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Veröffentlicht am 18.03.2024

Familiäre Prägungen

Wir sitzen im Dickicht und weinen
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Felicitas Prokopetz beschreibt in ihrem Roman wie die Familienmitglieder über Generationen hinweg, von den Vorfahren geprägt wurden. In dieser Geschichte sind es vornehmlich die Frauen und Mütter, die ...

Felicitas Prokopetz beschreibt in ihrem Roman wie die Familienmitglieder über Generationen hinweg, von den Vorfahren geprägt wurden. In dieser Geschichte sind es vornehmlich die Frauen und Mütter, die die Entwicklung ihrer Kinder nachhaltig beeinflussten.

Valerie und ihre Mutter haben nicht die innigste Beziehung zueinander und sehen sich infolgedessen nicht sehr häufig. Doch als Christina eine Krebsdiagnose erhält, muss sich Valerie um ihre Mutter kümmern, egal wie schwer es ihr fällt, wer sollte es denn sonst machen. Als dann noch ihr 16-jähriger Sohn Tobi den Wunsch nach einem Auslandsjahr in London äußert, gerät ihre Welt ins Wanken.

Dieses Buch besticht durch die kurzen Kapitel, wobei es mir als Leserin schwer fiel, die vielen Personen zuzuordnen. Ein kleiner Stammbaum war dann sehr hilfreich. Die Charaktere sind sehr eindrücklich ausgearbeitet, wobei mir Tobi am besten gefallen hat. Die angespannte Mutter-Tochter-Beziehung zwischen Christina und Valerie ist hier eindrucksvoll herausgearbeitet worden, auch wie belastend dies immer wieder für Valerie ist.

Hier werden die Fragen beantwortet, wie wir zu den Individuen werden, die wir sind und welche Auswirkungen das auf die nächste Generation hat. Generationskonflikte sind in unserer Welt alltäglich, sei es mit den eigenen Eltern oder mit den Kindern. Man steht immer zwischen den Stühlen und fühlt sich von allen unverstanden. Der Weg, wie wir aufeinander zugehen, ist nicht immer einfach, doch wer es nicht versucht, verliert. Man kann nicht immer fordern, man muss auch mal geben oder besser gesagt, vergeben. Das zeigt hier ganz eindrücklich das Ende.

Bei dem farbenfrohen Cover konnte ich mir erstmal nichts darunter vorstellen, doch bei genauerer Betrachtung, sind es doch die Überlagerungen, Verflechtungen und kleinen Überschneidungen, die wie das Leben und die Herkunft sind. Einer hat einen größeren Anteil daran, ein Anderer einen kleineren Anteil. Sehr schön gemacht.

Alles in allem hat mich das Buch gut unterhalten und ich kann es mit gutem Gewissen weiterempfehlen.

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Veröffentlicht am 29.02.2024

Geteiltes Deutschland - Grenzerfahrungen

Das Jahr ohne Sommer
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Die Ich-Erzählerin ist ca. 3 Jahre alt, als ihren Eltern die Flucht aus der DDR missglückt und sie ins Gefängnis müssen. Das Mädchen kommt nach einem kurzen Zwischenstopp im Waisenhaus zu ihren Großeltern ...

Die Ich-Erzählerin ist ca. 3 Jahre alt, als ihren Eltern die Flucht aus der DDR missglückt und sie ins Gefängnis müssen. Das Mädchen kommt nach einem kurzen Zwischenstopp im Waisenhaus zu ihren Großeltern nach Leipzig. Nach 2 Jahren in diesem Zustand, werden ihre Eltern von der BRD freigekauft und so ziehen sie in den äußersten Westen Deutschlands. Einige Zeit später darf auch das Mädchen zu ihren Eltern nach Aachen ziehen.

Ein Neuanfang, Erwartungen, Träume, alte Traditionen. Der Vater stets korrekt, Disziplin ist sein oberstes Gebot. In Westdeutschland trifft er damit oft auf Unverständnis, denn die Rheinländer haben eine ganz andere Mentalität. Die Mutter während des Gefängnisaufenthalts schwer erkrankt, erhofft sich noch immer ein Leben als Geigenspielerin. Das Mädchen hat Sehnsucht nach der Oma und in der Schule freundet sie sich auch nur mit Zugezogenen an, denn aufgrund ihres Dialektes, kann jeder sofort erkennen, woher sie kommt.

Die Autorin erzählt diese Geschichte aus Sicht des Mädchens sehr unaufgeregt, fast schon neutral, so dass mir anfänglich tatsächlich der Schwung gefehlt hat, es ist eher eine Aneinanderreihung von Begebenheiten. Vielleicht wollte die Autorin auch damit die Zerrissenheit der Familie widerspiegeln. Trotzdem konnte ich mich gut darauf einlassen und in die Situationen hineinversetzen. Die Protagonisten werden eher etwas zurückhaltend dargestellt. Ich fand, der Vater hatte hier den ausgeprägtesten Charakter.

Wie ist es, wenn man die Heimat verlässt, die vertrauten Orte, die liebgewonnenen Menschen? Ein Leben zwischen hier und drüben. Alles in allem wurde die Situation eines geteilten Deutschlands, der Wunsch nach Freiheit, Republikflucht, die damit zusammenhängenden Schwierigkeiten, der beschwerliche Neuanfang aber auch Sprachbarrieren durch die Dialekte und die verschiedenen Mentalitäten, gut dargestellt.

Freiheit und Ausgelassenheit vermittelt auch sehr anschaulich das gelungene Cover. Die graue Tristesse der DDR im Hintergrund und ein Mädchen, das fröhlich in den blauen Himmel schaukelt. Absolut passend zum Inhalt.

Alles in allem hat mich das Buch gut unterhalten, zum Nachdenken gebracht und mich emotional mitgenommen. Einige historische Ereignisse, wie zum Beispiel die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl oder der Mauerfall wurden auch wieder ins Bewusstsein gerückt. Hier spreche ich gerne meine Leseempfehlung aus.

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Veröffentlicht am 24.02.2024

Mitreißender Lesegenuss - Lil the kill

Lil
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New York 2017, Sarah, eine Nachfahrin Lillian Cuttings, erzählt im Dialog mit ihrer Dobermann-Hündin Brontë die Geschichte von ihrer Ururururgroßmutter Lillian, eine geniale wie auch vorausschauende Unternehmerin, ...

New York 2017, Sarah, eine Nachfahrin Lillian Cuttings, erzählt im Dialog mit ihrer Dobermann-Hündin Brontë die Geschichte von ihrer Ururururgroßmutter Lillian, eine geniale wie auch vorausschauende Unternehmerin, die in New York im Jahre 1880 von ihrem Sohn Robert hinterhältig in eine Nervenheilanstalt, namens Hops Island gelockt wird. So war es zu dieser Zeit gang und gäbe sich einer unliebsam gewordenen Frau zu entledigen und sie in eine Irrenanstalt einzuweisen. Lillian Cutting war nicht nur durch ihre Körpergröße von 1,80 m eine Ausnahmeerscheinung. Ihr Erfolg und ihren eigenwilligen Weg nach oben, haben Neid und Missgunst geschürt. Die Erlauchten 400 der New Yorker High Society wollten sie lieber weggesperrt sehen, doch dann schlägt Lil the kill zurück.

Der Autor schildert bildhaft und schonungslos, wie das Patriachat bzw. die Androkratie die Gesellschaft dominiert hat, wie entwürdigend mit Menschen vornehmlich Frauen in diesen Nervenkliniken umgegangen wurde. Über die rechtlose gesellschaftliche Stellung der Frauen, bei der sich die Zuständigkeit ausschließlich auf ihren Gatten, Haushalt und Kinder beschränken sollte. Über Rassismus, die dekadente Lebensweise der Rich Upperclass.

Obwohl viele Charaktere und auch Nebenfiguren den Schauplatz dominieren, hat der Leser nicht das Gefühl die Übersicht zu verlieren. Denn sie sind gut ausgearbeitet, gut und eindrücklich in Szene gesetzt und wirken daher sehr authentisch.

Das Zwiegespräch zwischen Sarah und ihrem Hund Miss Brontë fand ich persönlich sehr gewöhnungsbedürftig. Doch durchaus hat mich das Buch sprachlich überzeugt, die Wortwahl, der rasante Schreibstil, schonungslos, tragisch, nachdenklich und letztendlich auch mit hintergründigem Humor. Die Anspielungen auf literarische Werke oder Personen waren gekonnt in die Handlung eingebaut.

Für mich war das Buch sehr spannend und mitreißend zu lesen, obwohl das Ende einfach einem gut ausgegangenen Märchen entspricht. Trotzdem kann ich den Roman als lesenswert empfehlen.

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Veröffentlicht am 01.11.2023

Prägende Kindheitserlebnisse

Endstation Malma
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Dies ist mein erster Roman von Alex Schulman und ich war von den Emotionen, die er mit dieser Geschichte transportiert hat, sehr mitgenommen.

Im Mittelpunkt stehen die Zugfahrten nach Malma, einen fiktiven ...

Dies ist mein erster Roman von Alex Schulman und ich war von den Emotionen, die er mit dieser Geschichte transportiert hat, sehr mitgenommen.

Im Mittelpunkt stehen die Zugfahrten nach Malma, einen fiktiven Ort in Schweden. Sie werden auf verschiedenen Zeitebenen beschrieben. Anfangs war es etwas irritierend, auf welcher Zeitebene man sich gerade befand. Der Hauptfokus liegt hier auf Harriet. Erlebnisse aus ihrer Kindheit, Scheidung der Eltern, Verlustängste und das Verhältnis zum Vater werden für sie prägend in dem weiteren Verlauf ihres Lebens. Als Partnerin von Oskar und Mutter von Yana erlebt der Leser, wie sich Traumata nachhaltig auf die Familie auswirken und auf die nächste Generation übertragen werden.

Die Kapitel wurden abwechselnd aus Sicht der drei Hauptprotagonisten geschrieben und so taucht man in die Welt der Charaktere ein, die mir als Leserin teilweise sehr nahe gingen, trotzdem konnte ich keinen wirklichen Bezug zu den einzelnen Personen aufbauen.

Der Autor hat für diesen Roman sehr eigenwillige Charaktere geschaffen und lässt den Leser an ihren Gefühlen, Ängsten und Sorgen teilhaben und erschafft dadurch eine emotionale, tiefgründige und flüssig geschriebene Geschichte, die mich gut unterhalten hat. Das schön gestaltete Cover rundet diese Lektüre ab. Klare Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 06.10.2023

Wie Wissen unser Handeln beeinflusst

Zwischen Mauern
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Margareta, kurz Meta, nimmt sich eine Auszeit von Ihrer Anstellung bei einer Bank und sucht nach einer sinnvollen ehrenamtlichen Beschäftigung, wo sie für Menschen da sein kann. Sie wird für die Nachtwache ...

Margareta, kurz Meta, nimmt sich eine Auszeit von Ihrer Anstellung bei einer Bank und sucht nach einer sinnvollen ehrenamtlichen Beschäftigung, wo sie für Menschen da sein kann. Sie wird für die Nachtwache in einem Pflegeheim eingeteilt, das schon bessere Tage erlebt hat und kurz vor der Schließung steht. Neben ihr lernen wir den etwas kauzigen Dr. Pomp kennen, der ständig sein altes Stethoskop sucht, das mit dem Zweischlauchsystem, ohne Schnickschnack, Moses, der sich nachts aufopfernd allein um 52 Bewohner kümmert und Angelika, die tagsüber für die Versorgung zuständig ist und immer für Moses die Tabletten richtet und Eistee zubereitet. Ein eingeschworenes Team voller Fürsorge und Menschlichkeit.

Es ist keine Geschichte zum dahin gleiten, sondern der Leser verbringt 6 Nächte mit Meta in der Sterbebegleitung von Herrn T.. Sie ist völlig unerfahren auf diesem Gebiet, findet sich jedoch schnell gut zurecht und versucht Herrn T. die Nächte erträglicher zu machen, da zu sein und auszuhalten, bis sie seine Hintergrundgeschichte erfährt. Jetzt fängt sie an, mit sich zu hadern.

Hier liegt der Fokus auf den Handlungen, wie wir ohne ein Vorwissen mit einem Menschen umgehen und wie sich das verändern kann, wenn wir mehr über diesen Menschen erfahren. Wie viel Wissen benötigen wir eigentlich über einen Menschen? Ist es denn nicht völlig nebensächlich, denn ein Jeder hat, meiner Meinung nach, ein Recht auf Respekt und Würde in der letzten Lebensphase.

Die Charakterisierung der Protagonisten beschränkt sich nur auf diesen einen Lebensbereich, hier liegt das Hauptaugenmerk auf den Situationen und den Interaktionen. Sprachlich völlig in Ordnung, kurze Kapitel eingeteilt in Nächte, viel Dialog, sehr schnell zu lesen, aber durchaus auch lesenswert.

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