Silberregen glitzert nicht
Silberregen glitzert nichtIn diesem Buch geht es um Emely. Ihr Tag ist voller Verantwortung. Verantwortung für ihre schulische Leistung, Verantwortung für ihre kleinen Geschwister und Verantwortung dafür, dass niemand erfährt, ...
In diesem Buch geht es um Emely. Ihr Tag ist voller Verantwortung. Verantwortung für ihre schulische Leistung, Verantwortung für ihre kleinen Geschwister und Verantwortung dafür, dass niemand erfährt, was bei ihr Zuhause los ist. Denn Emelys Mutter ist tablettensüchtig und die meiste Zeit nicht wirklich da.
WICHTIGES THEMA
Rund um die Veröffentlichung des Buches postete der mixtvision Verlag auf Instagram einige Informationen zum Thema Sucht. Zum Beispiel den Fakt, dass jedes 6. Kind in Deutschland in einer Familie mit Suchtkrankheit lebt. Sucht ist nicht unbedingt ein sehr präsentes Thema in der Gesellschaft, obwohl ihre Triggerfaktoren das sehr wohl sind. Das passiert immer nur den anderen, in der eigenen Familie gibt es so etwas nicht. Dabei ist Alkohol gesellschaftlich so enorm anerkannt und Tabletten haben die trügerische Wirkung, Symptome derart lindern zu können, dass die Hemmschwelle, sie einzusetzen, immer mehr nachlässt.
Tablettensucht oder Sucht im Allgemeinen ist also ein Thema, dass viel mehr Raum einnehmen sollte. Das nicht mehr tabuisiert werden sollte, sondern über das offen gesprochen werden sollte. Mit „Silberregen glitzert nicht“ wird das Thema auf eine Art behandelt, die auch Kinder schon gut verstehen können. Ich wusste schon vor dem Lesen, dass dieses Buch wehtun wird. Und genau das tut es. Es ist so verdammt schmerzhaft, diese Realität vieler Kinder mitzuerleben.
EMOTIONALE ZERISSENHEIT
Wie schon bei „Blitzeinschlag im Territorium“ hat Christine Werner die Protagonistin wunderbar dargestellt. Vor allem ihren Konflikt. Emely merkt natürlich, dass etwas nicht stimmt. Ihre Mutter schläft fast nur noch, ist für alles zu erschöpft, hat kurze Momente eines super glücklichen Hochs, nur um dann in ein noch längeres Tief zu fallen. Das kann einem jungen Mädchen nicht entgehen. Trotzdem realisiert Emely erst nach und nach, von was ihre Mutter geplagt wird. Sie findet erst gegen Ende Worte dafür.
Gerade diese Entwicklung miterleben zu müssen, war sehr schmerzhaft. Ich hätte so gerne alle Charaktere geschüttelt, um sie aufzuwecken und ihnen klar zu machen, dass sie so ein junges Mädchen nicht mit all der Verantwortung alleine lassen dürfen. Dass sie nicht die Augen davor verschließen dürfen, nur um die Wahrheit nicht ertragen zu müssen.
Vor allem Emelys innere Zerrissenheit war besonders aufwühlend. Weil sie so hin und her gerissen ist zwischen der Liebe, die sie für ihre Mutter empfindet, den schönen Erinnerungen, als es ihrer Mutter noch gut ging, und die Wut darüber, dass die Mutter jetzt nicht mehr wirklich da ist und in ihren guten Momenten Versprechungen macht, die sie dann nicht halten kann. Die Darstellung fand ich so realitätsnah, was sie beim Lesen aber auch so bedrückend macht.
SUCHT BLEIBT OFT UNBEMERKT
Besonders schlimm fand ich wirklich, dass so viele Menschen mit der Familie zu tun haben. Manche merken überhaupt nichts, wie beispielsweise Lehrer oder Nachbarn. Andere wissen Bescheid können aber nichts tun. So wie Emelys Onkel, der für einige Tage in die Wohnung der Familie zieht, um zu helfen, dann aber von der Mutter weggeschickt wird und einfach geht.
Oder der Vater der Familie, der unter der Woche immer beruflich unterwegs ist und nur an den Wochenenden nachhause kommt. Der weiß, was mit seiner Frau los ist, aber die Familie versorgen muss und vielleicht doch nicht ganz versteht, wie sehr Emely unter der Situation und unter der Verantwortung für zwei kleine Geschwister leidet.
Der einzige Mensch, der das Ausmaß des Problems auch nur ansatzweise zu erfassen scheint, ist ausgerechnet ein Kind. Nämlich Mathis, Emelys bester Freunde. Und für mich der eigentliche Star des Buches. Ich wünsche mir wirklich, jedes Kind hätte einen Freund wie Mathis. Denn er erkennt, dass es Emely nicht gut geht und versucht sie mit den unterschiedlichsten Dingen aufzumuntern, ohne sie dazu drängen zu wollen, sich ihm anzuvertrauen. Er ist einfach nur da. Er ist präsent und stützt Emely, bis sie sich wieder von alleine halten kann.
FAZIT
„Silberregen glitzert nicht“ hat mich wie schon das vorherige Buch der Autorin sehr bewegt. Die Thematik finde ich wie bereits erwähnt, gerade in der heutigen Gesellschaft enorm wichtig. Und ich finde es auch wichtig zu zeigen, wie viel Kinder mitten unter uns ertragen müssen und können. Obwohl sie es nicht sollten. Ich hoffe, viele betroffene Kinder, aber auch Freundinnen und Freunde lesen dieses Buch und fühlen sich verstanden und erkennen, wie sie sich oder Freund*innen helfen können. Auf Instagram teilte der mixtvision Verlag einige Hilfsangebote für Betroffene und Angehörige. Die möchte ich an dieser Stelle natürlich auch teilen: KidKit und NACOA Deutschland e.V.