Profilbild von walli007

walli007

Lesejury Star
offline

walli007 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit walli007 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.10.2023

Schneegestöber

Mord im Christmas Express
0

Die ehemalige Polizisten Roz hat von ihren Kollegen eine Fahrt erster Klasse im Weihnachts-Express nach Schottland geschenkt bekommt. Sie möchte zu ihrer Tochter und deren Partnerin. Die beiden erwarten ...

Die ehemalige Polizisten Roz hat von ihren Kollegen eine Fahrt erster Klasse im Weihnachts-Express nach Schottland geschenkt bekommt. Sie möchte zu ihrer Tochter und deren Partnerin. Die beiden erwarten minütlich ihr erstes Kind und Roz hofft, pünktlich zur Geburt dort zu sein. Das Schneegestöber behindert jedoch den Bahnverkehr und der Zug startet mit Verspätung. Auf der Fahrt denkt Roz immer wieder an die Vergangenheit und dass sie es nicht leicht mit ihrer Mutter hatte und mit ihrer Tochter. Schottland soll ein Neuanfang werden. Nach und nach lernt sie die anderen Passagiere kennen. Einige sind ihr sofort sympathisch, auf andere Bekanntschaften könnte sie auch verzichten.

Achtzehn Passagiere und ein Mord könnte man nach den ersten Kapiteln denken. Doch zunächst entwickelt sich die Fahrt eher ruhig, auch wenn Roz schnell merkt, dass die bekannte Influencerin nicht alles offenbart. Ihr Partner Grant scheint einer zu sein, dem man nicht im Dunkeln begegnen möchte. Die nette alte Dame Mary mit Sohn und Kater ist da viel sympathischer. Die vier jungen Leute wirken wie ein eigenes Völkchen. Und Phil und seine Familie machen einen leicht chaotischen Eindruck. Zu Craig von der Staatsanwaltschaft hat Roz sofort einen Draht. Als dann jemand tot aufgefunden wird, muss Roz unbedingt ermitteln.

Soweit es sich herausfinden lässt, schreibt die Autorin zwar Weihnachtskrimis, aber keine Reihen. Falls man bei dem Setting einen Gedanken an einen Cozy-Crime hegen sollte, könnte es sein, dass man sich irrt. Es handelt sich hier schon um einen Kriminalroman, der zu sehr ernsten Themen eine eindeutige Meinung kundtut. Schon nach dem Lesen des Prologs ist man angefixt und will einfach mehr wissen. Auch wenn sich die Geschichte nicht so anheimelnd entwickelten wie gehofft, so ist es doch sehr spannend zu lesen, wie Roz die Geschehnisse nach und nach entschlüsselt. Dabei muss sie selbst noch einiges ertragen und sich der Vergangenheit stellen. Man verrät nicht zu viel, wenn man sagt, am Ende kommt der Zug an. Was zwischen Abfahrt und Ankunft liegt, ist eine Entdeckung wert.

Die liebevolle und weihnachtliche Stimmung verbreitende Gestaltung des Covers wird diesen Roman bestimmt auf etlichen Gabentischen landen lassen.

Veröffentlicht am 14.10.2023

Team Europa

Taubenschlag
0

Als in Berlin ein alter Tunnel kartographiert werden soll, entdecken die Arbeiter mehrere Tote, die offensichtlich schon vor langer Zeit umgekommen sind. Beinahe zur gleichen Zeit wird in Rudi Lehmanns ...

Als in Berlin ein alter Tunnel kartographiert werden soll, entdecken die Arbeiter mehrere Tote, die offensichtlich schon vor langer Zeit umgekommen sind. Beinahe zur gleichen Zeit wird in Rudi Lehmanns Revier eine Leiche gefunden, die mutmaßlich gefoltert und hingerichtet wurde. Spätestens nach einem ähnlichen Leichenfund wird klar, hier muss das Team Europa ran und über eine Organisation, über die die Zusammenarbeit europäischer Teams koordiniert wird, wird Lykke Teit nach Flensburg geholt, um bei der Untersuchung des Falles zu helfen. Zunächst gilt es herauszufinden, ob es zwischen den Toten eine Gemeinsamkeit gibt.

Rudi Lehmann und Lykke Teit treten hier zu ihrem zweiten Fall an. Schon beim ersten Zusammentreffen haben sie sich ausgesprochen gut verstanden. Und so ist die Freude über das Wiedersehen groß. Gleich beginnen die liebevollen Frotzeleien zwischen dem älteren Kommissar, für den die junge Kollegin fast wie eine Tochter ist. Und endlich gibt es auch ein Treffen zwischen Lykke und Rudis Frau Beate, mit der sich Lykke ebenfalls gut versteht. Auch der Fall nimmt viel Zeit in Anspruch. Die Umstände der Tode sind rätselhaft und erst die Besitzerin eines Hauses, in dem ein Toter gefunden wurde, kann einen Hinweis geben.

Dieser Krimi wirkt genauso hyggelig wie man sich die Welt wünschen würde. Zwei Ermittler, die keinen Streß haben, obwohl es auch in ihrem Leben Ereignisse gab, die nicht leicht zu ertragen sind. Man liest mit einem Lächeln insbesondere die Passagen, in denen Lykke und Rudi interagieren. Doch auch die Mordfälle bieten einiges, als die Gemeinsamkeit gefunden ist, geht es in die deutsche Geschichte. Ein spannendes und leider unrühmliches Kapitel wird aufgeschlagen, über das nicht so viel bekannt ist. Immer noch gibt es aus der Vergangenheit Dinge aufzuarbeiten. Wie schwer das ist, wird hier sehr deutlich. Auch wenn es zum Ende hin etwas holterdipolter geht, so handelt es sich hier um einen spannenden und lesenswerten Kriminalroman mit einem Team von Ermittlern, von denen man gerne mehr lesen möchte. Auf die Bundesländer- und Ländergrenzen überschreitende Zusammenarbeit. Überhaupt von Zusammenarbeit darf es gerne mehr geben.

Veröffentlicht am 13.10.2023

Moorhexen

Als wir an Wunder glaubten
0

Nach dem zweiten Weltkrieg ist das Leben nicht leicht im Norden Deutschlands. Die Menschen müssten sich ihrer Schuld stellen. Lieber stecken sie jedoch den Kopf in den Sand. Edith Abel hat keine Hoffnung ...

Nach dem zweiten Weltkrieg ist das Leben nicht leicht im Norden Deutschlands. Die Menschen müssten sich ihrer Schuld stellen. Lieber stecken sie jedoch den Kopf in den Sand. Edith Abel hat keine Hoffnung mehr, dass ihr Mann wieder zurückkehrt. Ihre Tochter Betty ist ein kluges Mädchen, die hin und wieder mal eine Suppe zur Guste bringt. Zwar ist Guste als Dorfhexe verschrieen, aber sie erzählt die schönsten Geschichten. Auch Annies Mann ist vermisst und mit ihrem Sohn Willi hat sie es nicht leicht, denn er ist etwas zurückgeblieben und spricht nicht. Und eines Tages kommt doch noch ein Kriegsheimkehrer ins Dorf.

Ein Dorf wie wahrscheinlich viele, Unnenmoor in Norddeutschland. Etlichen Frauen fehlt der Mann, der gleichzeitig ein Täter und auch ein Opfer war. Die wenigen, die daheim bleiben durften, haben sich mitunter noch mehr zuschulden kommen lassen. Wenn da einer mit überzeugenden Worten kommt, glaubt man gerne. Vielleicht auch an Moorgeister, Hexen und das Wort des Herrn. Doch was, wenn nicht mehr unterschieden wird zwischen dem was sein kann, was hilft und was dann doch ehr Unsinn ist. Edith und Annie waren lange befreundet. Betty und Willi kommen gut miteinander aus. Doch ein Möchtegern Prediger bringt Missgunst, Niedertracht und Streit.

Insbesondere zu Beginn besticht dieser Roman mit seinen Beschreibungen der Situation in der Nachkriegszeit. Verzweiflung und Armut, aber auch ein kleines Glück, eine stille Übereinstimmung zwischen Alt und Jung. Die Beschreibung des Daseins von Kriegsversehrten, die krank, gehandicapt oder auch mit Gedächtnisverlust zu kämpfen haben. Das beeindruckt und zeiht einen in die Handlung hinein. Wenn es aber später darum geht, dass sich Menschen gewissermaßen selbst den Kopf vernageln, dann kann man das manchmal nicht nachvollziehen. Zwar gibt es auch im wahren Leben Beispiele genug, dass Menschen Spökenkiekereien glauben, doch auch davor steht man etwas ratlos. Dennoch hinterlässt der Roman einen bleibenden Eindruck. Es wird untermauert, dass Krieg Folgen hat und dass Krieg wirklich nicht erstrebenswert ist.

Das Hörbuch wird klasse und schön mit norddeutschem Einschlag vorgetragen von Katja Danowski.

Veröffentlicht am 11.10.2023

Grashüpfer

Die dunklen Fälle des Harry Dresden - Verrat
0

Es ist echt der Hammer. Donald Morgan, Harry Dresdens Intimfeind unter den Mitgliedern des weißen Rates, steht plötzlich schwer verletzt vor Harrys Tür. Harry wirft alle Ressentiments über Bord und nimmt ...

Es ist echt der Hammer. Donald Morgan, Harry Dresdens Intimfeind unter den Mitgliedern des weißen Rates, steht plötzlich schwer verletzt vor Harrys Tür. Harry wirft alle Ressentiments über Bord und nimmt Morgan auf. Dieser wird bezichtigt ein weiteres Mitglied des Rates umgebracht zu haben. Ihm droht ein Verfahren und die Todesstrafe. Mal wieder kann Harry nicht anders als zu helfen. Allerdings kann er sich schon nicht vorstellen, wer einem weißen Rat den Tod wünschen sollte. Der Kampf mit den verschiedenen Strömungen der magischen Welt hat die Mitglieder des weißen Rats und ihrer Hüter geschwächt, deshalb kommt dieses nun wirklich zur Unzeit.

Dieser elfte der dunklen Fälle des Maigers Harry Dresden ist mal wieder anders. Zum ersten Mal geht es in die heiligen Hallen des weißen Rates in Schottland. Schon Harrys Reise dorthin ist interessant. Der Weg per Flugzeug ist ja eher schwierig für ihn, da seine Magie die technischen und elektronischen Geräte durcheinander bringt. So wählt Harry den Weg durch die Zwischenwelt, was zwar gefährlich ist, zeitmäßig aber eine Abkürzung darstellt. Nieman das wissen, dass Morgan bei Harry ist. Das würde Harry selbst in Teufels Küche bringen. Mal wieder muss Harry sowohl um die Ecke denken als auch um die Ecke reden, um dem Rat Informationen über deren Nachforschungen zu entlocken.

Bei dieser dunklen Akte dauert es etwas, bis die Sache Fahrt aufnimmt. Etwas zu ausführlich schildert der Autor die Rahmenbedingungen. Interessant wird es als der Rat ins Spiel kommt und sich mal wieder Bezüge zum weißen Hof ergeben, dessen Mitglieder sich wie immer ambivalent verhalten. Dass Harry es dann noch mit einem wahren Schreckgespenst zu tun bekommt, ist fast ein wenig viel. Man hat nicht den Eindruck, dass in diesem Fall alles enthüllt wird und dennoch ist man gefesselt, weil man wissen will, was es mit dem Mord auf sich hat und wie alles mit dem vermeintlichen Verrat auf sich hat. Vielleicht nicht der beste Band der Reihe, aber doch einer, der die Neugier auf die weiteren Entwicklungen weckt.

Veröffentlicht am 09.10.2023

Eine tolle Nachbarschaft

Was auf das Ende folgt
0

Alle suchen den kleinen Harry. Der Dreijährige ist schon etliche Wochen verschwunden und so langsam ist er nicht mehr in den Schlagzeilen. Seine Mutter Jess lässt aber nicht locker, unermüdlich sucht sie, ...

Alle suchen den kleinen Harry. Der Dreijährige ist schon etliche Wochen verschwunden und so langsam ist er nicht mehr in den Schlagzeilen. Seine Mutter Jess lässt aber nicht locker, unermüdlich sucht sie, hängt Suchplakate auf, geht auch den unmöglichen Spuren nach. Der Polizist Jim ist ebenfalls unermüdlich dabei, das Schicksal des kleinen Jungen aufzuklären. Doch bei Max und Jerry im Fotoladen, dem kurz vor dem Schulabschluss stehenden Manny und seinem Freund Abe, bei Henrietta und Roger und einigen anderen kehrt langsam Normalität ein. Doch nicht alles an dieser Normalität ist ganz so normal.

Was geschieht, nachdem eine Suche beinahe schon aufgegeben ist? Was macht es mit einem Ort, wenn ein kleines Kind verschwunden bleibt? Bleibt der Junge in den Gedanken der Bewohner? Weiß vielleicht doch jemand etwas? Wieso schweigt der Vater? Jim ist aus Boston heimgekehrt, doch seine Heimatstadt hat sich während seiner Abwesenheit verändert. Doch Jim geht alle nochmals durch, findet kleine Widerhaken, Möglichkeiten, Ansätze, die vielleicht nicht genau genug erforscht wurden. Bei seinen Nachforschungen kommen ihm seine Gefühle für Jess meist in die Quere, manchmal beflügeln sie ihn auch. Und Manny, der einen auf Gangster machen möchte, hat es schwer, seine Gegenüber soweit zu bringen, dass sie ihm Schutzgeld zahlen.

Eine Nachbarschaft voller Originale, kann das sein? Wahrscheinlich hat der Autor hier einiges verdichtet. Dennoch ist das Gedankenexperiment um das Verschwinden eines kleinen Jungen und was das mit den ihn umgebenden Personen macht sehr gelungen. Die Menschen haben mit Problemen zu kämpfen, was sie für den Lesenden schnell verdächtig macht. Jess schien schon fast übermäßig vorsichtig, sogar eine Kamera hatte sie im Kinderzimmer. Und trotzdem hat es nichts genutzt. Man ist ganz auf ihrer Seite, obwohl man ihr Verhalten nicht immer versteht. Man mag sich nicht vorstellen, wie es ist ein Kind zu verlieren. Und nicht nur das, auch ihre Ehe ist am scheitern. Die ganze dramatische Geschichte schildert der Autor in seinem Debüt mit nach und nach steigender Spannung. Und fast alle Dorfbewohner haben etwas in ihrem Leben, was sie gerne verborgen halten möchten. Wie langsam alles ans Licht kommt fesselt ungemein.

Ein gelungenes Debüt, das mit einer ungewöhnlichen Erzählung der Verzweiflung aufwartet.