Profilbild von Jackolino

Jackolino

Lesejury Profi
offline

Jackolino ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Jackolino über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.10.2023

Wenn der Zufall das Schicksal bestimmt

Wunder brauchen etwas länger
0

Hannah Sunderland ist mit ihrem ersten Buch eine beeindruckende Geschichte über zwei Menschen gelungen, die lange Zeit brauchen, um zueinander zu finden.

Was als Liebesgeschichte daherzukommen scheint, ...

Hannah Sunderland ist mit ihrem ersten Buch eine beeindruckende Geschichte über zwei Menschen gelungen, die lange Zeit brauchen, um zueinander zu finden.

Was als Liebesgeschichte daherzukommen scheint, entpuppt sich schnell als durchaus tiefgründiger Roman um eine sich anbahnende Partnerschaft, in der einer der Partner stark suizidgefährdet ist.

Nell trifft in einem Café in Birmingham auf den charmanten Iren Charlie. Schon die erste Begegnung löst ein gewisses Herzflattern bei ihr aus, dennoch trennen sie sich nach der Mittagspause, ohne ein Wiedersehen vereinbart zu haben.

Nell arbeitet bei einer Hotline für psychisch Erkrankte. Dort meldet sich rein zufällig Charlie am nächsten Tag, angeblich um Hilfe für seinen Onkel zu erbitten. Jetzt ergreift Nell ihre Chance und bittet Charlie um ein weiteres Treffen. Und schnell stellt sich heraus, dass der Onkel nur vorgeschoben war. Während Nell sich Hals über Kopf in Charlie verliebt, macht dieser in den entscheidenden Augenblicken immer wieder einen Rückzieher. Nells Versuche, das Ganze abzuhaken, versanden, denn sie finden auch immer wieder den Weg zueinander. Nell kann sich ihm nicht entziehen, so rätselvoll er auch ist und so wenig er auch auf ihre Annäherungsversuche eingeht. Wie schreibt die Autorin so schön: „Dieser irische Akzent war für mich wie leise Flötenmusik für in Körben gehaltene Schlangen!“

Es geht in dem Buch um die langsame Annäherung zweier Personen, von der eine einen schweren Schicksalsschlag erlitten hat und sich dafür auch noch verantwortlich fühlt. Intuitiv reagiert Nell genau richtig und lässt ihm alle Zeit der Welt, begleitet ihn da wo es notwendig ist, lässt seinen Schmerz zu und ist ihm eine richtig gute Freundin im besten Sinne. Es ist ein Buch, das Hoffnung macht.

Trotz des schweren Themas ist das Buch nicht schwermütig, ganz im Gegenteil. Hannah Sunderland schreibt mit viel Humor und viele Passagen sprühen vor Witz. Herrlich fand ich die Beschreibung der beiden beim Film-Marathon in Worcester oder die Spritztouren mit dem Motorrad Steve.

Ich hatte ganz leichte Lektüre erwartet und wurde im positiven Sinne von einer gleichermaßen nachdenklichen wie humorvollen Handlung überrascht. Dennoch ist es eine einfühlsame Liebesgeschichte mit deutlich mehr Tiefgang, als ich zu Beginn angenommen hatte.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 10.10.2023

Was wird aus Venedig?

Falsche Freunde
0

Der Sizilianer Antonio Morello ist aufgrund einer Gefährdungssituation von Céfalu nach Venedig versetzt und leitet dort die Mordkommission. Er wünscht sich nichts sehnlicher, als endlich wieder zurück ...

Der Sizilianer Antonio Morello ist aufgrund einer Gefährdungssituation von Céfalu nach Venedig versetzt und leitet dort die Mordkommission. Er wünscht sich nichts sehnlicher, als endlich wieder zurück nach Sizilien zu können und dort die Fährte des Mafiapaten aufzunehmen, der für den Tod seiner Frau und seines ungeborenen Kindes verantwortlich ist. Ein letzter Fall trennt ihn noch von der Heimat, aber dieser Fall hat es in sich.

In den frühen Morgenstunden wird die Leiche eines Mannes gefunden, der als Buchhalter für eine der reichen Familien Venedigs arbeitete. Wie sich herausstellt, war dieser Mann äußerst unsympathisch und es gab kaum Menschen, die seinen Tod bedauern. Dennoch muss die Polizei ermitteln und da die Familie eines ehemaligen Dogen verwickelt ist, hat der Fall auch eine politische Komponente. Die Vorgesetzten würden die Familie Gabbia am liebsten mit Samthandschuhen anfassen und die Ermittlungen gleich einstellen. Als Ablenkungsmanöver werden die Beamten auf die Taschendiebe Venedigs angesetzt, die mithilfe künstlicher Intelligenz dingfest gemacht werden sollen.

Antonio Morello hat in seiner Zeit in Venedig aus seiner Abteilung ein Team gemacht. Auch wenn hin und wieder noch Meinungsverschiedenheiten auftauchen, so versammelt sich doch die ganze Abteilung hinter Morello und unterstützt ihn. Und er deckt ein wahres Komplott auf, das den Charakter Venedigs komplett verändern würde.

Das Buch ist spannend und der Verdacht, dass die Geschichte einen wahren Kern haben könnte, macht es noch spannender. Diese Variante kann auch denjenigen nicht gefallen, die sich wünschen, dass die Stadt nicht so von Touristen belagert werden würde.

Die Autoren lenken aber natürlich auch einen Verdacht auf die gerade herrschende Klasse, neueste politische Entwicklungen in Italien sind bereits berücksichtigt. Wie gut, dass es noch eine freie Presse und auch Widerstand in den Reihen der Staatsdiener gibt.

Ich kannte die Vorgängerbände nicht, bin aber darauf neugierig geworden.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.10.2023

Mord kurz vor dem Biikebrennen

Halliggift (Ein Minke-van-Hoorn-Krimi 3)
0

Wieder ein spannender Krimi von Greta Henning, bei dem man lange die Verbindungen untereinander sucht.

Chorleiterin Hanni Krüdener, die Mutter Theresa der Hallig Midsand, ist vergiftet worden. Dabei schien ...

Wieder ein spannender Krimi von Greta Henning, bei dem man lange die Verbindungen untereinander sucht.

Chorleiterin Hanni Krüdener, die Mutter Theresa der Hallig Midsand, ist vergiftet worden. Dabei schien sie in Jüstering und Umgebung nur Bewunderer zu haben. Kurz darauf ereignet sich der nächste Mord: der Reeder Jost Thomsen wird an seinem Hochzeitstag erstochen. Doch damit ist es noch nicht genug….

Minke van Hoorn und Lisa Röhrle, ihre schwäbische Assistentin, stehen vor einem Rätsel. Und so ganz nebenbei muss Minke auch noch dabei helfen, einen Pottwal wieder zurück aufs Meer zu schicken, der an der Nordsee bei Ebbe zu stranden droht. Und privat macht sie sich Sorgen, weil David sich in letzter Zeit doch arg rar macht und kaum mehr Zeit für sie hat.

Es ist gut, dass die Nebenhandlungen nicht so stark in den Vordergrund rücken. Es ist schon der mehrfache Mord, der die gesamte Aufmerksamkeit der beiden Ermittlerinnen fordert. Und nachdem der Heiligenschein von Hanni sich lichtet, tun sich dahinter alte Verbindungen auf, von denen niemand etwas ahnte.

Auch Band 3 ist spannend und absolut lesenswert und Minke kommt dem Täter nur auf die Spur, weil sie eine aufmerksame Zuhörerin ist und ein gutes Gedächtnis hat.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 02.10.2023

Von schönen Erinnerungen zu erfreulichen Aussichten

Großeltern sind wie Eltern, nur mit Zuckerguss
0

Ursi Breidenbach und Heike Abidi haben hier ein Buch geschrieben, das sehr viele Erinnerungen wachruft. Sie schlagen einen großen zeitlichen Bogen von den Erinnerungen an unsere Kindheit und unsere eigenen ...

Ursi Breidenbach und Heike Abidi haben hier ein Buch geschrieben, das sehr viele Erinnerungen wachruft. Sie schlagen einen großen zeitlichen Bogen von den Erinnerungen an unsere Kindheit und unsere eigenen Großeltern bis hin zu der Zeit, wo wir selbst Großeltern sind oder hoffen, es zu werden.

Das Cover ist sehr schön gewählt, Opa und Oma als niedliche Alpakas mit Sehhilfe und selbstgestrickten Pullovern, weise und milde lächelnd. Und daneben die kleinen Enkelkinder als Lämmchen, die in großer Zuneigung an ihnen hängen.

Das Buch ist schwer einem Genre zuzuordnen. Es enthält Kurzgeschichten in Form von Erinnerungen der Interviewpartner der beiden Autorinnen, es ist Sachbuch mit Bezügen zu Studien oder wenn auch einmal die Frage nach familiären Beziehungen im Tierreich gestellt wird, es beleuchtet die Darstellung der Großeltern in Literatur und Film und es stellt vor allem auch den Rollenwechsel im Zeitablauf dar. Vom Kind zum Erwachsenen, zum selbst Elternteil werdend und später eventuell zu dem Status, selbst Opa oder Oma zu sein.

Dabei kommen ganz viele Aspekte zur Sprache, die jede Familie in irgendeiner Weise betreffen. Zu welchen Großeltern besteht mehr Kontakt, mischen die Großeltern sich in die Erziehung ein, das Verhältnis der Großeltern beider Seiten untereinander, Leih-Omas und -Opas, Großeltern aus verschiedenen Kulturkreisen etc.

Ich würde das Buch jedem empfehlen, der Großeltern-Freuden entgegensieht. Es weckt Erinnerungen, die hoffentlich schön sind. Und es animiert vielleicht auch dazu, den eigenen Enkeln das zu sein, was die Großeltern einem selbst waren. Wenn das dann auch noch bei den Enkeln und ihren Eltern gut ankommt, dann wäre der Lebensabend perfekt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 12.09.2023

Die Welt verändert sich

Mattanza
0

Schon das Cover hatte mich sehr angesprochen. Ich fühlte den Blick der jungen Frau auf mich gerichtet, als ob sie mich aufforderte, mich mit dem Buch zu beschäftigen. Und tatsächlich konnte ich zu der ...

Schon das Cover hatte mich sehr angesprochen. Ich fühlte den Blick der jungen Frau auf mich gerichtet, als ob sie mich aufforderte, mich mit dem Buch zu beschäftigen. Und tatsächlich konnte ich zu der Insel schnell eine Verbindung aufbauen, weil wir sie schon einmal als Touristen von Trapani aus besucht hatten.
Wir hatten die Insel Katria als Favigniana kennengelernt und hatten den Tag dort sehr genossen. Umso erfreuter war ich, nun durch das Buch etwas über die Tradition des Thunfischfangs zu erfahren.
Die Mattanza ist eine alte Methode des Thunfischfangs. Obwohl diese im Laufe der Zeit viele typische Eigenschaften verloren hat, besitzt sie immer noch den Charme einer alten Zeremonie.
Die gesamte Prozedur wird vom Rais angeleitet. Er entscheidet, wann die Mattanza anfängt und wann sie aufhört, wann die Netze geöffnet und wann geschlossen werden sollen. Er ordnet die Position der Boote an, so dass sie den Eingang der Thunfische in das Todesnetz erleichtern.
Auf Katria hat die Familie Lombardo seit vielen Jahrhunderten den Rais gestellt, immer ging das Amt an einen männlichen Nachfolger weiter, der von seinem Vorgänger ausgebildet und angeleitet wurde.
Aber 1960 kommt anstatt eines Jungen ein weiteres Mädchen zur Welt und so wird Nora die erste Rais in der Geschichte Katrias. Ihr Großvater nimmt sich ihrer an, nimmt sie in sein Haus auf und bringt ihr alles bei, was sie wissen muss. Sie wird eine würdige Nachfolgerin und es ist nicht ihr anzulasten, dass die Welt sich ändert.
Vor allem ändern sich die Methoden des Fischfangs. Die kleinen Fischerboote kommen gegen die Hochseetrawler nicht an, die Thunfischschwärme waren schon abgefischt, bevor sie Katria überhaupt erreichen konnten. Und dieser gute Thunfisch geht zu einem sehr hohen Prozentsatz nach Japan. Italien erhält nur noch eine zweitklassige Qualität.
Es gab da außerdem Ereignisse, die in den letzten Jahrzehnten den Wandel im Mittelmeer beschleunigt haben, den Menschen einerseits ihre Lebensgrundlage nehmen, ihnen aber andererseits auch eine neue Grundlage bieten. Hier ist vor allem der Tourismus zu nennen.
Ganz aktuell sind Katria und Lampedusa auch durch die Flüchtlingsboote übers Mittelmeer bekannt geworden. Die Flüchtlingsströme gefährden nun schon wieder den gerade gut aufgenommenen Tourismus. „Wer kommt schon gerne auf eine Insel, auf der hinter Stacheldraht Hunderte von Menschen eingesperrt sind“.
Es waren aber auch noch andere Themen, die im Buch zwar nicht explizit angesprochen, aber dennoch unterschwellig behandelt wurden:
• Die Bedeutung von Tradition und althergebrachten Riten
• Die Rolle der Frau
• Die Unterschiede zwischen Besitzenden und Besitzlosen nicht nur in der Entscheidungshoheit über ihren Besitz sondern auch in der Hingabe an die Tradition
Nora hat sich der Tradition verschrieben, es war zwar nicht ihre Entscheidung Rais zu werden, aber sie trägt diese Entscheidung mit. Sie heiratet, aber es stellt sich kein Nachwuchs ein. Als ob der fehlende Stammhalter mit den ausbleibenden Thunfischen zusammenhängen würde.
Es ist ein sehr nachdenkliches Buch, ein Buch über die sich verändernde Welt, die selbst im letzten Zipfel Europas noch deutliche Spuren hinterlässt. Germana Fabiano schreibt wortgewaltig, ihre Beschreibungen lassen die Welt der Fischer vor den Augen des Lesers aufscheinen. Mir hat das Buch sehr gut gefallen und ich bin froh, darauf aufmerksam geworden zu sein. Bei nächster Gelegenheit werde ich es an Freude in Trapani weitergeben, die uns damals auf Favignana aufmerksam gemacht hatten.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere