Herzklangstille ist eines der Arctis-Bücher, denen ich aus dem Herbstprogramm mit am meisten entgegengefiebert habe. Nicht zuletzt zwar auch, weil die äußere Gestaltung der Hammer ist, aber nicht nur deshalb. Der Klappentext verspricht eine emotionale, tiefgehende Love Story, bei der Taschentücher Pflicht sind, und die habe ich auch bekommen, selbst wenn ich zum Glück ohne Tränen ausgekommen bin.
Die Grundidee hinter der Geschichte, nämlich dass man Verstorbene über ein Telefon erreichen und ihnen so das mitteilen kann, was man vor dem Tod versäumt hat, fand ich wunderschön. Natürlich ist das in erster Linie eher ein Mittel für die Hinterbliebenen, mit ihrer Trauer besser umzugehen, aber was, wenn tatsächlich jemand antwortet?
So geht es June, die ihre Mutter verloren hat und seitdem von ihrer garten-internen Telefonzelle immer dann, wenn sie möchte, Kontakt mit dem Jenseits aufnehmen kann, natürlich ohne dass je eine Rückmeldung gekommen wäre. Als dann auf einmal ein fröhlicher, charmanter Junge namens Lucas antwortet und June dieser seltsame Kerl mit Kapuze ständig über den Weg läuft, ist das Gefühlschaos perfekt.
Wie schon angeteasert wird im Klappentext, sind die Leben von June, Lucas und Cole miteinander verwoben auf eine Weise, die einem das Herz bricht. Was genau hinter dieser Verbindung steckt, wird für mich überraschend schnell aufgeklärt, was jedoch die Emotionen im Handlungsverlauf sowie die Spannung nicht schmälert. Ich hätte lediglich damit gerechnet, dass die Lesenden mehr rätseln und schmoren müssen, bis sich die Wahrheit offenbart.
Cole, Lucas und June könnten unterschiedlicher kaum sein. Cole ist ein düsterer, schlecht gelaunter Typ, abweisend und in sich gekehrt, von einer wütenden Aura umgeben. Lucas ist das komplette Gegenteil, lebensfroh und angenehm, voller Freude und Liebe. June, die mit ihrem Dad gern Geister beim Abendessen beschwört, macht zwar auf den ersten Blick einen leicht sonderbaren, eigenbrötlerischen Eindruck, hat aber ein Herz aus Gold und ist bis zum Bersten mit Empathie gefüllt. Ich mochte die Kombination aus den dreien, sie ergänzen sich wunderbar und helfen sich damit gegenseitig aus den schweren Situationen heraus, die ihr gemeinsames Schicksal mit sich bringt.
Was genau hinter dieser mysteriösen Verbindung steckt, konnte ich schon bald ahnen, war jedoch trotzdem am Boden zerstört, als man den Beweis dafür geliefert bekam. Mir brach das Herz, aber ich konnte mich über Wasser halten. Den Verlauf der Geschichte habe ich mir anders vorgestellt, aber dennoch mochte ich, wie sich das Geschehen entwickelte.
Mir haben zwei kleine Dinge nicht ganz so gut gefallen: Coles Art empfand ich, auch wenn ich seine Beweggründe wirklich nachvollziehen konnte, manchmal etwas unreif. Er wirkte sprunghaft, was vielleicht auch auf Unsicherheiten zurückzuführen ist, das machte ihn für mich nicht so gut greifbar und daher als Figur nicht so liebenswürdig, wie er hätte sein können.
Dann ging mir das Entwickeln von Gefühlen etwas zu schnell. Unter den gegebenen Umständen hätte ich es realistischer und auch schöner gefunden, wenn sich das Ganze mehr Zeit gelassen und man sich noch vorsichtiger herangetastet hätte.
Mein Fazit:
Ein leicht mysteriös angehauchtes Buch, bei dem alle, die ohne eine Prise Fantasie zugreifen, vermutlich nicht ganz glücklich werden. Wenn man jedoch offen für Gegebenheiten außerhalb des logisch Erklärbaren ist, darf man eine Geschichte erleben, die unter die Haut geht. Emotionen kommen nicht zu kurz, es gibt eine süße, wenngleich für mich etwas überstürzte Love Story und auch wenn das Buch wegen der kleinen Kritikpunkte es leider wider Erwarten nicht geschafft hat, ein Highlight zu werden, so vergebe ich doch guten Gewissens 4 Sterne und eine deutlich ausgesprochene Leseempfehlung.