt sich nochmals die Notizbücher Sissels vor - bei ihrem letzten Eintrag hat er endlich das Gefühl, auf einer wichtigen Spur zu sein...

Der erste Wintersturm, der über Norwegen hinwegfegt, erschwert die Suche, erhöht aber die Spannung ungeheuer und erste Ideen, wer der Täter sein könnte, entstehen beim Lesen; es gibt immer wieder Rückblicke in eine gequälte Kindheit zweier Kinder, die mit ihrer Mutter gemeinsam in Angst und Schrecken vor der häuslichen und unberechenbaren Gewalt des Vaters leben...

Kajsa arbeitet sich unerbittlich und mit viel Intuition in die Vergangenheit Sissels, die Schreckliches (und für den Leser Erschütterndes) zutage fördert. Gegen Ende des sehr spannend geschriebenen und flüssig zu lesenden Kriminalromans spitzt sich die Situation zu; der vom Meer kommende Wintersturm macht das Geschehen umso dramatischer. Das fulminante Ende, das vom Sturm begleitet wird, ist sehr spannungsgeladen, der Plot stimmig. Der Bericht im "Sunnmorsposten", einer Lokalzeitung, für die Kajsa temporär arbeitet, setzt dieser Dramatik gewissermaßen noch "eins drauf".
Einziger 'Wermutstropfen' dieses ansonsten brillanten Krimis bestand für mich darin, dass sich mein Verdacht bestätigte (nach Motivlage), den ich zur Krimihälfte erwogen hatte. Dennoch habe ich den 2. Kriminalroman dieser norwegischen Autorin sehr gerne gelesen und würde mich über Fortsetzungen sehr freuen!

Fazit:

In den spannend zu lesenden und stimmigen beiden bisherigen Kriminalromanen von Trude Teige findet sich eine gewaltige Menge "sozialen Sprengstoffes"; hier in Form von Gewalt in der Familie, Übergriffe auch in religiösen Kreisen und in der Passivität der Mitmenschen, die oft wegschauen, um selbst nicht ins Fadenkreuz des Ärgers bzw. von Konflikten zu geraten! Für den atmosphärisch-spannenden Krimi, den ich gerne weiterempfehlen möchte, vergebe ich 4,5 * am skandinavischen Krimi-Firmament und hoffe auf weitere Fälle!

Veröffentlicht am 14.08.2017

Lesenswerter und nachdenklich stimmender Blick in die Kölner Nachkriegsjahre...

Antonias Tochter
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Juli 1945, Köln:

Antonia von Brelow, aus einem ostpreußischen Gut stammend, kehrt mit ihrer Tochter Marie, noch im Kleinstkindalter, ins Haus der von Brelows zurück, das den Krieg wie durch ein Wunder ...

Juli 1945, Köln:

Antonia von Brelow, aus einem ostpreußischen Gut stammend, kehrt mit ihrer Tochter Marie, noch im Kleinstkindalter, ins Haus der von Brelows zurück, das den Krieg wie durch ein Wunder überstanden hat und bewohnbar ist. Ihr Mann Friedrich wird vermisst, aber ihr Schwager Richard, dessen Bruder, hat sich ebenfalls in der alten Villa niedergelassen; nun müssen sich beide arrangieren...
Um Marie und sich selbst über diese entbehrungsreichen Zeiten zu bringen, entschließt sich Antonia, Zimmer unterzuvermieten. Und so bildet sich nach und nach eine Hausgemeinschaft:
Katharina (aus ostpreußischem Adel stammend und als Krankenschwester in Köln arbeitend); Elisabeth (von einem Bauernhof stammend und Tänzerin mit einem Faible für Nigel, einem britischen Soldaten, der ihr Zimmer finanziert, dafür aber gewisse "Gegenleistungen" fordert) und Dr. Georg Rathenau, Arzt und ebenfalls auf der Suche nach einer Bleibe...

Im Romanverlauf lernt man die verschiedenen Charaktere immer besser kennen; freut sich, dass die Frauen sich gut verstehen und mehr und mehr zu Freundinnen werden - hat jedoch das untrügliche Gefühl, dass jeder der Protagonisten etwas zu verbergen hat - oder durch Kriegserlebnisse traumatisiert ist. Die Figuren sind sehr facettenreich beschrieben und man kann deren Handlungen sehr gut nachvollziehen; dem Leser wird eine Zeit vor Augen geführt, in der Hunger und Kälte ständige Begleiter von Menschen waren, die den Krieg überlebten - und nun durch Rationierungen von Lebensmitteln (Karten) und Heizmaterial weiterhin ein karges, fast unmenschliches Leben führen mussten und nicht jeder diese Zeit überlebte. So mancher wurde dazu verleitet, Diebstahl und Einbrüche zu begehen, um nicht zu verhungern; selbst die Lebensmittelkarten standen auf der Liste von (hungernden) Trickbetrügern, die zuweilen in Gestalt eines Kindes sein Opfer überrannten...

Während Katharina und Georg sich den zahlreichen Kranken in der Klinik widmen, näht Antonia aus alten Vorhängen Wintermäntel oder strickt Kinderkleidung, um ein Zubrot zu verdienen, das Marie und sie vor dem Verhungern rettet. Elisabeth arbeitet als Trümmerfrau, da es dort wenigstens eine heiße Suppe gibt. Sie sucht nach einem Weg, finanziell unabhängig zu sein, auf den elterlichen Hof wird sie niemals zurückkehren... Diese Versuche, unabhängig zu sein, ließen mich große Sympathie für Elisabeth empfinden, ebenso wie zu Katharina Falkenburg, die das "von" lieber aus ihrem Namen streicht und der jeglicher Standesdünkel aus Vorkriegszeiten fremd ist und zu Antonia, die unter schwierigen Umständen das beste aus der Situation macht.

Der Autorin gelingt es, die Sorgen und Ängste besonders der Frauen, die auf die Rückkehr ihrer Männer warten - oder zuweilen noch schlimmer - die Traumatisierungen ihrer Männer miterleben, die ihnen diese fremd erscheinen lassen und eine Rückkehr zu einem "normalen" Leben wie vor dem Krieg unmöglich machen, zu beschreiben. Auch der Nahrungsmangel, der auch auf die Besatzungszonen und damit einhergehender Verwaltungs- und Logistikprobleme zurückzuführen ist, steht sehr eindringlich im Vordergrund des Romans. Eine Art "Überlebenskünstler" ist hier Richard, der jedoch rigide mit Geschäftskontrahenten umgeht und die Hausgemeinschaft nicht von seinen recht erfolgreichen Aktivitäten im Schwarzmarkthandel in Form von Naturalien - wenigstens ab und zu - profitieren lässt. Dennoch hatte ich auch für diese Figur gewisse Sympathien, da er doch zur Stelle war, wenn es darauf ankam.

Zu den ständigen Begleitern des Hungers und der Kälte gesellen sich bei fast allen Protagonisten auch fragile Gefühlswelten, die in und durch die Kriegsjahre sehr durcheinandergerüttelt wurden und besonders bei Antonia, in direktem Zusammenhang mit der Flucht aus Königsberg zu stehen scheinen....
In einem Rückblick am Romanende wird die Zeit des letzten Kriegsjahres und der Einmarsch der Roten Armee in deutsche Gebiete (Oktober 1944), der mit dem Tode tausender flüchtender Menschen aus Ostpreußen, Vergewaltigungen und Angriffen auf die Flüchtlingstrecks endeten, in der Erfahrung Antonias geschildert; die Todesangst und Panik ist allzu vorstellbar, wenn man sich den Hass der russischen Soldaten vorstellt, die zuvor ebenfalls diese Grausamkeiten des Krieges von Seiten der deutschen Wehrmacht erlitten hatten. Hier geht es Nora Elias darum, nachvollziehbar aufzuzeigen, dass ein Mensch in Panik und Todesangst anders handelt als er es unter normalen Umständen getan hätte, was für mich auch die stärkste Aussagekraft dieses Romans darstellt.

Fazit:

Ein Roman, der den Leser auf spannende Weise in die Stadt Köln der Jahre 1945 bis Sommer 1947 entführt, in eine zerbombte Stadt voller Ruinen und zu einer Hausgemeinschaft, die diese harten Nachkriegsjahre in gegenseitiger Freundschaft überlebten, sich Halt gaben und füreinander einstanden - auch über Klassenunterschiede hinweg, die nach dem Krieg noch eine größere Rolle spielten als heute. Ein beeindruckender, teils auch bedrückender und sehr nachdenklich stimmender Nachkriegsroman, der auf jeden Fall - besonders für historisch interessierte Leser - eine Leseempfehlung und 4,5 *von mir erhält!

Veröffentlicht am 08.11.2024

Ein hochherrschaftliches Weihnachtsfest voll bissigen Humors und Situationskomik

Schöne Bescherung auf Compton Bobbin
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"Schöne Bescherung auf Compton Bobbin" von Nancy Mitford erschien erstmals 1932 (Originaltitel Christmas Pudding); in deutscher Übersetzung wurde der Roman nun erstmals bei Schöffling & Co. (HC, geb., ...

"Schöne Bescherung auf Compton Bobbin" von Nancy Mitford erschien erstmals 1932 (Originaltitel Christmas Pudding); in deutscher Übersetzung wurde der Roman nun erstmals bei Schöffling & Co. (HC, geb., 233 S.) 2024 in Übersetzung aus dem Englischen von Vera Regul veröffentlicht. Da ich eine andere Buchreihe über die Mitford-Schwestern gelesen habe, war hier mein Interesse geweckt. Nancy Mitford (1904-1973) war die älteste von 6 Schwestern, die der Ehe des 2. Baron Redesdale und Sydney Bowles entstammte. Im Gegensatz zu einigen ihrer berühmten Schwestern stand sie dem Faschismus kritisch gegenüber und stellte sich in den Dienst ihres Landes, was sie mir um einiges sympathischer erscheinen lässt als z.B. Unity Mitford, die als Hitler-Anhängerin galt und sich in dessen Umfeld gerne aufhielt.


Der Gesellschaftsroman von Nancy Mitford, der um die Weihnachtszeit und an den Weihnachtstagen vermutlich Ende der 20er Jahre spielt, nimmt den Leser mit in die schönen Cotswolds, wo Amabelle Fortescue, Ex-Kurtisane und Freundin von Paul Fotheringay, Walter und Sally Montheath, Jerome Field, Michael Lewes (um nur einige zu nennen) ein Cottage namens Mulberry Farm anmietet, um die Weihnachtszeit und den Beginn des Neuen Jahres dort mit ihren Freunden zu verbringen. Das Haus ist in der Nähe von Compton Bobbin gelegen, in dem Lady Bobbin, Mutter von Roderick (Bobby) und Philadelphia Bobbin, das Regiment nach dem Tod ihres Mannes führt. Sie liebt einzig ihre Hundemeute, ist tieftraurig, dass sie wegen einer Maul- und Klauenseuche nicht wie gewohnt zur Jagd gehen kann und schart wie an jedem Weihnachtsfest den Clan der Bobbins um sich, um die Feiertage möglichst fröhlich mit ihnen zu verbringen (was allerdings nicht immer gelingt, was an den zusammengewürfelten, unterschiedlichen Gästen liegen mag). Da sie jedoch die Kosten in einem gewissen Rahmen halten muss, entfallen das Feuerwerk an Silvester und der Champagner: Stattdessen gibt es Bier und Cidre (bis auf die Ausnahme eines kleinen erwählten Kreises, die sich auch in Bobbys Zimmer diverser Cocktails erfreuen können; was auch gerne in Anspruch genommen wird. So nimmt man mit dem Bobbin Clan und im Cottage bei Amabelle Fortescue an den Bräuchen an den Weihnachtstagen teil: Lady Bobbin liebt alle südenglischen und auch deutschen Bräuche, die immer in Anwendung kommen; bei Amabelle geht es lustig zu, denn hier treffen sich (zu Spielen und Gesprächen mit diversen Drinks) Bobby und sein "Hauslehrer" Paul Fotheringay alias Paul Fisher:


Dieser hat sein Début veröffentlicht, das auch vielgelobt wird - allerdings ganz anders, als der Autor sich dies vorstellte: Sein Werk (Kuriose Kapriolen) war durchaus ernst gedacht, wird jedoch als Schmunzellektüre bei den LeserInnen verbucht, was Paul sehr kränkt. Als Amabelle ihm rät, eine Biografie zu schreiben, fragt er bei Lady Bobbin an, da er die Tagebücher der Vorfahrin und Dichterin Lady Maria Bobbin lesen wolle (über sie gab es bis dato sehr wenig). Da dieses Ansinnen jedoch nicht auf Gegenliebe stößt, müssen sich Amabelle, Bobby und Paul etwas anderes ausdenken....


Wovon Lady Bobbin nicht die geringste Ahnung hat und so nehmen viele skurrile und mit sehr britischem Humor versehene Begegnungen zu Weihnachten ihren (oft unvorhergesehenen) Lauf: Wir erleben Paul zu Pferd, lauschen manchem Heiratsantrag und sind erstaunt, dass eine der HauptprotagonistInnen selbst letztendlich (nochmal) ans Heiraten denkt. Diese lustigen Episoden bringen immer wieder in den Dialogen einen sehr humorvollen, aber auch hinterfragenden Kontext, der den Leser schmunzeln lässt. Manches fand ich einfach nur köstlich zu lesen und sehr authentisch für die englische Welt der Adligen um diese Zeit, die langsam dem Untergang geweiht war; anderes machte mich auch betroffen, da die Dekadenz so mancher Zeitgenossen nicht zu übersehen bzw. zu überlesen war. Der Ton Nancy Mitfords und ihr Schreibstil gefielen mir sehr, da zwischen den Zeilen eine kritische Autorin nie zu vermissen war und vieles bewusst noch etwas überzeichnet dargestellt wurde.

Fazit:

Scharfzüngig und entlarvend nimmt Nancy Mitford, selbst diesem gesellschaftlichen Stand angehörend, die britische Upper Class der 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts mit Hilfe des "Bobbin Clans", die sich zu jedem Weihnachtsfest auf Compton Bobbin trifft, gekonnt auf die Schippe; an bissigem Humor und einer köstlichen Portion Situationskomik fehlte es ihr nicht. Voller Lokalkolorit und historischer Authentizität, einigen schrägen (wenn auch adeligen) Charakteren gereicht der Roman besonders in der kommenden Advents- und Weihnachtszeit mit einem Augenzwinkern zu meinen persönlichen Empfehlungen. 4*


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