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Batyr

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.10.2018

Portrait einer Ära

Queen Victoria
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Die Verfasserin dieser Biographie, Julia Baird, füllt einen sprichwörtlich gewordenen Begriff mit Inhalt. In unzähligen Facetten entwirft sie ein umfassendes und detailliertes Bild der Monarchin, die wesentlich ...

Die Verfasserin dieser Biographie, Julia Baird, füllt einen sprichwörtlich gewordenen Begriff mit Inhalt. In unzähligen Facetten entwirft sie ein umfassendes und detailliertes Bild der Monarchin, die wesentlich auch unser Bild von Großbritannien prägt. Das Entstehen einer Weltmacht, das Wachsen des Empire erschließt sich dem Leser ebenso nachdrücklich wie die Charakterzeichnung einer Frau, die mit ungeheurer Härte sich selbst gegenüber sich in den Dienst ihrer Nation gestellt hat. Die Autorin versteht es, auch durch eher skurile Einzelheiten ihrem Bildnis der Herrscherin prägnante Züge zu verleihen, aber im Zentrum stehen immer die politischen Verhältnisse, die historischen Entwicklungen, denen diese Herrscherin ihr unauslöschliches Siegel aufgedrückt hat. Mit dieser Darstellung eines „kühnen Lebens einer außergewöhnlichen Frau“ gelingt Baird das Portrait einer Ära.

Veröffentlicht am 25.09.2018

Pavane des Abschieds

Der Narr und seine Maschine
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Der Duktus des nicht einmal einhundertfünfzig Seiten langen Textes suggeriert dem Leser unmissverständlich, dass er den letzten Roman um den in sich gekehrten und wortkargen Ermittler Tabor Süden in Händen ...

Der Duktus des nicht einmal einhundertfünfzig Seiten langen Textes suggeriert dem Leser unmissverständlich, dass er den letzten Roman um den in sich gekehrten und wortkargen Ermittler Tabor Süden in Händen hält. Knapp beschrieben findet sich der Protagonist an dem Ort, der Inbegriff des Abschieds ist, am Bahnhof, doch allzu deutlich wird, dass es kein Ziel gibt.
Nur drei Seiten weiter findet sich geradezu gespiegelt eine ähnliche Szene vor einer Verkehrsampel, ein anderer Mann, aber ebenso regungslos an einen Ort gebannt. Tabor Süden wird von seiner Chefin überzeugt, den Fall eines verschwundenen Kriminalschriftstellers zu übernehmen, und so bewegen sich die beiden Männer in verschlungenen Figuren aufeinander zu, bis die Pavane in einer schäbigen Bar endet. Die Synchronität der beiden Lebensläufe tritt zutage, und zum Schluss ist es nur noch Süden, der gemessen erneut sich an den Ort des Abschieds begibt, diesmal aber lässt er sich nicht zurückhalten.
Ein Krimi ist das nicht. Aber das erhofft sich vermutlich jeder Autor: dass seine Leser ihn zweifelsfrei durch die Sprache identifizieren, die lakonisch und lässig daherkommt und einen Sog entfaltet, dem widerstehen zu wollen zwecklos ist.

Veröffentlicht am 08.09.2018

Berlin in den 60ern

Die Tote im Wannsee
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Eine schöne Gemengelage: die demonstrierenden Studenten, der noch nicht lange zurückliegende Mauerbau, der konstante Schlagaustausch zwischen Ost und West, die Infiltration von DDR-Agenten in die westdeutsche ...

Eine schöne Gemengelage: die demonstrierenden Studenten, der noch nicht lange zurückliegende Mauerbau, der konstante Schlagaustausch zwischen Ost und West, die Infiltration von DDR-Agenten in die westdeutsche Gesellschaft, die muffigen Moralvorstellungen der Nachkriegszeit, ein Kommissar in unklarer Lebenssituation - und eine Frauenleiche im Wannsee. Wer sich an diese Zeit tatsächlich selbst erinnern kann, kommt aus dem zustimmenden Nicken gar nicht mehr heraus: genau so war?s! Raffiniert, wie die drei Autoren, die sich hinter dem Pseudonym Lutz Wilhelm Kellerhoff verbergen, authentische Details, Personen und Ereignisse in die Handlung einflechten. Das Personal des Romans repräsentiert die unterschiedlichsten Bevölkerungsschichten: die Transe Rita bildet da nur ein Sahnehäubchen. Ditt is Berlin!

Veröffentlicht am 31.07.2018

Kaleidoskop

Der Sprengmeister
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So klar und eindeutig der Titel des Romans formuliert ist, als so verwirrend offenbart sich das gesamte Bildnis des Individuums, das sich hinter der bloßen Berufsbezeichnung verbirgt. Aus mehreren Perspektiven ...

So klar und eindeutig der Titel des Romans formuliert ist, als so verwirrend offenbart sich das gesamte Bildnis des Individuums, das sich hinter der bloßen Berufsbezeichnung verbirgt. Aus mehreren Perspektiven wird der Mann betrachtet, unterschiedliche Aspekte seiner Existenz kommen zum Tragen. Das einschneidende Ereignis, das Oskars Dasein für immer und unwiderruflich verändert, bilden den Erzählauftakt. Sein Leben, ja der Mann selbst wird in einer missglückten Sprengung zerrissen. In einer Art Kaleidoskop ordnen sich die Bruchstücke neu. Trennung von der Verlobten, Erringen einer neuen Beziehung, Bewusstwerdung der eigenen Position innerhalb der Gesellschaft, das Ausprägen einer dezidiert politischen Lebenseinstellung: das alles wird erst möglich durch Oskars übermächtigen Lebenswillen, der ihn seine schweren Verletzungen überhaupt erst überstehen lässt.

Veröffentlicht am 30.09.2023

Weniger wär mehr

Wellenkinder
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Menschliche Schicksale vor historischem Hintergrund: eigentlich die beste Voraussetzung für einen packenden Roman, der dem Leser einen Einblick verschafft in die politischen Verstrickungen eines untergegangenen ...

Menschliche Schicksale vor historischem Hintergrund: eigentlich die beste Voraussetzung für einen packenden Roman, der dem Leser einen Einblick verschafft in die politischen Verstrickungen eines untergegangenen Staates. Im Zentrum von Bahrows „Wellenkindern“ steht die allgemein gültige Wahrheit, dass Kinder der bedingungslosen Liebe und Fürsorge der Erwachsenen bedürfen. Solange die drei Geschichten getrennt voneinander erzählt werden, bieten sie hervorragendes Anschauungsmaterial für diese im Roman abgehandelte Grundwahrheit: das Flüchtlingsmädchen aus Königsberg, das aus einem Impuls heraus Verantwortung für ein fremdes Kind übernimmt; das junge Mädchen aus der DDR, das in blinder Liebe zum Spielball des Regimes wird und ihres Kindes beraubt wird; der verstörte Mann in mittleren Jahren, dem auf der Zeitebenen der Gegenwart in seiner Ehekrise das Erlebnis seiner Vaterschaft Halt vermittelt. Wenn die Autorin allerdings beginnt, diese drei Geschichten zu verzwirbeln, wird die Geduld des Lesers auf eine harte Probe gestellt, die Glaubwürdigkeit immer neuer Wendungen arg strapaziert. Schade! Eine derartig verwickelte Handlungskonstruktion ist typisch für die Schauerromane des viktorianischen Zeitalters, in einem zeitgeschichtlichen Roman ist sie deplatziert. Weniger wär mehr.

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