Profilbild von SimoneF

SimoneF

Lesejury Star
online

SimoneF ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit SimoneF über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 11.10.2023

Von Trollen und Riesen

Norwegische Märchen
0

Die Märchen der Gebrüder Grimm oder von Hans Christian Andersen kennt wohl jeder noch aus seiner Kindheit, doch Märchen aus Norwegen waren mir bisher nicht untergekommen,  so dass ich sehr gespannt auf ...

Die Märchen der Gebrüder Grimm oder von Hans Christian Andersen kennt wohl jeder noch aus seiner Kindheit, doch Märchen aus Norwegen waren mir bisher nicht untergekommen,  so dass ich sehr gespannt auf diese Sammlung klassischer norwegischer Märchen war, die Peter Christian Asbjørnsen und Jørgen Moe im 19. Jahrhundert zusammengetragen haben. Insgesamt enthält das Buch über 50 Geschichten ganz unterschiedlicher Länge. Einige erinnern entfernt an hierzulande ebenfalls bekannte Märchen, so weist etwa "Die Tochter des Mannes und die Tochter der Frau" Parallelen zu "Frau Holle" auf und "Der Herr Peter" hat Ähnlichkeit mit "Der gestiefelte Kater". Die Sprache der Märchen ist altertümlich, und viele Begriffe wie Muhme, Gevatterin, Dirne u.ä. sind heute nicht mehr gebräuchlich. Als Vorlesebuch für Kinder eignet sich das Buch daher auch eher nicht, sondern ist vielmehr eine interessante und empfehlenswerte Sammlung für Erwachsene.





  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.10.2023

Spannende Dystopie

Memoria
0

Memoria beschreibt ein dystopisches Szenario in Deutschland in einer nahen Zukunft. Der Klimawandel sorgt für Extremereignisse, Waldbrände sind an der Tagesordnung, die Gesellschaft spaltet sich weiter ...

Memoria beschreibt ein dystopisches Szenario in Deutschland in einer nahen Zukunft. Der Klimawandel sorgt für Extremereignisse, Waldbrände sind an der Tagesordnung, die Gesellschaft spaltet sich weiter auf. Die Mittelschicht verschwindet, Reiche schotten sich durch Security ab, während Arme in ehemaligen Firmengebäuden hausen.

Die Hauptfigur Harriet rettet bei einem Waldbrand einer alten Frau das Leben, die sie mit Namen anspricht und offenbar zu kennen scheint, doch Harriet ist diese Frau völlig fremd. Diese seltsame Begebenheit beschäftigt Harriet und lässt sie nicht mehr los. Sie versucht mit aller Macht, sich zu erinnern, doch je stärker sie ihr Gedächtnis bemüht, desto weniger greifbarer werden ihre Erinnerungen. Erinnerungen und Träume verschwimmen zusehens miteinander, und Harriet beschließt, nach München an den Ort ihrer Kindheit zurückzukehren, in der Hoffnung, dort Klarheit zu finden.

Der Schreibstil ist flüssig und angenehm zu lesen, aber eher nüchtern, und so blieb ich auch zu Harriet und den weiteren Figuren emotional eher auf Distanz. Da diese erzählerische Kühle in gewissem Sinne aber gut zu der dargestellten Gesellschaft passt, empfand ich dies nicht als störend. Die Geschichte ist spannend erzählt, und auch wenn ich Teile der Auflösung relativ früh ahnte, hat mich der Roman bis zum Schluß gepackt.

Als klassischen Thriller sehe ich Memoria nicht, eher als spannende Klima- und Wissenschaftsdystopie, die zum Nachdenken anregt.


  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.10.2023

Schöne Geschichte a la Dickens

Die Nacht, in der ich Weihnachten rettete
0

Der kleine Jackson will es wissen. Gibt es den Weihnachtsmann nun wirklich, oder nicht? Und so bleibt er in der Nacht auf den 25. Dezember wach und wartet....

"Die Nacht, in der ich Weihnachten rettete" ...

Der kleine Jackson will es wissen. Gibt es den Weihnachtsmann nun wirklich, oder nicht? Und so bleibt er in der Nacht auf den 25. Dezember wach und wartet....

"Die Nacht, in der ich Weihnachten rettete" von Ben Miller ist eine sehr schöne Einstimmung auf Weihnachten, die unverkennbare Parallelen zu Charles Dickens Weihnachtsgeschichte um Ebeneezer Scrooge aufweist und diese mit der magischen Welt der Elfen und der Frage nach der Existenz des Weihnachtsmannes verbindet. Die zum Teil für Kinder recht gruseligen Elemente bei Dickens schwächt Miller ab und bringt stattdessen sogar etwas Humor ins Spiel. So hat uns der vorwitzige Rudolph besonders gut gefallen und wir hätten am liebsten noch mehr Szenen mit ihm gehabt.

Da Ben Miller Brite ist, entsprechen die Weihnachtsbräuche und die Vorstellung vom Weihnachtsmann im Buch dem angelsächsischen Raum - der Weihnachtsmann kommt in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember auf dem Schlitten mit seinen neun Rentieren angesaust, rutscht durch den Schornstein, bringt die Geschenke, füllt die bereithängenden Strümpfe am Bett und freut sich über eine bereitgestellte Stärkung aus Whiskey und Minz-Pie. Das war für meinen Sohn, der nach hiesiger Tradition mit Heiligem Abend,  Christkind und St. Nikolaus aufgewachsen ist, teilweise fremd.

Was ich an den Büchern des ars Verlages schon seit vielen Jahren sehr schätze, sind - neben den wirklich tollen Geschichten - auch immer wieder die sehr liebevoll und aufwändig gestalteten Illustrationen und Cover.  Bei Kinderbüchern ist das für mich ein wichtiger Punkt. Auch die schwarz-weissen Zeichnungen von Daniela Jaglenka Terrazzini in diesem Buch sind wunderbar gelungen und sehr detailreich. Sie passen ganz hervorragend zum nostalgischen Flair der Elfengeschichte.

Insgesamt eine sehr stimmungsvolle und kurzweilige Weihnachtsgeschichte, die sich auch sehr gut zum Vorlesen in der Adventszeit eignet. Da Miller doch recht viele Anleihen bei Dickens genommen hat, ziehe ich einen Stern ab und vergebe 4 Sterne.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 07.10.2023

Tolle Grundidee, mit Schwächen in der Umsetzung

Die Stadt der kleinen Wunder
0

Alfred geht in die dritte Klasse und ist viel allein daheim. Sein Vater ist ständig auf Reisen, und wenn er zuhause ist, nimmt er Alfred kaum wahr. Die Mutter ist seit Jahren verschwunden. Eines Nachts ...

Alfred geht in die dritte Klasse und ist viel allein daheim. Sein Vater ist ständig auf Reisen, und wenn er zuhause ist, nimmt er Alfred kaum wahr. Die Mutter ist seit Jahren verschwunden. Eines Nachts ist er wieder einmal allein, schlaflos und hungrig, als ihm jemand eine Zeitung und Essen durch den Briefschlitz wirft. Es ist Amanda, die die Gabe hat, "vergesse Kinder" zu spüren. Alfred geht mit Amanda mit und darf bei ihr bleiben. Gemeinsam schmieden sie Pläne, wie sie den anderen "vergessenen Kindern" helfen können. Hierzu nutzen sie unter anderem einen uralten Funksender fürs Radio, den sie bei Amanda auf dem Speicher finden. Alfred fühlt sich in dem gemütlichen Haus wohl, doch was passiert, wenn sein Vater nach Hause kommt?

Die Grundidee des Buch gefällt mir richtig gut. Vernachlässigte Kinder sind ein wichtiges Thema, und das Buch hebt sich dadurch inhaltlich von der Masse der üblichen Fantasy-Geschichten ab. Amanda Haus und Garten sind heimelig beschrieben, und auch die verschiedenen Nöte der "vergessenen" Kinder sind gut dargelegt. Alfred ist ein sympathischer Protagonist, und Amanda ist zwar etwas schwer zu greifen und eigenbrötlerisch, aber hat das Herz auf dem rechten Fleck. Dennoch hat mich das Buch nicht 100%ig überzeugt. Das liegt zum einen daran, dass insbesondere Alfreds Vater stark überzeichnet ist und äußerst unlogisch handelt. So meldet er Alfred persönlich in der Schule krank und befestigt gleichzeitig Suchplakate von Alfred direkt vor der Schule. Auch das Handeln von Alfreds Lehrer und seine Rechtfertigungen hierfür sind ziemlich abstrus. Einige Dialoge sind dementsprechend sehr unglaubwürdig. Bei Amanda frage ich mich, woher sie die detaillierten Informationen über die Lebensumstände der Kinder hat, da sie zwar spüren kann, wenn ein Kind Sorgen hat, aber nicht den Grund hierfür. Insgesamt bleiben alle Charaktere recht eindimensional, so dass es mir schwer fiel, mit der Geschichte warm zu werden und komplett abzutauchen. Ich vermisse auch überraschende Wendungen im Plot, irgendwie plätschert die Geschichte so vor sich hin. Auch aus den Radiosendungen hätte man inhaltlich noch mehr machen können.

Fazit: Insgesamt ein interessantes Buch zu einem wichtigen Thema, das die ausgetreten Pfade der Fantasy-Geschichten verlässt, aber leider sein Potenzial nicht vollends ausgeschöpft hat.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 01.10.2023

Schwedischer Generationenroman

Mein Herz ist eine Krähe
0

"Mein Herz ist eine Krähe" von Lina Nordquist besteht aus zwei Handlungssträngen in verschiedenen Zeitebenen, die sich kapitelweise abwechseln.

Im ersten erzählt Unni aus der Ich-Perspektive in Gedanken ...

"Mein Herz ist eine Krähe" von Lina Nordquist besteht aus zwei Handlungssträngen in verschiedenen Zeitebenen, die sich kapitelweise abwechseln.

Im ersten erzählt Unni aus der Ich-Perspektive in Gedanken ihrem Sohn Roar ihre Geschichte. Sie beginnt 1898 mit ihrer Flucht aus Norwegen nach Schweden, zusammen mit dem einjährigen Roar und ihrem Geliebten Armod, enthält Rückblenden auf Unnis Vorgeschichte und beschreibt das Leben, das die kleine Familie sich mühsam und entbehrungsreich in Schweden in einer verlassenen Bauernkate aufgebaut hat.

Der zweite Handlungsstrang spielt kurz nach Roars Tod im Jahr 1973 (was sich aus der beiläufig erwähnten Geiselnahme in  Norrmalmstorg entnehmen lässt). Ich-Erzählerin ist hier Kara, die Schwiegertochter Roars, eine depressive, angstkranke und unglückliche Frau, die zusammen mit Roars Frau Bricken in der alten Bauernkate lebt. Nach und nach erfährt man mehr über Karas Leben und Gedanken, die vergangenen Jahre seit ihrer Hochzeit mit Roars Sohn Dag und über ihre dunklen Geheimnisse.

Die Figur von Roar ist das Bindeglied beider Stränge, und neben Unni und Kara die Hauptfigur des Romans.

Unni und Kara sind grundverschieden, was sich auch in unterschiedlichen Erzählstilen widerspiegelt. Unnis Schilderungen sind kraftvoll, bildhaft, voller Liebe, während Karas Part düster, voller Unzufriedenheit und Bitterkeit ist. Ich muss sagen, dass ich mich immer sehr auf die Unni-Kapitel gefreut habe, die packend und einfühlsam erzählt sind. Unnis Geschichte hat mich sehr berührt, ihr Glück im Kleinen, die Schicksalsschläge, die sie trafen, das harte Leben in Armut und die Grausamkeiten, die sie ertragen musste, und die zeigen, wie wenig ein Frauenleben zu Beginn des 20. Jahrhunderts zählte.

Karas Passagen empfand ich hingegen als recht langatmig. Hier hätte sich die Autorin für meinen Geschmack deutlich kürzer fassen dürfen. Ich hatte den Eindruck, dass diese Kapitel künstlich in die Länge gezogen wurden, um beiden Erzählungen einen gleichen Anteil zu geben. Hierdurch wiederholt sich in den Kara-Kapiteln vieles, seitenweise werden Dinge angedeutet, die man als Leser*in längst durchschaut hat. Erschwerend kommt hinzu, dass mir Kara von Anfang an sehr unsympathisch war und ich ihr Lamentieren und ihr Selbstmitleid nur schwer ertragen konnte.

Lina Nordquists Sprache ist sehr bildhaft, teilweise poetisch, voller detaillierter Beschreibungen und Vergleiche, und insbesondere in Unnis Kapiteln hoch emotional. Das ist meistens sehr schön zu lesen, wirkt an manchen Stellen aber doch etwas dick aufgetragen. Das ist aber sicherlich Geschmackssache, ich bevorzuge eher eine klar-nüchterne Sprache.

Fazit: Ein lesenswerter Generationen-Roman, insbesondere für Liebhaber poetischer Sprache, mit einem fesselnden ersten und einem etwas langatmigen zweiten Erzählstrang.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere