Mir persönlich zu religiös
AnimaEyota murmelte etwas in der Sprache ihrer Vorfahren. Ich verstand die Worte nicht, merkte jedoch, wie beunruhigt sie war. "Du machst mir Angst. Wir haben über Gott und die Welt geredet. Hier war und ist ...
Eyota murmelte etwas in der Sprache ihrer Vorfahren. Ich verstand die Worte nicht, merkte jedoch, wie beunruhigt sie war. "Du machst mir Angst. Wir haben über Gott und die Welt geredet. Hier war und ist niemand. Jetzt komm schon. Das Wasser hat höchstens fünf Grad."
Ein Schauer überzog meinen Rücken. Nicht nur wegen der Kälte. Ich war mir sicher gewesen, auch Eyota hätte ihn gesehen. Sie hatte mich doch erst auf ihn aufmerksam gemacht. Wir hatten doch über ihn geredet!
Irgendetwas stimmte nicht. Entweder mit ihr oder mit mir. Willenlos ließ ich mich aus dem Wasser ziehen.
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INHALT:
Wie jedes Jahr verbringt Abby den Sommer mit ihrer Familie im Nationalpark Acadia, der wie eine zweite Heimat für sie ist. Doch dieses Mal ist alles anders: Nachdem der Neuankömmling Juspinn als Magier angestellt wird, beginnen sich die sonst so freundlichen Menschen zu verändern; Hass, Neid und Betrug spalten die Gemeinschaft. Abby ahnt bald, dass dies etwas mit Juspinn zu tun hat, aber auch sie kann sich seiner Anziehung nicht erwehren. Und sie ahnt nicht, wie gefährlich ihre Gefühle für ihn sind...
MEINE MEINUNG:
"Anima" ist Kim Kestners erster gedruckter Roman, nachdem sie zuvor eine Trilogie im Imprint "Impress" des Carlsen-Verlages veröffentlichte. Ihr neuer Roman ist wieder Fantasy und verspricht, mit Gut und Böse zu spielen und infrage zu stellen, inwiefern das eine ohne das andere existieren kann. Erzählt wird die Geschichte fast ausschließlich aus der Ich-Perspektive von Abby, manchmal kommt auch Juspinn zu Wort. Die Beschreibungen der Natur sind wunderschön und mitreißend, die Dialoge wirken aber teil ein wenig holprig und unnatürlich.
Abby war ein für mich relativ schwieriger Charakter, weil sie so perfekt ist. Sie hat die reinste Seele von allen, will grundsätzlich nur helfen und kann in niemandem etwas Übles sehen. Sie hat zwar einen eigenen Willen, lässt sich diesen aber insbesondere von Juspinn häufig ausreden. Dafür hat sie mir in den Momenten, in denen sie ihm die Stirn bot, aber besonders gefallen. Mit Juspinn dagegen bin ich gar nicht klar gekommen - und das lag nicht nur an seiner Unfreundlichkeit. Er ist zusätzlich auch noch extrem von sich überzeugt und ein schrecklicher Besserwisser - jedes Mal, wenn er Abby tadelt, weil sie sich in irgendeiner Weise wiederholt, wollte ich schier aus der Haut fahren. Interessant dagegen fand ich seine böse, undurchsichtige und gefühlskalte Schwester Maria, die einem mit ihrer Art immer wieder Schauer über den Rücken jagt. Und die Nebenfiguren lernt man zwar größtenteils nur während ihrer Veränderung zum Schlechten kennen, von diesen konnte ich mich jedoch mit Abbys Freundin Eyota am meisten identifizieren, von der ich auch gern mehr erfahren hätte.
Eigentlich hätte das alles so gut sein können: Das Geheimnis, das Juspinn umgibt und das offensichtlich starke negative Auswirkungen auf Menschen hat, der Kampf von Gut und Böse, und die Liebesgeschichte zwischen einer reinen und einer verdorbenen Seele. Aber gerade letzterer Aspekt beginnt schnell zu nerven, denn wie man das von Jugendbüchern gewohnt ist, beginnt die Protagonistin dem Love-Interest schnell permanent hinterher zu laufen. Der Grund dafür wird zwar erklärt, das hilft einem aber trotzdem nicht, die Anziehung besser zu verstehen, denn diese ist größtenteils einfach nicht spürbar. Das mag auch daran liegen, dass Juspinn so unsympathisch und Abby so naiv ist, bei mir kamen die Gefühle jedenfalls einfach nicht an.
Hinzu kommt, dass ich persönlich nicht mit einer Geschichte gerechnet habe, in der es so "religiös" zugeht - das sage ich so schwammig, um nicht zu spoilern, was hinter den Geheimnissen steckt. Ich bin Atheistin und lese daher auch Bücher, in denen es um Engel geht, oftmals bewusst nicht. Denn obwohl Abby, die ja Tochter des Reverends ist, oft betont, wie aufgeschlossen doch alle sind, gibt es eben doch die ein oder andere Szene, besonders zum Ende hin, die mir in dem Bereich zu viel war. Davon abgesehen ist aber immerhin der Showdown aufregend und überraschend, sodass man zumindest am Ende noch einmal richtig mitgerissen wird, auch wenn der Schluss vorhersehbar ist. Und wer dem Göttlichen nicht unbedingt abgeneigt ist, wird hier vielleicht auch mehr Freude haben.
FAZIT:
Mein Hauptproblem mit Kim Kestners "Anima" war zum einen die Liebesgeschichte, die durch die Figuren nicht bei mir ankam, und zum anderen die Religiosität, die ich so nicht erwartet hatte. Sie dominiert den Inhalt nicht, aber Erklärungen und Geschehnisse konnte ich so einfach nicht nachvollziehen und verstehen, weil ich nicht daran glaube. Mit diesem Vorwissen wäre möglicherweise anders an den Roman herangegangen - so gibt es leider nur knappe 2,5 Punkte, abgerundet auf 2.