Nur als reine Spannungs-Unterhaltung genügend
Mit diesem Buch bin ich mir uneins. Die Autorin propagiert, Psychotherapeutin zu sein bzw. gewesen zu sein, also gewissermaßen eine Kollegin von mir zu sein. Nach Veröffentlichen von historischen Romanen ...
Mit diesem Buch bin ich mir uneins. Die Autorin propagiert, Psychotherapeutin zu sein bzw. gewesen zu sein, also gewissermaßen eine Kollegin von mir zu sein. Nach Veröffentlichen von historischen Romanen nahm sie nun einen Genre-Wechsel vor mit diesem ersten Kriminalroman, der auf wahren Fällen beruhen soll. Das fand sozusagen mein doppeltes Interesse. Nach Lektüre fällt mein Urteil allerdings sehr gemischt aus, leider.
Die Handlung in Kürze: Die Protagonistin Lily Brown, einstens Polizeipsychologin, hat sich als Psychotherapeutin in Canterbury niedergelassen. Wir lernen ihre ersten Patientinnen kennen. Da ist zum Beispiel Vera, die unter Panikattacken leidet. Oder Samantha, die von ihrem gewalttätigen Ehemann nicht loskommt. Als Vera tot aufgefunden wird und alle Welt an Selbstmord glaubt, stellt Lily eigenmächtig Nachforschungen an, nicht ohne selbst in Lebensgefahr zu geraten.
Ganz grundsätzlich ist der Krimi durchaus spannend geschrieben. Er liest sich schnell, die kurzen Kapitel verleiten zum ständigen Weiterlesen. Das psychotherapeutische Fachwissen der Autorin dient als gute Grundlage für eindringliche Schilderungen der Protagonistinnen. Dass die Behandlung von Vera im Buch so unrealistisch schnell erfolgreich als abgeschlossen gilt, war laut der persönlichen Aussage der Autorin dem Spannungsaufbau des Buches geschuldet. An anderer Stelle betont die Autorin wiederum, dass die geschilderten Interventionen ihrer realen Tätigkeit als Traumatherapeutin völlig entsprechen. Das finde ich persönlich nicht optimal, denn Leser, die selbst unter Panikattacken leiden, könnten dadurch eine völlig unrealistische Vorstellung von der in der Wirklichkeit sehr, sehr langwierigen Behandlung gewinnen. Was mich jedoch am meisten enttäuscht hat, ist der Schreibstil. Auf der einen Seite gibt es eine Fülle von Schachtelsätzen, an denen sicher viel gefeilt worden ist, die aber genau dadurch jede Ursprünglichkeit im Erzählen verloren gehen lassen. Außerdem finden sich weitschweifig dargestellte und damit unnatürliche Dialoge, die die Spannung immer wieder unnütz unterbrechen. Und leider wird in einem oftmals recht einfachen, fast möchte ich sagen schlechten Deutsch erzählt. Das ist sehr schade.
Fazit: Wer dieses Buch als reine Unterhaltung liest, ist sicher gut damit bedient. Einem etwas höheren Anspruch, sowohl inhaltlich als auch schriftstellerisch, wird das Buch leider nicht gerecht.