Bis alles stimmt
“Die Lügnerin” von Friedemann Karig zieht den Leser in einen Strudel zwischen Wahrheit und Lüge.
Im Institut sitzt Clara Konrad bei einer psychologischen Beraterin und erzählt ihre Geschichte. Clara ist ...
“Die Lügnerin” von Friedemann Karig zieht den Leser in einen Strudel zwischen Wahrheit und Lüge.
Im Institut sitzt Clara Konrad bei einer psychologischen Beraterin und erzählt ihre Geschichte. Clara ist eine Lügnerin und hat nun damit aufgehört. Die Psychologin ist hin-/hergerissen zwischen dem Glauben an die Wahrheit oder der Lüge.
“Lügen bedeutet nicht immer erfinden. Wir lassen weg,selektieren, kuratieren, übertreiben ein wenig. Bis alles stimmt.” (POS.399)
Da stellt sich die Frage: Ist eine Lüge schlecht? Oder kommt es darauf an was man damit bezweckt?
Clara lügt so gut, dass es wahr wird.
Clara kann die Menschen aufgrund der Ängste, Wünsche und Gedanken manipulieren. Der Glaube an die Vorstellung, die Macht der Suggestion zeigt die Realität. Clara lebt immer mehr in dieser Welt und doch spürt man ihre Einsamkeit.
Die Psychologin fragt Clara, ob sie eine Göttin oder Heldin sein möchte? Sie erzählt ihr von der griechischen Göttin Psyche, die in die Unterwelt hinabstieg um ihren Geliebten zu retten. Amor. Das heißt, der Geist rettet die Liebe. So merkt Clara, dass die Psychologin noch gar nichts verstanden hat.
Ihre Arbeit im “Zentrum” als Wahrsagerin füllt Clara bestens aus und als sie der Kundin Siri Morgenstern eine zutreffende Zukunft prognostiziert nimmt das Schicksal seinen Lauf. Siri versucht Clara von deren Gabe zu überzeugen und die beiden Damen fordern die Vorhersehung oder das Glück in Las Vegas heraus. Und Siri hat recht, Clara hat die Gabe, die Zukunft zu manipulieren, das eigene Leben in die vermeintlich optimalen Bahnen zu lenken. Im Laufe der Zeit werden Siri und Clara langsam eins, die beiden Damen passen zu gut. Oder ist dies alles nur erfunden? Eine wahrhaftig gute Lüge?
Der Autor zieht den Leser in die Abgründe von Fiktion und Wirklichkeit. Die Realität stellt er als eine Abfolge von Sinneseindrücken und unseren Interpretationen davon dar.
Ein Unding, dass es sich bei diesen extremen Geschichten um die Wahrheit handeln soll und doch kann die Psychologin die Tatsache, dass seltsame Dinge in der Privatklinik geschehen nicht erklären.
Kann Clara ihre Lügen, ihre Gedanken, ihren Glauben in eine Realität umwandeln?
Die Protagonistin erzählt in der Ich-Form ihre unglaubliche (wahre?) Geschichte. Der Autor zieht mit seinem flüssigen Schreibstil den Leser in diese komplexe Erzählung. Auch die Psychologin kann sich Clara nicht entziehen und ist längst in deren Erfindungen gefangen. Die Charaktere sind unglaublich gut ausgearbeitet, die Story mehr als fesselnd, einnehmend und verwirrend.
Die Geschehnisse und Realitäten werden manipulativ ausgearbeitet, als Leser wird man in die Irre geführt oder doch nicht, gibt es überhaupt eine Logik?
Ein perfektes Ende für dieses Buch schließt die Erzählung ab und lässt den Leser noch lange Zeit über Fiktion und Wirklichkeit nachdenken.