Platzhalter für Profilbild

meggie3

Lesejury Profi
offline

meggie3 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit meggie3 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.11.2020

Zwischen den Welten

Das lügenhafte Leben der Erwachsenen
0

Giovanna lebt mit ihren Eltern im Neapel der Neunzigerjahre und wächst die ersten Jahre ihres Lebens behütet auf. Sie vergöttert ihren Vater, der wie Giovannas Mutter als Lehrkraft an einer Schule arbeitet ...

Giovanna lebt mit ihren Eltern im Neapel der Neunzigerjahre und wächst die ersten Jahre ihres Lebens behütet auf. Sie vergöttert ihren Vater, der wie Giovannas Mutter als Lehrkraft an einer Schule arbeitet und zusätzlich Texte und Aufsätze für Zeitungen verfasst. In einem Umfeld, das viel Wert auf Intellektualität legt, schreibt Giovanna gute Noten. Bis sie auf das Gymnasium kommt und ihre bis dato heile Welt Risse bekommt. Sie kämpft mit sich, mit ihren Eltern und nimmt Kontakt zur Schwester ihres Vaters auf, zu der er jeden Kontakt abgebrochen und an ihr kein gutes Haar gelassen hat. Giovanna lernt eine Welt außerhalb des schönen Viertels, in dem sie aufgewachsen ist, kennen.

Elena Ferrante gelingt es herausragend, Giovannas Selbstzweifel, die Wut auf sich und alle anderen und den Wunsch nach Zuneigung zu beschreiben. Ich habe Giovanna nicht immer verstanden, sie sich aber auch nicht. Dieser zunächst erstmal paradox anmutende Umstand macht diesen Roman für mich so besonders. Denn obwohl mir Giovanna in einigen Situationen ein Rätsel geblieben und teilweise das Gegenteil von liebenswürdig ist, habe ich sie als spannende, authentische und eben doch sympathische Protagonistin empfunden. Ich finde es schwierig, Elena Ferrantes Schreibstil in „Das lügenhafte Leben der Erwachsenen“ einzuordnen. Es gab Passagen, die ich als sehr intensiv und fesselnd wahrgenommen habe, aber auch Abschnitte, mit denen ich weniger gut zurechtgekommen bin. Für mich war der Roman nicht wie aus einem Guss, trotzdem habe ich ihn insgesamt gerne gelesen. Besonders spannend und eindrücklich war für mich das Spannungsfeld zwischen den beiden Welten, in denen sich Giovanna bewegt, aber eben auch das Verschwimmen und ineinander übergehen der zu Beginn noch scharfen Trennlinien, beispielsweise zwischen Giovannas Vater und Tante.

Alles in allem habe ich den Roman als gut zu lesen empfunden, der einigen Eindruck bei mir hinterlässt.

Veröffentlicht am 08.11.2020

Komplexe episodenhafte Handlung

Die Sommer
0

Leyla wächst als Tochter eines jesidischen Kurden und einer Deutschen in einem kleinen Ort in Bayern auf. Die Sommerferien in ihrer Kindheit verbringt sie in Syrien bei ihrer Familie väterlicherseits. ...

Leyla wächst als Tochter eines jesidischen Kurden und einer Deutschen in einem kleinen Ort in Bayern auf. Die Sommerferien in ihrer Kindheit verbringt sie in Syrien bei ihrer Familie väterlicherseits. In "Die Sommer" werden einerseits episodenhaft Leylas Erinnerungen in Bezug auf die Sommer in Syrien sowie Erinnerungen ihres Vaters beschrieben, zum anderen ihr Leben und Erwachsenwerden in Deutschland. Je älter Leyla wird, desto stärker spitzt sich die politische und humanitäre Lage im Heimatland ihres Vaters zu.

Der Debütroman von Ronja Othmann ist nicht ganz einfach zu lesen. Ich habe die Sprache als eher emotionslos empfunden und die Sätze als relativ komplex. Der Schreibstil ist meiner Meinung nach passend, um die Unsicherheit und Zerrissenheit Leylas zu schildern. Die Art des Beschreibens hat bei mir Eindruck hinterlassen und dazu geführt, dass ich immer wieder innegehalten habe. Es hilft allerdings definitiv am Ball zu bleiben, um den Episoden folgen und diese einordnen zu können. Manchmal habe ich es als schwierig empfunden, die einzelnen Geschichten und Berichte in einen zeitlichen Rahmen und in Zusammenhang zu bringen, um für mich einen roten Faden ausmachen zu können. Obwohl ich dachte, ganz gut informiert zu sein, war es nicht immer einfach, die geographischen, historischen, politischen und religiösen Aspekte zusammenzubringen.
Der Autorin gelingt es vor allem im zweiten Teil des Romans, Leylas Prozess des Erwachsenwerdens authentisch und nachvollziehbar zu beschreiben. Die Spannung zwischen ihrer Jugend in Deutschland mit Feiern und kleinen Ladendiebstählen und auf der anderen Seite den Fernsehbildern aus Syrien und den durch die Behörden verhinderten Nachzug ihrer Familie ist wirklich gut herausgearbeitet. Diesen Teil des Romans habe ich als besonders und eindrücklich empfunden.

Dennoch war es mir vor allem in der ersten Romanhälfte einfach zu komplex und etwas zu sprunghaft zwischen den einzelnen Episoden, als dass ich mich von dem Roman komplett fesseln lassen konnte. „Die Sommer“ ist trotzdem empfehlenswert, auch aufgrund des Schreibstils, und durchaus lehrreich.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 25.10.2020

Leichte Lektüre über wichtige Fragen

Das Buch eines Sommers
0

Nicolas ist verheiratet, Vater eines kleinen Sohnes und Chef eines mittelständischen Familienbetriebs, der an Mitteln zur Verlangsamung des Alterungsprozesses arbeitet. Er investiert viel Zeit und Energie ...

Nicolas ist verheiratet, Vater eines kleinen Sohnes und Chef eines mittelständischen Familienbetriebs, der an Mitteln zur Verlangsamung des Alterungsprozesses arbeitet. Er investiert viel Zeit und Energie in die Firma und hat entsprechend wenig davon für seine Familie. Als sein geliebter Onkel stirbt und das Projekt der Firma - und somit auch die Firma - vor dem Scheitern steht, gerät Nicolas Welt aus den Fugen. Er reist mit seiner Familie in das Haus seines Onkels um die Beisetzung zu organisieren und sieht sich mit Fragen zu seinem Leben, dem Sinn des Lebens und seiner Identität konfrontiert. Mit etwas Widerwillen lässt sich Nicolas auf den Sommer ein, den er ganz anders verbringt als er erwartet hatte.

„Der Sommer meines Lebens“ ist ein Roman, der sich problemlos an einem entspannten Nachmittag durchlesen lässt. Der Schreibstil ist sehr gut zu lesen und auch inhaltlich zieht der Roman in den Bann. Der Roman stellt dem Protagonisten und indirekt dem Leser oder der Leserin die Frage, was für einen selbst wirklich wichtig ist und welchen Stellenwert bestimmte Neben- oder auch Hauptschauplätze in unserem Leben tatsächlich haben sollten. Ganz neu sind die Antworten, die aus dem Buch gezogen werden können, natürlich nicht. Dennoch werde ich mir „Der Sommer meines Lebens“ sicherlich ins Regal stellen und hoffentlich daran denken, wenn es in meinem Leben angeraten wäre, eine weitere Perspektive zuzulassen. Für den Moment hat mich der Roman auf jeden Fall dazu gebracht, mir selbst einige Fragen zu stellen und darüber nachzudenken, wer ich sein möchte.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 04.10.2020

Historische Ermittlungsarbeit

Der falsche Preuße
0

In München wird ein Toter in einem Federmantel gefunden, der offensichtlich ermordet wurde. Der preußische Reserveoffizier Gryszinski, der seit einigen Monaten als kriminalistischer Ermittler in München ...

In München wird ein Toter in einem Federmantel gefunden, der offensichtlich ermordet wurde. Der preußische Reserveoffizier Gryszinski, der seit einigen Monaten als kriminalistischer Ermittler in München ist, beginnt zu ermitteln. Schon die Identifizierung des Opfers stellt ihn und seine Kollegen vor Herausforderungen. Neben den Ermittlungen ist der Freiherr von Gryszinski noch dabei, sich mit seiner belesenen Frau und dem kleinen Sohn in München einzugewöhnen.

„Der falsche Preuße“ ist ein eher gemächlicher Krimi, der klassische Ermittlerarbeit beschreibt. Die Besonderheit ist, dass der Roman Ende des 19. Jahrhunderts spielt und die Ermittlungsarbeit entsprechend anders verläuft als in Krimis, die in der heutigen Zeit zu verorten sind. Besonders interessant sind die Gedanken des Protagonisten bezüglich des voranschreitenden technischen Fortschritts. Die Kriminalistik steckt noch in den Kinderschuhen, Gryszinski selbst hat von dem Pionier der Kriminalistik beziehungsweise Forensik gelernt. Es wurde auch der Konflikt zwischen Fortschritt und Gewohntem deutlich. Bestimmte Methoden der Ermittlungsarbeit haben mich überrascht, zum Beispiel die Vermessung von Ohren und Fingern bevor es den Abgleich von Fingerabdrücken gab.
Die Charaktere sind mehrdimensional und authentisch beschrieben. Besonders anschaulich sind die Beschreibungen der bayerischen Speisen und auch von den Gepflogenheiten zu jener Zeit in der Region lässt sich ein Eindruck gewinnen. Spannend war für mich auch das Spannungsfeld zwischen Preußen und Bayern und das politische und strategische Handeln und Denken der Protagonisten, das doch immer wieder auch im Alltag eine nicht zu unterschätzende Rolle eingenommen hat.

„Der falsche Preuße“ ist ein eher ruhiger Roman, der bei mir nicht die ganz große Spannung erzeugt, mich aber dennoch durch die Charaktere und historischen Beschreibungen überzeugt hat.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 01.10.2023

Gut geschrieben, aber mit Längen

Wellenkinder
0

Der Roman Wellenkinder erzählt die Geschichte dreier Protagonist:innen auf unterschiedlichen Zeitebenen. Da ist zum einen Jan, dessen Geschichte in der Gegenwart spielt. Er ist Vater eines Jungen im Kindergartenalter ...

Der Roman Wellenkinder erzählt die Geschichte dreier Protagonist:innen auf unterschiedlichen Zeitebenen. Da ist zum einen Jan, dessen Geschichte in der Gegenwart spielt. Er ist Vater eines Jungen im Kindergartenalter und wird gegen seinen Willen mit seiner Kindheit und Jugend auf Rügen konfrontiert. Außerdem wird Margits Geschichte erzählt, die Ende des zweiten Weltkriegs beginnt, sowie Odas Geschichte, die mit ihrer gescheiterten Flucht über die Ostsee aus der DDR in die BRD ihren Anfang nimmt.

Die drei Zeitebenen wechseln sich kapitelweise ab, die Länge der Kapitel hat mir gut gefallen. Längere Pausen sollten beim Lesen vielleicht besser vermieden werden, da doch relativ viele Charaktere vorkommen und der Überblick verloren gehen könnte. Die Charaktere habe ich als recht vorstellbar empfunden. Die Protagonist:innen waren mit nicht alle sympathisch, wobei ich das auch nicht schlimm finde. Manchmal konnte ich ihre Reaktionen aber einfach nicht nachvollziehen.

Leider hat sich der Roman für meinen Geschmack etwas zu sehr in die Länge gezogen, insbesondere die absehbare Zusammenführung der drei Zeitebenen bzw. Geschichten der Protagonist:innen hat sich etwas gezogen. So ganz überraschend war diese dann leider auch nicht mehr für mich.

Gut gelungen ist meiner Meinung nach aber der Transport des Hauptmotivs oder -gefühls dieses Romans: die große Liebe einer Mutter zu ihrem Kind. Auch habe ich die historischen Hintergründe als vorstellbar und gut in die Geschichte eingeflochten empfunden.

Insgesamt ist Wellenkinder für mich ein Roman mit kleinen Schwächen und Längen, der aber durchaus gut zu lesen ist und mich zum Nachdenken angeregt hat.