Profilbild von Nabura

Nabura

Lesejury Star
offline

Nabura ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Nabura über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.11.2023

Eine Backshow in Romanform

Der späte Ruhm der Mrs. Quinn
0

Jennifer Quinn ist siebenundsiebzig Jahre alt und feiert in Kürze mit ihrem Mann Bernard diamantene Hochzeit. Während Bernard abends die Zeitung liest, schaut sie am liebsten "Das Backduell" im Fernsehen ...

Jennifer Quinn ist siebenundsiebzig Jahre alt und feiert in Kürze mit ihrem Mann Bernard diamantene Hochzeit. Während Bernard abends die Zeitung liest, schaut sie am liebsten "Das Backduell" im Fernsehen an. Schließlich nimmt sie ihren Mut zusammen und reicht ihre Bewerbung für die Show ein. Zu ihrer Überraschung wird sie zum Casting eingeladen. Sie hält die Neuigkeiten vor Bernard geheim, um ihn nicht zu beunruhigen. Doch das ruft bei ihr auch Erinnerungen an das eine große Geheimnis wach, das sie in den fast sechzig Jahren ihrer Ehe nie mit ihrem Mann geteilt hat.

Schon die Torte auf dem Cover macht Appetit auf etwas Süßes und entsprechend ist es wenig verwunderlich, dass sich in diesem Roman wirklich alles um die Leidenschaft fürs Backen dreht. Auch die einzelnen Kapitel tragen den Namen der jeweiligen Backware, die dort eine Rolle spielt. Nach einem Prolog, in welchem die junge Jennifer Quinn ein Rezeptbuch schreibt, beginnt das erste Kapitel mit dem Hinweis, dass sie nicht gedacht hätte, mit siebenundsiebzig Jahren zu einer Berühmtheit zu werden.

Dieser erste Satz nahm für meinen Geschmack fast schon zu viel vorweg, denn im folgenden begleitete ich Jenny von Beginn an bei ihrer Reise in die Welt des Fernsehens. Zunächst hadert sie mit sich, ob sie es in ihrem Alter wirklich wagen soll, sich für die Show zu bewerben, bis sie zu dem Schluss kommt, dass sie dies gerade wegen ihres Alters und ihrer Erfahrung tun sollte. Danach ging es weiter ins Casting und schließlich in die Show. Die Autorin hat lange selbst im Unterhaltungsfernsehen gearbeitet und ich erlebte die Schilderungen als authentisch. Jenny ist eine absolut liebenswerte Person und ich fieberte schnell mit, wie weit sie in der Shwo kommen wird.

Die meisten Kapitel beginnen mit einem kurzen Rückblick zu der jungen Jennifer Quinn, die große Träume hatte, bis ein Ereignis all diese Pläne zunichte macht und ihr Leben für immer verändert. Ich konnte schnell schließen, was passiert ist, fand die Aufteilung in kleine Erinnerungssequenzen aber gut. So bleibt der Fokus auf den Ereignissen in der Gegenwart, während Jenny es sich selbst nur peu a peu gestattet, an das zurückzudenken, was sie als junge Frau erlebt hat.

Neben Jennys Erlebnissen rund um das Backduell räumt der Roman auch ihrer Beziehung zu Bernard viel Raum ein. Die beiden sind nach all den Jahren unzertrennlich, doch Jenny hat Angst, dass ihre Erwartungen an die verbleibende Zeit andere sind als die von Bernard und ihnen nicht mehr so viele gemeinsame Jahre bleiben. Die beiden haben zusammen keine Kinder bekommen, lieben es jedoch, Zeit mit ihrer Familie in Form von Bernards Nichte, ihrem Mann und deren zwei Kindern zu verbringen. Es gibt liebevolle Szenen im Familienkreis, die einfach Spaß machen.

Der Roman feiert nicht nur das Backen, sondern bietet auch eine schöne Familiengeschichte voll mit herzlichen, aber auch ernsteren Momenten. Für mich ist dieses Buch eine Backshow in Romanform, die bestens unterhält, aber auch etwas Tiefgang bietet. Wer Backen und Lesen liebt, für den führt kein Weg um dieses Buch herum!

Veröffentlicht am 23.10.2023

Ein Hollywoodstar undercover im Bücherdorf

Das kleine Bücherdorf: Herbstleuchten
0

Betty Andrews lebt mit ihrer Großmutter Helena zusammen in Boston und ist eine echte Berühmtheit: Schon als Teenagerin war sie als Schauspielerin für einen Oscar nominiert. Seit einigen Jahren ist sie ...

Betty Andrews lebt mit ihrer Großmutter Helena zusammen in Boston und ist eine echte Berühmtheit: Schon als Teenagerin war sie als Schauspielerin für einen Oscar nominiert. Seit einigen Jahren ist sie außerdem mit einer Kinderbuchreihe regelmäßig in den Bestsellerlisten vertreten. Statt am neuesten Band der Reihe zu arbeiten, verfolgt sie aktuell jedoch ein anderes Projekt: Gemeinsam mit den Nachbarsjungen Jamie, der im Rollstuhl sitzt, arbeitet sie an der Geschichte von Pete Pinguin. Dieser kann zwar nicht fliegen, entdeckt aber, dass er zahlreiche andere Talente hat. Betty möchte die Geschichte unter Pseudonym veröffentlichen, um herauszufinden, ob ihre Arbeit auch ohne ihren berühmten Namen gewürdigt wird. Was ihr noch fehlt ist allerdings ein passender Illustrator.

Als Betty in einem Schrank ihrer Großmutter ein Cello entdeckt, in dessen Koffer auch wunderschöne Zeichnungen von einem E. Smith liegen, weiß sie: Seine Arbeit ist genau das, was sie für Pete Pinguin gesucht hat! Doch Helena möchte nicht über das Cello und auch nicht über E. Smith reden. Da kommt Betty eine Einladung als Stargästin beim Festival des Bücherdorfs Swinton-on-Sea gerade recht, denn die Agentur des mysteriösen Illustrators hat ihren Sitz in der Nähe. Ein paar Tage vor Festivalbeginn reist die Undercover an, um Nachforschungen zu betreiben.

Die erneute Rückkehr ins Bücherdorf hat mir sehr gefallen. Mit Betty gibt es erneut eine Außenstehende, die das Dorf zum ersten Mal entdeckt und dessen Bewohner kennenlernt, die mir inzwischen richtig ans Herz gewachsen sind. Diese sind schwer beschäftigt mit den Vorbereitungen auf das Festival, an denen sich auch Betty undercover beteiligt. Ich fand es schön zu sehen, wie sich die Charaktere seit den Ereignissen des letzten Bandes weiterentwickelt haben. Beinahe alle bekannten Dorfbewohner haben erneut einen Auftritt, was Fans der Reihre freuen wird, allerdings auch dazu führt, dass für die romantische Annäherung zwischen Betty und dem Buchhändler Eliyah nicht so viel Zeit blieb, wie ich mir gewünscht hätte.

Von Beginn an ist klar, dass Betty von einem Erlebnis geprägt wurde, an das sie nicht gerne zurückdenkt. Sie hat Angst vor Menschenmassen, weshalb ihr Auftritt auf dem Festival der erste seit längerer Zeit ist. Auch ihre Großmutter hat vor über 50 Jahren etwas erlebt, worüber sie nicht sprechen möchte. Dank einiger Hinweise konnte ich mir in beiden Fällen bald erahnen, worum es geht, dennoch fand ich es interessant, die beiden auf ihrem Weg in Richtung Vergangenheitsbewältigung zu begleiten.

Die herzliche Atmosphäre des Bücherdorfs legt sich dabei wie eine warme Wolldecke um die ernsteren Themen und hilft außerdem Betty, zu erkunden, wie sie als normale Person ohne Promifaktor wahrgenommen wird. Für mich ist der Roman eine echte Wohlfühllektüre, mit der man es sich gemütlich machen kann, während es draußen allmählich kälter wird.

Veröffentlicht am 07.10.2023

Spannende Neuerzählung der griechischen Mythologie

Psyche und Eros
0

Eros ist einer der ältesten Götter und seit jeher für das Verlangen zuständig. Mit seinen Pfeilen trifft er Götter und Menschen, während er selbst allein bleibt. Eines Tages erhält er von seiner selbst ...

Eros ist einer der ältesten Götter und seit jeher für das Verlangen zuständig. Mit seinen Pfeilen trifft er Götter und Menschen, während er selbst allein bleibt. Eines Tages erhält er von seiner selbst ernannten Mutter Aphrodite den Auftrag, die junge Psyche mit einem verfluchten Pfeil zu treffen. Doch beim Anlegen verletzt sich Eros selbst mit der Pfeilspitze und wird Opfer des Fluchs: Er verliebt sich in die erste Person, die er erblickt - Psyche - doch wenn sie einander in die Augen sehen würden, dann würden sie für immer getrennt sein.

Währenddessen wehrt sich Psyche, Prinzessin von Mykene und einziges Kind des Königspaares, gegen eine Heirat. Das Orakel von Delphi hat ihr einst vorhergesagt, ein Ungeheuer zu töten, und ihre Lehrerin Atalante hat sie darauf vorbereitet, zu kämpfen und eine Heldin zu werden. Wie soll sie sich da mit der Rolle als Ehefrau zufrieden geben? Dass sie plötzlich durch einen Gott entführt wird hat jedoch niemand kommen sehen.

Ich habe vor einigen Monaten die Romane von Madeline Miller mit großer Begeisterung gelesen und war daher gespannt darauf, wie Luna McNamara die Neuerzählung einer weiteren Geschichte aus der griechischen Mythologie gelingen wird. Die ersten Kapitel sind abwechselnd aus der Ich-Perspektive von Psyche und Eros geschrieben. Sie schildern Psyches Heranwachsen und Eros Leben als Gott über die Jahrhundere und Jahrtausende hinweg. Ich erlebte die Schilderungen als kurzweilig und war gespannt auf die erste Begegnung der beiden.

Nach rund 100 Seiten ist es so weit und Aphrodites Fluch entfaltet seine Wirkung. Ich fieberte mit, ob Psyche und Eros einen Weg zueinander finden werden und den Fluch besiegen können. Dabei müssen sie sich so mancher Herausforderung stellen und durchleben Höhen und Tiefen. Auf ihrem Weg begegnen ihnen zahlreiche weitere Figuren aus der griechischen Mythologie wie Zeus, Persephone, Adonis, Medusa, Iphigenie, Helena und Achill. Dabei hat sich die Autorin grob an den ursprünglichen Texten orientiert, aber auch einige Dinge verändert oder neu interpretiert.

Für mich ist "Psyche und Eros" eine mitreißende Liebesgeschichte, mit der ich spannende Stunden im antiken Griechenland verbracht habe. Wer keinen Text erwartet, der möglichst nah am Original ist, sondern einen Unterhaltungsroman mit mythologischem Flair, der ist hier genau richtig. Ich bin von diesem Romandebüt begeistert und freue mich auf weitere Romane der Autorin.

Veröffentlicht am 03.10.2023

Ein ereignisvoller Kuraufenthalt auf Eydernorn

Die Insel der Tausend Leuchttürme
0

Dem Lindwurm Hildegunst von Mythenmetz wurde von seinem Arzt ein Kuraufenthalt auf der Insel Eydernorn verschrieben, um seine asthmathischen Beschwerden zu behandeln, die ihn seit den Ereignissen in der ...

Dem Lindwurm Hildegunst von Mythenmetz wurde von seinem Arzt ein Kuraufenthalt auf der Insel Eydernorn verschrieben, um seine asthmathischen Beschwerden zu behandeln, die ihn seit den Ereignissen in der Unterwelt der Labyrinthe von Buchhain plagen. In mehreren nie abgeschickten und hier als Roman abgedruckten Briefen an seinen Freund Hachmed Ben Kibitzer berichtet er von seiner gefährlichen Überfahrt und seinem ereignisvollen Kuraufenthalt auf der Insel im zamonischen Nordmeer. Die Insel ist nach den einhundertelf wundersamen Leuchtturmen benannt, die in der Nacht funkeln als wären es tausend und über deren als eigenbrötlerisch geltende Wärter Mythenmetz mehr herausfinden will. Auf der Besuch einiger Sehenswürdigkeiten der Insel wie der Stadt ohne Türen und den sprechenden Grabmalen steht auf dem Programm. Dabei erlebt er so manche Überraschung, bis es schließlich richtig gefährlich wird.

Das Buch beginnt mit einem Tagebucheintrag von Hildegunst von Mythenmetz, in dem er berichtet, dass er die Briefe von seinem Aufenthalt auf Eydernorn wiedergefunden hat. Erste Andeutungen machen neugierig auf das Erlebte. Die Reise beginnt gleich mit einer lebensgefährlichen Überfahrt durch einen außergewöhnlich starken Sturm, in welchem er als einziger nicht seekrank wird. Auf der Insel angekommen kommt er aus dem Staunen nicht mehr heraus.

Ich war vor allem neugierig darauf, mehr über die titelgebenden Leuchttürme zu erfahren. Hier musste ich mich als Leserin aber in Geduld üben. Erst einmal erfuhr ich alles über die Mythenmetz erste Tage auf der Insel, unter anderem über seinen ersten Termin im Sanatorium für Atemwegserkrankungen, seine erste Partie Kraakienfieken in den Dünen sowie Besuche im Museum für eydernornische Kultur und im exklusiven Restaurant Fackelfisch. Die Erlebnisse werden detailreich beschrieben und gelungenen Illustrationen regen die Fantasie zusätzlich an.

So kreativ und skurril dies war, ich wurde allmählich ungeduldig. Der Zeitraffer auf der Hälfte des Buches kam für mich daher genau zur richtigen Zeit. Danach fokussiert sich die Geschichte endlich auf die Leuchttürme und ihre Wärter. Mythenmetz findet sich plötzlich in einem jahrhundertealten Konflikt wieder, der kurz vor der Eskalation steht. Es kommt zu spannenden Szenen, die den Roman für mich gelungen abgerundet haben. Gerne empfehle ich das Buch an alle Fans von Walter Moers und Zamonien weiter!

Veröffentlicht am 05.09.2023

Coming of Age über Zusammenhalt, Verlust und Identitätssuche

Paradise Garden
0

Billie ist 14 Jahre alt und lebt gemeinsam mit ihrer Mutter Marika in einer Hochhaussiedlung. Das Geld ist immer knapp, doch ein kleiner Gewinn im Radio lässt einen Traum der beiden in greifbare Nähe rücken: ...

Billie ist 14 Jahre alt und lebt gemeinsam mit ihrer Mutter Marika in einer Hochhaussiedlung. Das Geld ist immer knapp, doch ein kleiner Gewinn im Radio lässt einen Traum der beiden in greifbare Nähe rücken: Einmal einen Urlaub am Meer machen! Am Tag vor der Abfahrt steht jedoch plötzlich die Großmutter aus Ungarn vor der Tür, die an einer mysteriösen Krankheit leidet und diverse Ärzte aufsuchen muss. Kurz darauf ist ihre Mutter tot, und Billie muss sich fragen, wo ihr Leben weitergehen soll. Im alten Nissan ihrer Mutter fährt sie los, um die Antworten zu suchen, die Marika ihr nie gegeben hat.

Schon im ersten Satz des Buches eröffnet die Ich-Erzählerin Billie den Leser:innen, dass ihre Mutter verstorben ist. Der Ausgangspunkt des Romans ist die Beerdigung, von der aus Billie sich an den Anfang zurückerinnert. Dieser ist aus ihrer Sicht der Radiogewinn, mit dem sie und ihre Mutter Marika ans Meer fahren wollten. In den ersten Kapiteln erfuhr ich mehr über die enge Mutter-Tochter-Beziehung der beiden. Marika hat ihrer Tochter eine empathische Grundhaltung vermittelt, bestärkt sie und lässt ihr viele Freiheiten. Billie bringt ihrer Mutter bedingungslose Liebe entgegen, auch wenn sie weiß, dass ihr Leben nicht perfekt ist und sich von dem ihrer besten Freundin Lea unterscheidet, die in einem Einfamilienhaus wohnt und mit ihren Eltern ständig in den Urlaub fliegt.

Der Tod von Marika kommt trotz der frühen Ankündigung überraschend und reißt eine riesige Lücke in Billies Leben. Ihre Reaktion fand ich authentisch und ich konnte mich gut in sie hineinversetzen. Getrieben von dem Wunsch, endlich die Identität ihres Vaters zu lüften, begibt sie sich mit den wenigen Informationen, die sie hat, auf einen Roadtrip. Ich mochte den Erzählsound sehr und trotz der schwierigen Situation schafft es Billie durch die Art und Weise, mit der sie die Erlebnisse wiedergibt, immer wieder eine gewisse Leichtigkeit in die Handlung zu bringen. Dabei musste ich mir jedoch die Frage stellen, wie zuverlässig Billie als Ich-Erzählerin ist. Ist alles wirklich so passiert ist oder hat Billie bewusst oder unbewusst in der Wiedergabe des Erlebten einige Dinge verändert?

Für mich ist "Paradise Garden" ein bittersüßer Coming of Age Roman. Er legt den Fokus auf die Themen Zusammenhalt, Verlust, Identitätssuche und Familie - die, in die man hineingeboren wird und die, welche man selbst wählt. Ein wirklich starker Debütroman, dem ich noch viele Leser:innen wünsche!