Zeit vergeht – Schuld nicht!
Die verschwiegenen Jahre"Ein treuer Mann wird von vielen gesegnet; wer aber eilt, reich zu werden, wird nicht ohne Schuld bleiben." (Spr 28,20)
Ein ganzes Leben lang hat sich die amerikanische Lehrerin Hannah Sterling nach der ...
"Ein treuer Mann wird von vielen gesegnet; wer aber eilt, reich zu werden, wird nicht ohne Schuld bleiben." (Spr 28,20)
Ein ganzes Leben lang hat sich die amerikanische Lehrerin Hannah Sterling nach der Liebe ihrer Mutter gesehnt. Doch Mutter Lieselotte bleibt kühl und distanziert ihr gegenüber und bis heute weiß sie nicht wieso. Selbst Tante Lavinia weiß etwas, will ihr jedoch nichts sagen. Nach ihrem Tod findet sie in einem Schließfach Briefe mit einer deutschen Adresse. Hannah ist enttäuscht und fragt sich, wer war ihre Mutter wirklich? Als sie eine Nachricht von ihrem Großvater aus Deutschland erhält, ist Hannah mehr als überrascht. Sie macht sich auf den Weg in ein unbekanntes Land, um mehr über ihre Mutter zu erfahren. Jedoch ein kalter, abweisender Großvater empfängt sie auch dort, der nichts mehr von der Vergangenheit wissen will. Hilfe und Unterstützung erfährt sie nur von ihrem Übersetzer Karl Schmidt. Sie muss erkennen, dass sie ihre Mutter nie richtig gekannt hat.
Meine Meinung:
Dieser Roman führt uns über zwei verschiedenen Zeitepochen und Handlungen. Die eine Handlung befasst sich mit den Jahren 1938–1945 im Kriegsdeutschland und der Judenverfolgung. Während die andere nach Lieselottes Tod über Hannah in den Jahren 1972–73 berichtet. Mit ihrem unterhaltsamen, mitfühlenden Schreibstil bringt sie mir vor allem die jeweiligen Charaktere näher. Dadurch, dass die Zeiten und Personen permanent abwechseln, kann ich das Buch fast nicht zur Seite legen. Besonders, weil ich immer neugierig bin, wie es mit den Hauptakteuren weitergeht. Mir ist besonders Lieselottes Schicksal an Herz gegangen. Ich bin mitunter fassungslos, in was für einer gefühlsarmen Familie sie aufgewachsen ist. Lediglich die kranke Mutter scheint aus der Art zu schlagen und Lieselotte ihr ähnlich zu sein. Ihr Vater hingegen ist kühl, distanziert und reagiert teils total narzisstisch. Selbst ihr Bruder tritt in die Fußstapfen des Vaters und eifert Ideologien Hitlers nach. Dazu passt der zwielichtige Arzt Dr. Peterson, von dem ich gerne etwas mehr erfahren hätte, warum er und Lieselottes Vater Freunde waren. Ich vermute ja, dass er ihren Vater und den Bruder ungünstig beeinflusst hat, was den Nationalsozialismus betrifft. Große Hilfe erfährt Lieselotte von ihren Nachbarn, der Familie Kirchmann. In deren Sohn Lukas sie heimlich verliebt ist. Allerdings gehören sie der Bekennenden Kirche an, die bei vielen nicht gerne gesehen ist. Doch mit der Pflege der kranken Mutter hat Frau Kirchmann etwas gut bei ihrem Vater. Allerdings wird sich das bald ändern, was dazu führt, möchte ich natürlich hier nicht verraten. Nur so viel Lieselotte wird auf ihrem weiteren Weg noch den Geschwistern Corrie und Betsie ten Boom begegnen. Hannah ist zwar ebenfalls gut dargestellt, doch sie konnte mich nicht so berühren wie Lieselotte. Sie ist dennoch sehr pflichtbewusst, empathisch und weiß genau, was sie will. Allerdings spürt man bei ihr sehr gut, die jahrelange vermisste mütterliche Liebe. Welche Schuld freilich Lieselottes Vater und ihr Mann Joe aufgeladen haben, erfahren wir ebenfalls. Mit viel Liebe zum Detail stellt hier die Autorin uns das Schicksal von Mutter und Tochter dar. Sie nimmt uns mit auf eine Reise in die harte, brutale Vergangenheit Deutschlands und in eine Gegenwart, die noch immer voller Schuld ist, die keiner mehr sehen will. Ich sehe viele Parallelen zur heute, wo ebenfalls niemand mehr vom Holocaust wissen will und schon wieder unter den Juden die Schuld gesucht wird. Themen wie Liebe, Schuld, Glaube, Vergebung und Annahme sind hier wesentlich. Ein Buch, das ich definitiv empfehle und dem ich gerne 5 von 5 Sterne gebe.