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Nilchen

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Veröffentlicht am 17.03.2024

Macht und Moral

Der Wald
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Erinnert ihr euch an den Roman „Die Gestirne“? Ein furioser Einschlag in der Literatur und nun kommt die Autorin Elenor Catton mit einem neune Roman zurück auf die literarische Bühne.
Der Roman heißt ...

Erinnert ihr euch an den Roman „Die Gestirne“? Ein furioser Einschlag in der Literatur und nun kommt die Autorin Elenor Catton mit einem neune Roman zurück auf die literarische Bühne.
Der Roman heißt im Original Birnam Wood. Es geht aber nicht wie der englischsprachige Leser sicherlich schnell feststellen wird um Macbeth von Shakespeare, will aber genau diesen Ort der Verteidigung und des Verlustes aufnehmen. Natürlich mit voller Absicht schon im Titel ein furioser Ort, wo es gleich zum Kern der Geschichte vordringt. Denn Birnam Wood ist eine neuseeländische Guerilla-Gardening-Gruppe im Roman und ihre Gründerin Mira Bunting mit all ihren umweltphilosophischen Idealen die Protagonistin des Romans. Die Gruppe um Mira, Shelly und Tony ist an einer Farm interessiert, die durch einen Erdrutsch abgeschnitten ist um die Gruppe dort anzusiedeln und sie finanziell dort stabil aufzubauen. Aber natürlich ist Mira nicht die einzige Interessentin an dem Grundstück, der reiche Amerikaner Robert Lemoine will es auch habe und hat ganz andere Pläne damit. Er ist das Gegenteil mit seinen Tech-Milliarden, die er aus dem Drohnengeschäft erwirtschaftete hat und Teil der Prepper-Szene, da er fest daran glaubt die Welt wird so nicht weiter existieren können.
Die Geschichte ist so nicht nur spannend durch die gegensätzlichen Interessen, auch wirft Elenor Catton viele gesellschaftliche Fragen auf. Wie weit darf Umweltaktivismus gehen, ab wann ist man käuflich, wie weit darf die eigene Überzeugung anderen aufgebürdet werden und mit welchen Mitteln dürfen die eigenen Interessen rigoros verfolgt werde, darf Geld solche Macht haben, rechtfertig die eigene Moral widriges tun….
Diese vielschichtigen Aspekte in Kombination mit der Spannung und den gut ausgeleuchteten Charakteren machen dieses Buch sehr lesenswert. Aber es sollte auch gesagt werden, dass die Komplexität hoch und der Roman ausgefeilt geschrieben ist und übrigens wunderbar aus dem Englischen ins Deutsche von Meredith Barth und Melanie Walz übertragen.
Daher, wer Lust auf gute Literatur hat: zugreifen! Und um noch mal auf die Gestirne zurück zu kommen, ich finde „Der Wald“ noch besser!

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Veröffentlicht am 29.12.2023

Rechtsruck in Europa durch die Flüchtlingswelle

Im Sturm der Macht
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Europa dieser Tage erlebt einen drastischen Rechtsruck, denn ich mit Sorge betrachte. Selbst in den nordischen Ländern ist das mittlerweile der Fall. Riikka Purra ist die stellvertretende Ministerpräsidentin ...

Europa dieser Tage erlebt einen drastischen Rechtsruck, denn ich mit Sorge betrachte. Selbst in den nordischen Ländern ist das mittlerweile der Fall. Riikka Purra ist die stellvertretende Ministerpräsidentin Finnlands und fällt mit rassistischen Äußerungen auf. In diese hochaktuelle Lage hat der Wirtschaftsjournalist Tuomas Niskakangas unter dem Pseudonym Tuomas Oskari seinen zweiten hochaktuellen Thriller veröffentlicht: Im Sturm der Macht.
Dies ist die Fortführung von ‚Tage voller Zorn“, dass 2027 spielt. Nun sind wir im Jahr 2028 und erleben eben diesen drastischen Rechtsruck in Europa und eine gespaltene Haltung gegenüber den Flüchtlingen und die divergierende Politik mit diesen umzugehen. Wollen die einen den humanitären Fokus nicht verlieren schotten die anderen sich ab.
In dem Thriller ist genau diese nun aktuelle Wirklichkeit präsentiert. Ein Rechtsruck auch in Finnland, nur das hier in der Fiktion die Ministerpräsidentin erschossen wird und Leo Koski einen Putsch wittert, den es zu verhindern gilt.
Wieder spannend und gut geschrieben ist dieser Polit-Thriller lesenswert, unterhaltsam, aber eben auch so aktuell, dass es einen erschaudern lässt. Wer den ersten Band kennt, erkennt Parallelen im Aufbau der Geschichte, auch wenn eine neue Figur hinzukommt, die Geschichtsstudentin Sara Hegering, die zu faschistischen Strömungen um den zweiten Weltkrieg erforscht um daraus Rückschlüsse für heute zieht.

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Veröffentlicht am 05.10.2023

Neudivergente Protagonistin trifft auf Zeitreisen

Mein schrecklich schönes Leben
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Sprünge in die Vergangenheit um dort Fehler wieder zu korrigieren, Blamagen zu vermeiden und die richtungsweisenden Stellen richtig zu nutzen, wer würde das so manches Mal nicht gerne machen?
Cassandra ...

Sprünge in die Vergangenheit um dort Fehler wieder zu korrigieren, Blamagen zu vermeiden und die richtungsweisenden Stellen richtig zu nutzen, wer würde das so manches Mal nicht gerne machen?
Cassandra Penelope Dankworth kann es! Aber erst nachdem ihr Freund sie verlassen und sie ihren Job verlor hat. Alles am gleichen Tag und damit in ein tiefes Loch fiel. Das Loch hieß Zeitreise und brachte sie wieder zum Anfang ihrer Beziehung. Und nun Beginn die Liebesgeschichte erneut und alles was sie erlebte. Geht eine Situation schief, macht nix, springt sie zurück. Nur ist es denkbar schwierig, wenn nur sie so manches Erlebnis mehrfach durchlebt und mit der Zeit vergisst, welcher Strang welche Aktivitäten beinhaltete…ihr seht Chaos und Verderben vorprogrammiert.
Ein herrlich charmanter Wohlfühlroman! Der Clou an der Geschichte – neben dem Zeitreisen! – ist der Autismus der Protagonistin, den die Autorin Holly Smale mit ihr teilt, da sie auch neurodivergent ist. Es ist eine Bereicherung des abgebildeten Spektrums in der Literatur, ohne dass es irgendwie „anders“ wirkt. Ein Roman der großen Lesespaß bringt und viel zum Lachen bereithält.
Fazit: Schicksal lässt sich auch mit Zeitsprüngen nicht beeinflussen.

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Veröffentlicht am 21.09.2023

Das Bild der Füße

Kontur eines Lebens
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Tagtäglich passiert man alte Menschen auf der Straße, sie werden mit der Zeit unsichbar und verschwinden in Heimen. Die Geschichten, die sie in sich tragen, die eventuell bis heute schmerzen und nachklingen, ...

Tagtäglich passiert man alte Menschen auf der Straße, sie werden mit der Zeit unsichbar und verschwinden in Heimen. Die Geschichten, die sie in sich tragen, die eventuell bis heute schmerzen und nachklingen, nehmen wir nicht wahr. Besonders, wenn man bedenkt wie stark sich die Welt verändert hat seit den 50er und 60er Jahren im letzten Jahrhundert.
Und solch eine Geschichte erzählt uns der niederländische Autor Jaap Robben in seinem Roman „Kontur eines Lebens“. Den Titel finde ich äußerst treffend gewählt. Erzählt er die Geschichte er alten Frieda Tendeloo doch abwechselnd in der Gegenwart und in der Vergangenheit.
Über 80 Jahre ist sie nun alt, ihr Mann verstarb, sie nun im Pflegeheim mit viel Zeit zum Denken, viel Zeit für alte Wunden und Trauma wieder an die Oberfläche zu stoßen. Ihr Sohn Tobias kümmert sich rührend, selbst ein werdender Vater. Er ahnt nicht was in seiner Mutter vorgeht, die zu Beginn der 60er Jahre harte Zeiten erlebte, weil sie eine Affäre mit einem verheirateten Mann hatte und dann noch ein Kind von ihm erwartete. Unfassbar damals in den Niederlande.
Jaap Robben erzählt nicht nur exemplarisch was Frieda widerfahren ist sondern macht bewusst, dass diese Zeiten so anders waren und dann doch nicht so lange her. Die offene niederländische Gesellschaft war damals noch weit von ihrer liberalen Ader entfernt.
Diese Kombination aus gesellschaftlicher Entwicklung gebettet in einer persönlichen Geschichte macht den Roman sehr lesenswert.

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Veröffentlicht am 16.07.2023

Veränderung im Alter

Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe
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Ein neuer Lebensabschnitt. Älter werden. Es selbst in die Hand nehmen. Mit Humor und reflektiert.
Das beschreibt diesen neuen Roman der tollen Autorin Doris Knecht recht gut aus meiner Sicht. Dieser widersprüchliche ...

Ein neuer Lebensabschnitt. Älter werden. Es selbst in die Hand nehmen. Mit Humor und reflektiert.
Das beschreibt diesen neuen Roman der tollen Autorin Doris Knecht recht gut aus meiner Sicht. Dieser widersprüchliche Romantitel: Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe` zeugt auch von ungemeiner Ironie. Es geht um die Reflektion eines Lebens, Mitte 40 einer Frau, die aus der österreichischen Provinz nach Wien ging um der Enge zu entfliehen. Gilt sie als „gescheitert“ weil sie alleinerziehend von einem Zwillingspaar war und nun alleine ist? Eine Aufarbeitung.
Nachdem die beiden nun auf dem Weg aus der mütterlichen Wohnung sind, die Tochter proaktiv alleine auszieht, hilft sie beim Sohnemann nach ein WG-Zimmer zu finden. Dann ist sie selbst an der Reihe von der großen Wiener Wohnung in eine kleinere Umzuziehen und das zieht ein physischen Ausmisten mit sich und inhärent mit einhergehen auch ein mentales Ausmisten.
Wunderbar beschreibt Doris Knecht, diese Ich-Erzählperspektive und nimmt uns in diesem Reflektionsbogen mit. Vor allem gelungen ist das reflektieren der einzelnen eigenen Rollen im Leben, sei es als Tochter, Schwester, Mutter, Freundin. Alles Rollen die es zu resümieren gilt.
Gelungen. Gut geschrieben. Bereichernd. Lesenswert.

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