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Veröffentlicht am 28.10.2023

Erfahrungen

Damals im Sommer
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„Damals im Sommer“ von Florian Gottschick beschreibt eine wundervolle, melancholische Geschichte über zwei Brüder, das Erwachsenwerden und das Outen in jungen Jahren.

Der leichte Schreibstil trifft den ...

„Damals im Sommer“ von Florian Gottschick beschreibt eine wundervolle, melancholische Geschichte über zwei Brüder, das Erwachsenwerden und das Outen in jungen Jahren.

Der leichte Schreibstil trifft den Leser mit einer Wucht, die Geschichte wurde in ihrer Kürze intensiv, gefühlvoll und ergreifend geschrieben.

Die Verbindung zwischen den Brüdern ist voller Herzenswärme. Fer, der muskulöse, vorlaute und ältere Bruder verspottet und gängelt gerne. Der 15 jährige Bruder bewundert Fer, fällt jedoch immer wieder auf dessen Scherze herein.

Es war eine Schmach, als kleiner Bruder einer Maschine aus Raffinesse und List ausgesetzt zu sein. Wie töricht, an das Gute im Menschen zu glauben (s.32)

Trotz des Konkurrenzkampfes kann man die innige Bindung der beiden Brüder spüren.

In einem Sommerurlaub in den 90er Jahren lernen die beiden Brüder den ruhigen Franzosen Filip kennen. Der Jüngere ist sofort von dem muskulösen Jungen mit dem schönen Lächeln fasziniert.

Die drei jungen Erwachsenen verbringen gemeinsam die Tage am Strand und beim Wandern.
In der letzten Nacht vor Filips Abreise verbringen der Ich-Erzähler und Filip eine gemeinsame Nacht.

„Jetzt mache ich mich auf die Reise - in meine Seele hinein und hinaus in die Welt“ (s.110)

Der junge Teenager wird nach dieser Nacht erwachsen, er ist euphorisch und melancholisch zugleich. Wann wird er Filip wiedersehen? Ist sein Mut bereits groß genug um sich zu outen?
Die Verbindung der beiden Jugendlichen bleibt über SMS und Emails erhalten und
doch spürt man die Entfernung und Entfremdung. Filip tut dem jungen Mann auf Dauer nicht gut, sein Leben wird geprägt von den Momenten am Pc. Seine schulischen Leistungen lassen nach und er kappt die Verbindung.

Und dann erfährt er etwas schier unglaubliches und die Ereignisse und Geschehnisse prägen sein Leben.

Der Autor zeichnet feinfühlig ein Porträt der beiden Brüder, die Konkurrenz und Liebe zueinander, das verwirrende Verhältnis innerhalb der dysfunktionalen Familie und das distanzierte Verhältnis zu ihrer Mutter, einer wundervollen Frau, die mit Kindern nicht das geringste anfangen kann.

Die erste Liebe, sexuelle Abenteuer, Erfahrungen mit dem eigenen Körper und die Sehnsucht nach einem Körper, einem Kuss, einer Umarmung. Romantisch, wehmütig, traurig und voller Emotionen beschreibt der Autor die Erfahrungen des Ich-Erzählers. Sehr authentisch und detailliert werden die Protagonisten und Orte beschrieben. Der Wechsel zwischen den Zeiten fesselt und lässt mich als Leser das Buch kaum aus der Hand legen.

Ein wundervolles coming of age und coming out Buch, das ich sehr empfehlen kann.

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Veröffentlicht am 03.10.2023

Aufarbeitung

Im Prinzip ist alles okay
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Der Debütroman “Im Prinzip ist alles okay” von Yasmin Polat überzeugt in vollem Umfang.

“Vertrauen ist die Basis für alles im Leben. Und das Gute ist: Vertrauen kann man trainieren, wie einen Muskel.” ...

Der Debütroman “Im Prinzip ist alles okay” von Yasmin Polat überzeugt in vollem Umfang.

“Vertrauen ist die Basis für alles im Leben. Und das Gute ist: Vertrauen kann man trainieren, wie einen Muskel.”

Miryam Topal ist dreißig Jahre alt, voller Selbstzweifel, leidet an postnatalen Depressionen und ist Mutter der kleinen Kaya. Sie hat unglaublichen Druck, eine perfekte Mutter zu sein, kommt Miryam doch selbst aus einer gewalttätigen Familie. Und in den sozialen Medien gibt es nur perfekte Mütter mit perfekten Kindern. Auch Miryam wirkt annähernd perfekt, mit Bildbearbeitung und Make-up Tricks ist vieles möglich.

Miryam hat ein unglaubliches Bedürfnis nach Bestätigung. Sei es bei der Zubereitung eines Salats zur Selbstliebehochzeit ihrer Freundin oder durch die Wahrnehmung von Männern auf der Straße. Und doch fühlt sie sich wie „ein menschlicher Laternenpfahl“, dem man auf dem Gehweg ausweichen muss, jedoch keine Beachtung schenkt.

Die Autorin schreibt in der Ich-Form über die schrecklichen Kindheitsszenarien in der Familie Topal. Die häusliche Gewalt prägt Miryam und ihren kleinen Bruder Deniz. Jedoch versucht jeder auf seine Weise dieses gewalt- und angstvolle Traumata zu verarbeiten.
Miryam versucht mit psychologischer Hilfe ihren Eltern zu verzeihen und wartet darauf, dass sie sich alle in den Armen liegen und endlich eine Familie werden können. Ihr Psychologe meint, dass man nicht immer verzeihen muss, um zu heilen. Miryam ist hier ausnahmsweise nicht seiner Meinung.

Seit der Geburt ihrer Tochter hat ihr Partner Robert seinen Drogenkonsum eingestellt, hofft sie und doch ist Robert ein Lügner. Solange sie seine Lügen erträgt, weiß er, dass sie ihn liebt. Dies ist keine Basis für Miryam, die bereits das Vertrauen in die Menschen verloren hat.

Ihre Beziehung geht in die Brüche, wo doch Miryam versucht alles besser und anders zu machen als ihre Eltern. Liegt es wirklich nur an ihrer verkorksten Art? Oder lügt Robert wieder?

Alles entgleitet Miryam und auch ihr kleiner Bruder entwickelt sich in eine Richtung, der sie nicht folgen kann.
Seine Worte “Einmal die Vergangenheit hinter dir lassen, dann läuft es sich leichter auf dem vernünftigen Weg” passen zum Dalai Lama aber nicht zu ihrem kleinen Bruder Deniz. Was passiert mit ihm?

Angst vor der Mutterschaft und vor allem, mit ihrer Tochter alleine zu sein begleiten Miryam. Sie weiß nichts mit dem Baby anzufangen und sitzt dissoziiert neben dem Kind. So benimmt sich doch keine gute Mutter.

Ihr Alltag ist grauenvoll und doch versucht sie täglich mit ihrem Leben klarzukommen. Die Autorin zeichnet die Gefühlslage der jungen, traumatisierten Mutter unglaublich intensiv. Der einfache Schreibstil spricht mich als Leser an, ebenso die Höhen und Tiefen der Protagonisten. Die Hauptprotagonistin versucht, sich aus alten Mustern zu befreien, ihre familiäre Beziehung zu kitten funktioniert leider nicht, auflösen jedoch genau so wenig.
Aufarbeitung und Annäherung stellen sich trotz ihrer Bemühungen nicht ein. Miryam kann nicht mehr in diesem Alltag leben, sie braucht Selbstliebe und vor allem Raum für sich.

Die Autorin wechselt zwischen Gegenwart und Vergangenheit, bis zuletzt die Erzählstränge zusammengefügt werden.
Die Hoffnung, Selbstzweifel und die Misserfolge der Protagonistin berühren.

“Alles ist Gewöhnungssache, auch das Glück”.

Eine Leseempfehlung für diesen Debütroman.

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Veröffentlicht am 02.10.2023

Aufarbeitung

Geschwister im Gegenlicht
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“Geschwister im Gegenlicht” von Sabine Bode handelt von einer Familiengeschichte, die mich als Leser nachdenklich zurücklässt.
Sonja Sänkel, SS-Sonja wurde sie während der Jugend genannt, und ihr älterer ...

“Geschwister im Gegenlicht” von Sabine Bode handelt von einer Familiengeschichte, die mich als Leser nachdenklich zurücklässt.
Sonja Sänkel, SS-Sonja wurde sie während der Jugend genannt, und ihr älterer Bruder Rolf hatten jahrelang nur sehr wenig Kontakt. Erst als Sonja nach dem Tod ihres Mannes eine kleine Ferienwohnung an der Ostsee anmietet, wird der Kontakt intensiver.
Rolf kommt mit seiner schwierigen Tochter Nina auf Besuch und die beiden Geschwister beginnen sich anzunähern und gleichzeitig mit der Aufarbeitung ihrer Kindheit. Einer Kindheit während der Nachkriegszeit mit stolzen Nazis als Eltern.
Rolf war der Liebling ihrer narzisstischeren Mutter und Sonja, das Vorzeigekind nach Außen, wurde bereits als Kleinkind von der Mutter geschlagen. Rolfs Schläge durch den Vater wurden von der Mutter wohlwollend gesehen und jeder laute Schrei zauberte ein Lächeln auf ihr Gesicht.
Das Trauma ihrer Kindheit musste Sonja durch Therapien auflösen; deshalb hat sie bereits in jungen Jahren den Kontakt zur Mutter abgebrochen,
Rolf beginnt erst nach seiner gescheiterten Ehe und seinem Burnout mit der Aufarbeitung. Er kümmert sich immer noch um die narzisstische Mutter und versucht die Hintergründe der Eltern während der Kriegsjahre zu erforschen.
Viele Missverständnisse und Unausgesprochenes haben die Geschwister entzweit und jeder musste sein Leid durch die Eltern alleine verarbeiten.
Die Sprecherin Hemma Michel passt perfekt und durch ihre angenehme, ruhige Stimme gibt sie den Emotionen der Geschwister Raum.
Sabine Bode zeichnet die Protagonisten sehr verletzlich, empathisch und die bildliche Sprache vertiefen die Geschehnisse.
Das Thema der Nachkriegszeit wird beleuchtet, die Aufarbeitung der Familiengeschichte wird einfühlsam geschildert. Die Tatsache, dass beide Elternteile stolze Nazis waren, muss erst verdaut werden. Die Suche nach Antworten wird von vielen schlimmen Ereignissen während der Kindheit gezeichnet und erst jetzt wird vieles offenbart.
Die Nichte Nina gewinnt ihre Tante Sonja für sich, eine Verbindung wird aufgebaut und das Mädchen vertraut sich ihrer Tante an. Auch durch diese Bindung werden die zarten Familienbande gefestigt.
Die Gespräche und Erfahrungen von Rolf und Sonja bauen auf Vertrauen und die Vergangenheit kann gemeinsam besser angenommen werden.
Eine feinfühlige Erzählung und Aufarbeitung einer grausamen und schrecklichen Kindheit.
Ein empfehlenswertes Hörbuch,

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Veröffentlicht am 27.09.2023

Gehen und Begleiten

Und wir tanzen, und wir fallen
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„Und wir tanzen und wir fallen“ von Catherine Newmann ist ein berührendes Buch über Sterbebegleitung, Liebe und das Leben.

Edi und Ash sind seit ihrer Kindheit beste Freundinnen und haben alle Gedanken, ...

„Und wir tanzen und wir fallen“ von Catherine Newmann ist ein berührendes Buch über Sterbebegleitung, Liebe und das Leben.

Edi und Ash sind seit ihrer Kindheit beste Freundinnen und haben alle Gedanken, Geheimnisse und Lebensabschnitte miteinander geteilt. Ash steht gerne (un-)beabsichtigt im Mittelpunkt und doch versteht und liebt Edi sie von Herzen. Sie sieht über die chaotische Art das Leben zu leben hinweg und erblickt dafür die Liebe und das Warmherzige.

Edi liegt mit Krebs im Hospiz, kämpft die letzten Tage um ihr Leben und erhält jegliche Unterstützung von Ash. Sie ist sofort zur Stelle, versucht Wünsche zu erfüllen und versucht mit diesem Schmerz umzugehen. Tränen fließen, Erinnerungen werden geteilt, es wird gelacht und solange es möglich ist, das Leben genossen. Der Schmerz und das Versagen der Organe gehen jedoch kontinuierlich und ohne Umwege ihren Weg und Edi verlässt nach und nach ihren Körper.

Sehr emotional werden die Bedürfnisse der Sterbenden und auch von Ash als Sterbebegleitung beschrieben.
Ekel über Körperflüssigkeiten und Gestank stehen im Verhältnis zu der unendlichen Liebe. Das Hospiz wird zu einem Ausnahmezustand, einer Zwischenwelt; hier bleibt alles stehen und draußen dreht sich das Leben weiter.

Weinen, Schmerz, Trauer und Ekel überschneiden sich mit Mitgefühl, Musik, Lachen, Essen und Gesprächen im Hospiz.
Ash versucht sooft es geht bei Edi zu bleiben und als diese fragt:

„Also, könntest du es so machen, dass sich meine Trauerrede tatsächlich um mich dreht?“

denkt Ash:

„Nichts zu wissen, scheint alles zu sein, was ich gerade weiß.“ (S.139)


Ein Buch über das Sterben, den Weg und die Kraft der Sterbebegleitung, sowie die Liebe, Hoffnung und den Mut zum Leben. Die Autorin hat ergreifend, schlicht und eindrucksvoll diesen Weg beschrieben.

Die Schreibweise ist einfach, verständlich, klar und humorvoll. Die Gefühle der Protagonisten wurden sehr gut ausgearbeitet, bildlich wurde das Hospiz mit seinen Patienten beschrieben.
Humorvoll und intensiv, kräftezehrend und warmherzig wurde das Gehen und Begleiten beschrieben, aber auch der absolute Ausnahmezustand, die Aktionen und Reaktionen darauf und vor allem die unendliche Müdigkeit.
Nicht nur der Sterbenden sondern auch der Sterbebegleitungen.

Ein intensives Thema, welches hervorragend die letzten Schritte eines geliebten Menschen beschreiben.
Sehr bewegend geschrieben, jedoch wurde der Austausch betreffend die Erinnerungen der Freundinnen nur gering ausgearbeitet und Edi‘s Leben dem Leser nur ansatzweise wiedergegeben. Eine Leseempfehlung, leider nur mit 4 Sternen.

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Veröffentlicht am 20.08.2023

Janice Geschichte

Das Glück der Geschichtensammlerin
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“Das Glück der Geschichtensammlerin” von Sally Page hat mich auf eine schöne Reise in die Leben verschiedener - lieber, freundlicher, herzlicher, aber auch unpässlicher, eingebildeter, unsympathischer ...

“Das Glück der Geschichtensammlerin” von Sally Page hat mich auf eine schöne Reise in die Leben verschiedener - lieber, freundlicher, herzlicher, aber auch unpässlicher, eingebildeter, unsympathischer - Personen mitgenommen.
Das Hörbuch wurde sehr schön, flüssig und angenehm gesprochen von Sandra Voss.
Die Putzfrau Janice ist die Beste sagt man und wartet gerne auch lange auf einen Termin. Janice sammelt gerne Geschichten, auch die ihrer Auftraggeber:innen. Es fasziniert sie unglaublich und Janice kann gut zuhören. Die Menschen erzâhlen gerne und freuen sich, ihre Geschichte zu erzählen, jedoch fühlt es sich so an, als würde sich niemand für die Putzfrau interessieren. Nicht mal ihr Mann, der sie immer wieder daran erinnert, dass sie ja NUR eine Putzfrau ist. Als Janice die etwas seltsame Mrs.B als Auftraggeberin annimmt, erfährt ihr Leben eine Wende. Diese mürrische und doch liebenswerte Dame interessiert sich für Janice und auch deren Geschichte.
Die Story entwickelt sich sehr langsam, plätschert dahin. Janice ist eine sehr sympathische, angenehme Protagonistin. Ihr wird klar, dass ihr Leben eine Wende nehmen muss. Mrs.B.bleibt unbeirrt an Janice Geschichte und verhilft ihr somit ein Stück zum Glück.
Auch der kleine Terrier Decius trägt zum Glück bei, zwischen Janice und ihm herrscht eine wundervolle, innige Beziehung und der kleine Hund bringt immer wieder Überraschungen in die Story und die Leser:innen zum Schmunzeln.
Eine sehr schöne, unterhaltsame Geschichte.

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