Zu viel gewollt
TotenlichterWenn man mit der Offenheit für eine zweite Chance an einen Roman herangeht, sich nach einem vielversprechenden und spannenden Start allerdings Widersprüche und sprachliche Schwächen häufen, bleibt am Ende ...
Wenn man mit der Offenheit für eine zweite Chance an einen Roman herangeht, sich nach einem vielversprechenden und spannenden Start allerdings Widersprüche und sprachliche Schwächen häufen, bleibt am Ende leider nur Ernüchterung.
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Zum Inhalt:
Nach dem bedrohlichen Tipp eines Unbekannten entpuppt sich der vermeintliche Selbstmord einer Unfallüberlebenden als Rätsel. Gab es doch Fremdeinwirkung? Gar ähnliche Fälle? Treibt ein Serienkiller sein Unwesen?
Erneut gerät die Psychologin Anna Wasmuth des Hamburger LKA tiefer in eine Ermittlung hinein, als ihr lieb ist. Zusammen mit ihrem impulsiven Kollegen Jan Nygård ermittelt sie in einem gefährlichen Fall.
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Meine Eindrücke:
Totenlichter ist nach Schmerzwinter der zweite Teil der Krimi-Reihe von Aaron Sander um Kommissar Jan Nygård und Psychologin Anna Wasmuth.
Ich hatte bereits Teil 1 gelesen, war begeistert von Aaron Sanders fesselndem Schreibstil, der einen schnell und tief in die Geschichte hineinzieht, und der sehr originellen und schaurigen Mordserie.
Allerdings konnte mich sein Protagonist Jan Nygård bis zum Ende von Schmerzwinter nicht vollständig überzeugen. Mit Teil 2 wollte ich Jan und Aaron Sander noch eine zweite Chance geben. Ich war gespannt, wie er seinen Protagonisten weiterentwickelt.
Tatsächlich hat Jans persönliche Entwicklung einen nicht unwesentlichen Anteil in diesem Roman. Er ist weiterhin impulsiv, stur und mehr Einzelgänger als Teamplayer – bleibt sich also treu. Er ist weiterhin psychisch angeschlagen, leidet nun vermehrt unter Flashbacks und seine Beziehung zu seinem Vater und auch Anna Wasmuth werden tiefer thematisiert. Letztere ist geprägt von Unausgesprochenem, was ich zu Beginn noch als recht überzeugend, zu Ende allerdings als etwas überspitzt empfand.
Auch die Spannung ist von Beginn an wieder sehr hoch, Anna wird mitten in der Nacht in ihrer neuen Wohnung von einem Fremden überrascht, der eine mysteriöse Nachricht hinterlässt. Auch das Tempo hat mir über weite Strecken des Buchs gut gefallen und die Thematik rund um Nahtoderfahrungen und die Schwierigkeiten des Überlebens sind sehr spannend.
Nach dem vielversprechenden ersten Drittel, häuften sich allerdings inhaltliche Widersprüche sowie erzählerische und sprachliche Schwächen.
Jan und Anna handelten vermehrt wenig professionell für ihr Fach. Der Fokus lag zunehmend auf den Charakteren anstatt der Ermittlung. Viele Aspekte, die in der ersten Romanhälfte noch als äußerst wichtig erachtet wurden, wurden gar nicht mehr aufgegriffen. Auch die Auflösung und die Motive waren wenig überzeugend und nur flüchtig ausgearbeitet.
Ich bin es gewohnt, dass am Ende von einem Krimi einiges offenbleibt und mag das für gewöhnlich. Hier wurde jedoch die Geschichte nur halb fertig erzählt.
Sehr schade! Ihre zweite Chance haben Jan und Aaron Sander leider verspielt. Schmerzwinter war deutlich stärker.
Ich vergebe je einen Stern für den starken Anfang und die interessante Idee rund um Nahtoderfahrungen.
Mein ernüchterndes Fazit:
Zu viele Widersprüche, sprachliche Schwächen sowie wenig überzeugende Motive und Reaktionen machen es mir leider schwer, diesen Roman weiter zu empfehlen. Ich werde ihn vermutlich nicht einmal innerhalb der Familie zum Lesen weiterreichen…dafür ist die Konkurrenz zu groß.
Der Start war stark, leider erschien es mir später so, als wurde zu viel gewollt und der Blick für das Wesentliche verloren. Schade!