Berührend und eindrucksvoll , das Leben der Verdingkinder
Bis wir unsere Stimme findenIn ihrem Roman ,, Bis wir unsere Stimme finden " von Astrid Töpfner wird die Geschichte von Fanny und Jacob erzählt.
Nach ihrer Flucht 1942 aus Österreich über die grüne Grenze, sind die 5jährige ...
In ihrem Roman ,, Bis wir unsere Stimme finden " von Astrid Töpfner wird die Geschichte von Fanny und Jacob erzählt.
Nach ihrer Flucht 1942 aus Österreich über die grüne Grenze, sind die 5jährige Fanny und der fast 10 jährige Jakob ohne Angehörige in der Schweiz vor den Nazis sicher. Sie kommen bei einem armen , aber freundlichen Ehepaar unter. Um nicht getrennt zu werden, geben sie sich als Geschwister aus. Als dem Pflegevater ein Unglück zustößt, werden sie von der Fürsorge einem Bauern zugeteilt. Dort auf dem kargen Bauernhof müssen sie als Verdingkinder schwerste Arbeit verrichten, werden bei kleinsten Fehlern grausam bestraft, ihr kärgliches Essen , von dem sie nicht satt werden , hart erarbeiten. Auch in der nächsten Familie wird es nicht besser, Unterdrückung, Misshandlung und ein menschenunwürdiges Leben müssen sie ertragen. Durch einen Zwischfall werden sie für viele Jahre getrennt. Bis sie sich durch Zufall 1968 wiedersehen. Doch es ist nicht einfach , wieder an die gemeinsamen Jahre anzuknüpfen. Zu schwer ist das Erlebte, das diese beiden zu sehr geprägt hat.
Astrid Töpfer erzählt diese fiktive Geschichte exemplarisch für die vielen Verdingkinder in der Schweiz, die ledigen ,, unanständigen" Müttern oder als Waisen der Fürsorge unterstellt waren . Sie mussten ihren Lebensunterhalt verdienen, wie die ,, Pflegefamilien " mit ihnen umgingen, war den Verantwortlichen zum großen Teil egal. Den Kindern dagegen wurde alles genommen: ihre Würde, ihre Lebensfreude, ihren Stolz und der Weg in eine glückliche Zukunft. Schweigen, gehorchen , schuften bis zum Umfallen war bei vielen an der Tagesordnung. Sicherlich gab es auch andere Familien, in denen es besser zuging.
Sehr eindrucksvoll und bildgewaltig hat die Autorin diese unrühmliche Vergangenheit der Schweiz dargestellt. Die Beschreibungen haben mich so sehr berührt, immer wieder hatte ich Gänsehaut und Tränen in den Augen. Trotz der Schilderungen der grausamen Kindheit von Fanny und Jakob gab es auch schöne Momente, die mich gefreut haben.
Fanny ist mir genauso wie Jakob sehe schnell ans Herz gewachsen. Die kleine liebevolle Plappertasche und der ,,große " schlaue Jakob, der sich liebevoll als Beschützer verhält.
Die zwei Zeitstränge , die beide aus Fannys und Jakobs Sicht erzählt werden, sind perfekt miteinander verknüpft Drr Wechsel zwischen den verschiedenen Zeiten findet durchgehend in genau dem richtigen Moment statt. Der Text ist flüssig und mitreißend , sehr spannend geschrieben . Trotz aller grausam und häufig schwer zu ertragenden Schilderungen , konnte ich mich kaum los lösen und das Buch zur Seite legen. Ich musste unbedingt wissen, wie es weitergeht. Das Ende hat gefreut und zuversichtlich gemacht.
Ein Stück Schweizer Geschichte wurde mir emotional aufwühlend näher gebracht. Obwohl man dieses neutrale Land als liberal ansieht, war es doch rückständig im Vergleich zu anderen europäischen Ländern. Die Frauenbewegung der 68er und ihr Kampf für das Wahlrecht für alle , wird genauso bildgewaltig geschildert.
Astrid Töpfner hat mit diesem äußerst genau recherchierten und absolut authentischen , eindrucksvollen mein Herz berührt und den Verdingkindern ihre Stimme verliehen. Ein ganz grausames Stück Schweizer Geschichte, das Schicksal unzähliger Kinder, die nicht vergessen werden darf.
Von ganzem Herzen danke ich Astrid Töpfner für diese sehr berührende Geschichte, die ich zu 100% weiterempfehlen kann.
Die Triggerwarnung sollte ernst genommen werden.