Eine Spurensuche zwischen Berlin, Rom, Bozen und Brasilien nach einem, der keine Spuren hinterlassen wollte
Wer sind Sie denn wirklich, Herr Gasbarra?In „Wer sind Sie denn wirklich Herr Gasbarra“ nimmt uns Gabriel Heim mit auf die Suche nach der Geschichte seines Vaters, Felix Gasbarra, den er selbst nie kennengelernt hat. Ich kannte den Namen Gasbarra ...
In „Wer sind Sie denn wirklich Herr Gasbarra“ nimmt uns Gabriel Heim mit auf die Suche nach der Geschichte seines Vaters, Felix Gasbarra, den er selbst nie kennengelernt hat. Ich kannte den Namen Gasbarra zuvor nicht, wohl aber einige seiner Zeitgenossen und Kolleginnen von Käthe Kollwitz bis Bert Brecht, und kann seine ursprüngliche Liebe zu Südtirol persönlich sehr gut nachempfinden. Daher war mein Interesse an Felix Gasbarra und Gabriel Heims Buch geweckt.
Gabriel Heim beginnt sein Buch sehr persönlich, beschreibt als Ausgangspunkt sein Anliegen und die Familiengeschichte, die bis dato, ganz in der Intention Felix Gasbarras, mit vielen Geheimnissen belegt war. Man sollte nicht vergessen, dass es bei all dem, um seinen Vater geht, der zeitlebens bewusst den Kontakt zu ihm vermieden hat. Insofern hat die Reise und Vergangenheitssuche sicher auch etwas sehr emotionales für ihn.
Heim verknüpft Material und Aufzeichnungen von Doris Homann und seiner Mutter Ilse Winter mit weiteren eigenen Rechercheergebnissen. Die Dokumentation bewegt sich dabei immer wieder zwischen einem Eintauchen in vergangene Zeiten und Orte und der aktuellen Spurensuche mit Reisen Heims an wichtige Orte. Berlin, Schlesien, Rom, Südtirol und zuletzt Brasilien, all dies sind Orte, verknüpft mit dem Leben Gasbarras und/oder seiner Familie, und hierhin entführt uns auch Heim auf seiner Spurensuche.
Die Theaterjahre in Berlin sind unglaublich intensiv beschrieben, mit interessanten Einblicken in das kommunistische, kulturell-politische Milieu dieser Zeit. Große Namen fallen hier mit einer Selbstverständlichkeit und mittendrin Gasbarra. Jede Etappe des Lebens Gasbarras beschreibt Heim in ihrem eigenen Tempo und Eigenheiten. Den ruhigeren letzten Jahren in Bozen stehen die Anfangsjahren seines Wirkens in Berlin gegenüber. Doch all dies ist Felix Gasbarra, alles und nichts, möchte man vielleicht meinen, angesichts der Verwandlungskunst und schweren Greifbarkeit des Charakters Gasbarra.
Gasbarra mag vielleicht nicht wirklich sympathisch sein, doch welche Menschen mit wahrem Genie waren und sind dies in der Geschichte? Ohne zu viel aus dem Buch vorwegzunehmen, kann verraten werden, dass Felix Gasbarra ein streitbarer, aber talentierter und interessanter Mensch war, der es immer wieder verstanden hat, diese Talente auch an den „richtigen“ (zumindest für ihn wirkungsvollen) Stellen einzusetzen.
Für mich ist das Buch jedoch auch und gerade wegen der starken und beeindruckenden Frauen darin unbedingt lesenswert. Von der Künstlerin Doris Homann über Ilse Winter bis hin zu Gabriel Heims wiedergefundener Schwester Claudia und der bereits verstorbenen Schwester Livia, sprüht und lebt das Buch von den emanzipierten Frauen in Gasbarras Leben.
Positiv hervorzuheben sind auch die zahlreichen Fotos, auch von Doris Homanns Bildern, die das Buch zusätzlich bereichern.
Einziger Kritikpunkt ist, dass ich mir eine Kapitelunterteilung und Überschriften zur Strukturierung und Einordnung gewünscht hätte. Das Buch umspannt fast ein Jahrhundert, und springt zum Teil immer wieder zwischen den Episoden hin und her, sodass thematische Überschriften sicher hilfreich gewesen wären.
Insgesamt eine gelungene Biografie, die in ein bewegtes Jahrhundert und interessante Milieus und Lebensgeschichten eintauchen lässt, mit einer klaren Empfehlung!