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Veröffentlicht am 30.11.2023

Gibt es Taten, die unverzeihlich sind?

Was wir nie verzeihen
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Wer hat es darauf abgesehen, in der kleinen finnischen Stadt Pori betagte Kriegsveteranen zu überfallen und zu ermorden? Mit dieser Frage beschäftigt sich die Ermittlergruppe um Jari Paloviita, Henrik ...

Wer hat es darauf abgesehen, in der kleinen finnischen Stadt Pori betagte Kriegsveteranen zu überfallen und zu ermorden? Mit dieser Frage beschäftigt sich die Ermittlergruppe um Jari Paloviita, Henrik Oksman und Linda Toivonen in dem dritten Band der River Delta Reihe mit dem Titel „Was wir nie verzeihen“.

Die Täter gehen professionell und brutal vor, Spuren führen in die Vergangenheit der Opfer, die als junge Männer im 2.Weltkrieg von der deutschen Waffen-SS rekrutiert und an die Ostfront geschickt wurden. In Rückblicken werden Albert Kangasharjus Gedanken und Erlebnisse aus dieser Episode seines Lebens geschildert.

Der Krimi greift ein wenig bekanntes Kapitel der finnischen Geschichte auf, insbesondere die Rückblicke lassen die Frage aufkommen, inwieweit man nach so vielen Jahren die Handlungen der Soldaten damals verurteilen kann, und ob eine Strafe nach so langer Zeit gerechtfertigt ist.

Hier liegt die Stärke der Geschichte, die ansonsten nicht an die Komplexität der ersten beiden Bände heran reicht. Vielleicht liegt es auch daran, dass diesmal die Ermittler nicht persönlich in den Fall involviert sind. Zwar wird unter anderem die private Geschichte Jaris thematisiert, der mit seiner Lebenssituation unzufrieden ist, und in dessen Ehe es gerade kriselt, er ist von den Ermittlungen jedoch nur mittelbar betroffen. Je mehr er über die Vergangenheit Albert Kangasharjus erfährt, umso mehr beschäftigt ihn nicht nur das Dilemma der moralischen Bewertung des Falles, sondern er stellt auch seine eigene Lebenssituation infrage.

Es ist mir diesmal schwergefallen, für einen der Charaktere Sympathien zu entwickeln, Jari wirkt oft resigniert bis deprimiert, seine Handlungen und hier insbesondre sein Verhalten innerhalb der Familie sind für mich nicht nachvollziehbar.

Die Geschichte ist spannend erzählt, auch wenn früh klar ist, wer hinter den Angriffen steht. Insbesondere die beklemmende Stimmung in den Rückblicken und der sich wandelnde Blick auf Albert Kangasharju macht das Buch für mich bemerkenswert.

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Veröffentlicht am 21.11.2023

ein Leben für ein Leben?

VITA
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n ihrem aktuellen Roman „Vita“ schafft die Autorin Christina Dalcher erneut ein interessantes fiktives Szenario eines alternativen Amerikas. In ihrer Version wurde ein paar Jahre zuvor die Todesstrafe ...

n ihrem aktuellen Roman „Vita“ schafft die Autorin Christina Dalcher erneut ein interessantes fiktives Szenario eines alternativen Amerikas. In ihrer Version wurde ein paar Jahre zuvor die Todesstrafe zunächst abgeschafft, dann jedoch der sogenannte Remedies Act als Absicherung eingeführt; fordert ein Staatsanwalt für einen Angeklagten die Todesstrafe, und es tauchen nach deren Vollstreckung entlastende Beweise auf, die deren Unschuld beweisen, so wird als Wiedergutmachung der Staatsanwalt ebenfalls hingerichtet.
Justine, die Hauptfigur dieses Romans, hat in ihrer Laufbahn bisher einmal ein Todesurteil gefordert und den Remedies Act unterzeichnet. Und das obwohl sie als ehemalige Mitbegründerin der Vita-Organisation früher als eine leidenschaftliche Gegnerin der Todesstrafe aufgetreten ist. Als sechs Jahre später Hinweise auftauchen, die auf die Unschuld des inzwischen hingerichteten Täters hindeuten, gerät Justines Leben ins Wanken.
Das Thema des Romans ist provokant, in Amerika sicher mehr als in Europa, dennoch wird in verschiedenen Szenen deutlich, wie vielschichtig die Diskussion um die Todesstrafe ist.
Die Autorin lässt ihre Leser hautnah an Justines Gewissenskonflikten teilhaben, zeigt ihre persönliche Entwicklung auf und legt Gründe dar, weshalb Menschen sich für oder gegen die Todesstrafe aussprechen. Parallel kommt in eingeschobenen Kapiteln Jake Milford zu Wort, der in der Todeszelle seine Geschichte aufschreibt und so nach und nach die tatsächlichen Abläufe offenlegt.
Die Schilderungen gehen nahe und machen nachdenklich, die Figuren wirken authentisch, sowohl bei Justine als auch bei Jake habe ich mich jedoch schwer getan, ihre Entscheidungen nachzuvollziehen oder gar zu verstehen. Insgesamt hat mich die Geschichte Jakes und Emilys mehr bewegt als die Justines, die mir zu selbstbezogen war und teilweise sehr aufgebauscht reagiert hat.
Insgesamt ist der Roman aber spannend aufgebaut und schon aufgrund seines kontroversen Themas Wert gelesen zu werden.

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Veröffentlicht am 05.11.2023

ein Krimi mit spannendem Hintergrund vor eisiger Kulisse

Im Herzen so kalt (Ein Fall für Maya Topelius 1)
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Der Krimi „Im Herzen so kalt“ bildet den spannenden Auftakt zu einer neuen Reihe um die schwedische Kriminalinspektorin Maya Topelius, für die bereits die Veröffentlichung zweier Fortsetzungen angekündigt ...

Der Krimi „Im Herzen so kalt“ bildet den spannenden Auftakt zu einer neuen Reihe um die schwedische Kriminalinspektorin Maya Topelius, für die bereits die Veröffentlichung zweier Fortsetzungen angekündigt wird.
In diesem Band reist Maya gemeinsam mit ihrem Kollegen Pär ins winterliche Östersund, um die Kollegen dort bei den Ermittlungen zu der Ermordung eines Umweltaktivisten zu unterstützen. Die örtliche Polizei ist wenig begeistert von der Ankunft der Städter und verhält sich unprofessionell, die Zusammenarbeit leidet unter Vorurteilen auf beiden Seiten. Als ein weiterer Mord geschieht, wächst jedoch die Überzeugung, dass die Fälle nur unter mithilfe der Stockholmer Kollegen gelöst werden können. Während sich die Untersuchungen im Umfeld der Lobby der schwedischen Forstwirtschaft als schwierig erweisen, macht sich Maya Sorgen um eine ihrer besten Freundinnen, die in Stockholm Opfer eines Übergriffes wurde.
Der Krimi schneidet im Rahmen der Ermittlungen einige gesellschaftskritische Themen an, neben den umstrittenen Praktiken im Holzhandel, zu denen mich einige Informationen angeregt haben, mehr darüber nachzulesen, geht es zum Beispiel um Gewalt gegen Frauen.
Die Geschichte liest sich flüssig, die Charaktere sind für meinen Geschmack zum Teil etwas sehr stereotyp geraten, insbesondere David fand ich sehr überzeichnet, vielleicht bin ich da aber auch zu naiv und hatte Glück, dass mir die Begegnung mit derartigen Männern erspart geblieben ist.
Die Ermittlungen sind spannend, verschiedene Verdächtigungen und Lösungsansätze führen zunächst ins Leere, zwischendurch gibt es aber immer mal wieder Längen, wenn zu viel erzählt wird und zu wenig passiert. Vielleicht hätte es der Geschichte gut getan, wenn es zu den Ereignissen in der Vergangenheit Rückblenden mit einer lebendigeren Wiedergabe der Geschehen gegeben hätte.
Dieser Auftaktband ist in sich abgeschlossen, er lässt jedoch einige Fragen zu Mayas Privatleben und einem Geheimnis in ihrer Vergangenheit offen, die neugierig auf eine Fortsetzung machen.

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Veröffentlicht am 20.10.2023

spannend, komplex, brisant

Eine Idee von Mord
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„Eine Idee von Mord“ ist der dritte Band der norwegischen Autorin Anne Holt um ihre Hauptfigur Selma Falck, kann aber durchaus ohne Vorkenntnis der übrigen Bücher gelesen werden. Die Privatermittlerin ...

„Eine Idee von Mord“ ist der dritte Band der norwegischen Autorin Anne Holt um ihre Hauptfigur Selma Falck, kann aber durchaus ohne Vorkenntnis der übrigen Bücher gelesen werden. Die Privatermittlerin Selma Falck sitzt mit zwei Freundinnen in Oslo in einem Straßencafé, als ein Schuss fällt, der Selma in den Arm trifft und ihre Freundin Linda tödlich in den Kopf. Hat Lindas unvermittelte Bewegung im Moment des Schusses verhindert, dass Selma schwerer getroffen wurde? Ihre alte Schulfreundin Linda ist zwar Abgeordnete im Parlament, dort aber eher unbekannt, ganz im Gegenteil zu Selma, die durch Fernsehauftritte und spektakuläre Ermittlungserfolge schon häufiger im Rampenlicht stand. Auch Selma befürchtet, das eigentliche Ziel des Anschlags gewesen zu sein, da sie seit kurzem in ihrer Wohnung von einem Stalker verfolgt wird. Doch dann geschehen weitere Morde und es tauchen Hinweise auf, die auf einen großen Skandal im Bereich der staatlichen Jugendämter hindeuten. Ist Selma doch nur ein zufälliges Opfer? Auch dieser Band ist wieder komplex und vielschichtig, man merkt der Geschichte an, dass die Autorin als Juristin, Ermittlerin und Justizministerin weiß, wovon sie schreibt. Für mich ist es als Nicht-Norwegerin nicht immer einfach, den politischen Anspielungen und Feinheiten zu folgen, das trübt jedoch nicht die Spannung. Als Leser folgt man den Ermittlungen Selmas und der Polizei, trotz einiger Kapitel aus der Sicht des Täters kann man miträtseln und sich von den Entwicklungen überraschen lassen. Auch Lars Winter als Vertreter der Presse ist in diesem Band wieder mit dabei, ebenso wie die großartige Figur Einar Falsens. Selma Falck ist kein einfacher Charakter, sie wirkt oft spröde und unnahbar, ihre Karriere war ihr immer wichtiger als ihre Familie. Doch sie darf auch schwache Seiten zeigen, insbesondere in diesem Band wirkt sie bisweilen verletzlich. Mir hat auch hier wieder die Mischung gefallen aus spannendem Fall und kritischem Blick auf Norwegens Gesellschaft und Politik. Die Stärke der Reihe liegt in den komplexen Fällen ebenso wie in der psychologischen Ebene, in der Intensität, mit der die Autorin die Figuren ihre Eindrücke und Gefühle schildern lässt. In der Hörbuchfassung hat Katja Bürkle wieder einmal der Geschichte mit ihrer ausdrucksvollen Stimme Tiefe gegeben, ich freue mich schon auf eine Fortsetzung der Reihe.

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Veröffentlicht am 08.10.2023

eine Frau und ihre Rolle im Kampf gegen Polio

Die Formel der Hoffnung
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Polio als Krankheit ist mir ein Begriff, mir war jedoch nicht bewusst, wie sehr die Krankheit in der Mitte des 20.Jahrhunderts das Leben in Amerika beeinflusst hat und wie viele Kinder dort erkrankt sind. ...

Polio als Krankheit ist mir ein Begriff, mir war jedoch nicht bewusst, wie sehr die Krankheit in der Mitte des 20.Jahrhunderts das Leben in Amerika beeinflusst hat und wie viele Kinder dort erkrankt sind. Durch Corona haben wir vor kurzem die Auswirkungen einer Pandemie am eigenen Leib spüren können, zu unserem Glück erfolgte die Entwicklung eines Impfstoffs deutlich schneller als in der damaligen Zeit.
Lynn Cullen widmet sich in ihrem Roman „Die Formel der Hoffnung“ der Rolle einer Wissenschaftlerin bei der Entwicklung eines Impfstoffs gegen Polio, über die in der Öffentlichkeit wenig bekannt ist. In den 40er und 50er Jahren waren weibliche Ärztinnen und Wissenschaftlerinnen eher die Ausnahme, wurden von der dominanten Männerwelt wenig akzeptiert und an den Rand gedrängt. Dorothy Horstmann, die im Mittelpunkt dieser Geschichte steht, stammte zudem aus einfachen Verhältnissen, so dass ihr helfende Kontakte fehlten und sie hart um Anerkennung kämpfen musste. Sie hat die Forschung nach einem Heilmittel gegen Polio in den Mittelpunkt ihres Lebens gestellt und für dieses Ziel ihr privates Glück in den Hintergrund treten lassen. Der Roman macht deutlich, wie sie in ihren Forschungen immer wieder ausgebremst wird, Gelder an männliche Kollegen verteilt werden, und Männer den Erfolg ihrer Ergebnisse einstreichen, während sie an den Rand gedrängt wird. Ähnlich ergeht es auch anderen weiblichen Forscherinnen, deren Erkenntnisse zum Teil bahnbrechend waren, die in der Geschichte der Entwicklung des Impfstoffs aber kaum auftauchen.
Der Roman ist interessant und bietet viele neue Einblicke in die medizinische Forschung ohne dabei zu wissenschaftlich zu werden. Andererseits legt er für meinen Geschmack bisweilen den Fokus zu sehr auf das Privatleben Dorothys aber auch der anderen Ärzte. Es entsteht so ein lebendiges Bild der Zeit, das Buch bekommt jedoch Längen, wenn ähnlich geartete gesellschaftliche Ereignisse wiederholt auftreten. Die Autorin orientiert sich an tatsächlichen Persönlichkeiten und geschichtlichen Ereignissen, die Ausschmückung der Szenen ist fiktiv. Es hat mich hier wie schon in „Eine Frage der Chemie“ von Bonnie Garmus fassungslos gemacht, mit welcher Selbstgerechtigkeit die Männer der damaligen Zeit die Leistungen der Frauen herabgesetzt haben.
Die Liebesgeschichte, die die Autorin für Dorothy zu dem Roman erfunden hat, ist in meinen Augen zu kitschig geraten, macht sie zwar emphatisch, setzt aber zu sehr den Fokus auf das Private als auf ihre wissenschaftlichen Leistungen.

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