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Veröffentlicht am 11.10.2023

Nie gut genug - Augenöffner

Nie gut genug
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Nie gut genug – ein Gefühl das in unserer Gesellschaft wohl so präsent ist, wie nie zuvor. Thomas Curran erklärt in seinem Buch, woran das liegt. Dabei ist ihm meiner Meinung nach sehr gut gelungen, über ...

Nie gut genug – ein Gefühl das in unserer Gesellschaft wohl so präsent ist, wie nie zuvor. Thomas Curran erklärt in seinem Buch, woran das liegt. Dabei ist ihm meiner Meinung nach sehr gut gelungen, über „die fatalen Folgen des Perfektionismus“ aufzuklären (erster Teil des Untertitels), allerdings weniger gut, „wie wir uns vom Selbstoptimierungsdruck befreien können“ (zweiter Teil des Untertitels). Ich finde den zweiten Teil des Untertitels etwas irreführend, denn es handelt sich keineswegs um einen klassischen Ratgeber oder ein Selbsthilfebuch. Es ist auch der Natur des Themas geschuldet, dass sich keine einfache Lösung der Problematik finden lässt. Das Cover mit dem etwas verrutschtem Punkt auf dem i finde ich sehr ansprechend. Schlicht, modern, aber trotzdem ein augenzwinkernder Hinweis auf das Thema.
Curran forscht zum Thema Perfektionismus und zeigt im ersten Teil des Buches auf, warum wir uns von dem verklärten Blick auf unsere Lieblingsschwäche verabschieden sollten. Das Perfektionismusstreben verschärft sich, auch kulturell bedingt, und Studien weisen inzwischen nach, dass Perfektionismus mit vielen negativen psychischen Auswirkungen (Depressionen, Selbstzweifel) in Verbindung gebracht wird. Currans wissenschaftlicher Hintergrund wird auch durch seinen Schreibstil deutlich, der sich von Selbsthilfebüchern absetzt. Kritisch sehe ich hier allerdings die nicht immer ganz saubere Trennung zwischen wissenschaftlichen Fakten und persönlicher Meinung und Anekdoten.
Insgesamt gelingt es Curran hier aber zu überzeugen und er bringt (zumindest mich) auch zum Umdenken rund um das Thema Perfektionismus. Nach seinen Ausführungen ist allerdings auch klar, dass Perfektionismus so tief in unserer Kultur verwurzelt ist, dass es keine simple Auflösung des Problems geben kann. Diese Erkenntnis ist ernüchternd, aber logisch. Für mich ist das Buch trotzdem eine klare Leseempfehlung mit vier statt fünf Punkten, aufgrund der genannten Kritikpunkte.

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Veröffentlicht am 11.09.2023

Einladung, die eigene Kindheit zu reflektieren

Ent-Eltert euch!
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Das Buch „Ent-Eltert euch!“ von Sandra Teml und Martin Wall lädt dazu ein, die eigene Kindheit zu reflektieren und ungesunde emotionale Abhängigkeiten von den Eltern zu lösen. Auf 240 Seiten wird dieses ...


Das Buch „Ent-Eltert euch!“ von Sandra Teml und Martin Wall lädt dazu ein, die eigene Kindheit zu reflektieren und ungesunde emotionale Abhängigkeiten von den Eltern zu lösen. Auf 240 Seiten wird dieses komplexe Thema kompakt und zielgerichtet dargestellt.
Die Autor:innen arbeiten dabei mit vielen Beispielen von konkreten Eltern-Kind-Beziehungen, die sich von Problemanalyse bis Lösung durch das Buch ziehen. So werden Themen anschaulich und der Lesefluss aufgelockert. Insgesamt ist der Stil verständlich und sachlich gehalten. Die persönliche Ansprache der Leser:innen passt zu dem sehr intimen Thema.
Gleich zu Beginn wird deutlich, dass es sich bei „Ent-Eltert euch!“ um ein Buch handelt, dass eine gewisse Mitarbeit erfordert, um einen Nutzen zu haben. Verschiedene Übungen laden zur Reflexion der eigenen Eltern-Kind-Beziehung ein. An mehreren Stellen wird auch darauf hingewiesen, dass komplexe Kindheitstraumata und eingerostete Beziehungsmuster auf jeden Fall weitergehende und tiefergehende Behandlung und/oder Therapiesitzungen benötigen, um gelöst zu werden. Das Buch kann also jedoch dabei helfen, diese Muster zunächst erst einmal aufzuspüren.
Laut den Autor:innen ist der Zeitpunkt im Leben, an dem man selbst zu Eltern wird, oft ein Punkt, an dem man noch einmal mit Themen aus der eigenen Kindheit konfrontiert wird und beginnt, sich mit der Beziehung zu den eigenen Eltern auseinander zu setzen. Aus diesem Grund hat mich das Buch angesprochen. Eine deutliche Schieflage in der Beziehung oder emotionale Abhängigkeit, wie in den Beispielen beschrieben, konnte ich in der Beziehung zu meinen Eltern nicht entdecken. Das Buch fokussiert sich jedoch, gerade im Lösungsteil, sehr auf diese Muster. Die Entwicklung als eigenständige, erwachsene Person, losgelöst von den Eltern ist das zentrale Ziel.
Gerne hätte ich mehr darüber gelesen, wie Prägungen aus der Kindheit das eigene Handeln auch losgelöst von der (aktuellen) Eltern-Kind-Beziehung bestimmen. Denn auch wenn die Kommunikation und die Beziehung mit den Eltern inzwischen wertschätzend und dem Alter angemessen verläuft, haben Themen wie Perfektionismus und Leistungsdruck ihren Ursprung in der Kindheit. Insgesamt hätte ich mir hier weitere Einsichten und Lösungsmethoden gewünscht.
Insgesamt finde ich das Buch empfehlenswert für alle, die aktuelle Konflikte mit ihren Eltern angehen wollen und sich einen kompakten Einstieg in dieses komplexe Thema wünschen. Zudem ist das Buch auch aus der Perspektive als Eltern spannend zu lesen und regt zu einem achtsameren und reflektierten Umgang mit den eigenen Kindern ein.

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Veröffentlicht am 29.08.2023

Solider, ruhiger Kriminalfall mit psychologischer Tiefe

Verlogen
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Verlogen war das erste Buch, das ich von Eva Björg Ægisdóttir gelesen habe – und sicher nicht das letzte. Obwohl es sich bei dem Buch um den zweiten Band einer Reihe rund um die Kommissarin Elma handelt, ...

Verlogen war das erste Buch, das ich von Eva Björg Ægisdóttir gelesen habe – und sicher nicht das letzte. Obwohl es sich bei dem Buch um den zweiten Band einer Reihe rund um die Kommissarin Elma handelt, war die Geschichte auch ohne Vorkenntnisse aus Band eins gut lesbar und in sich geschlossen. Das ruhige, düstere Cover und der Titel passen perfekt zum Inhalt und der rauen, einsamen Landschaft Islands.

Inhaltlich wird auf zwei Zeitebenen erzählt – in der Gegenwart beschäftigt sich Elma mit dem Fall rund um die gerade gefundene Leiche der alleinerziehenden Mutter Marianna, die vor sieben Monaten spurlos verschwand. Während damals alle von einem Selbstmord ausgingen, wird nun deutlich, dass es sich zweifelsfrei um Mord handelt und die Ermittlungen neu aufgerollt werden müssen. Die zweite Zeitebene springt 15 Jahre zurück – eine junge Mutter verzweifelt an ihrer neuen Rolle – und schafft es nicht eine Verbindung zu ihrem Kind aufzubauen.

Eva Björg Ægisdóttir zeichnet in Verlogen feinfühlig verschiedenste Beziehungen zwischen Frauen, sei es Mutter-Tochter-Beziehung in der Vergangenheit, als auch die Beziehung zwischen Elma zu ihrer eigenen Mutter (und Schwester) oder die von Mariannas Tochter Hekla zu ihren Teenie-Freundinnen. Dabei entstehen komplexe, nicht immer einfache Beziehungsgeflechte, die dieses Buch spannend machen. Mir hat sehr gefallen, einen ruhigen Kriminalfall zu lesen, ohne blutrünstige Serienmörder und dramatische Verfolgungsjagden, dafür mit vielen leisen Zwischentönen im Ungesagten und überraschenden Twists.

Die Ermittler*innen Elma und Saevar sind ganz normale Personen, nicht die typischen exzentrischen Einzelgänger, die in so vielen Thrillern inzwischen gefühlt um die ungewöhnlichste Eigenschaft wetteifern. Für mich ein Pluspunkt, da die Handlung so meiner Meinung nach auch viel realistischer und nahbarer wirkt. Gleichzeitig ist gerade dieses Duo für mich auch eine kleine Schwachstelle des Krimis, da ihre Gefühle für mich an vielen Stellen etwas zu flach blieben. Gerade Elma, die durch den Verlust ihres Partners David und die schwierige Beziehung zu ihrer Schwester eigentlich viel Potential bietet, blieb für mich oft etwas blass und schwer zu greifen. Daher vergebe ich hier 4 statt 5 Sternen.

Insgesamt ist „Verlogen“ für mich aber ganz klar eine Leseempfehlung und einfach ein gut gemachter, solider Krimi. Die Neuerscheinungen von Eva Björg Ægisdóttir werde ich sicher im Auge behalten.

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Veröffentlicht am 20.10.2021

Nichts ist wie es scheint- 3 Frauen, eine Täterin

Wer das Feuer entfacht - Keine Tat ist je vergessen
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Drei Frauen, die nicht unterschiedlicher sein könnten, und doch ist ihr Schicksal miteinander verwoben - und jede von ihnen könnte einen Mord begangen haben.

Darum geht es in "Wer das Feuer entfacht" ...

Drei Frauen, die nicht unterschiedlicher sein könnten, und doch ist ihr Schicksal miteinander verwoben - und jede von ihnen könnte einen Mord begangen haben.

Darum geht es in "Wer das Feuer entfacht" von Paula Hawkins und wie schon in "Girl on the train" nimmt die Autorin uns mit in ein spannendes Verwirrspiel mit tiefen Einblicken in die Tiefe der Psyche der Protagonistinnen.

Auf einem Hausboot in London wird die Leiche eines jungen Mannes gefunden. Seine Nachbarin Miriam findet ihn. Die schrullige ältere Frau, wirkt auf den ersten Blick harmlos, aber schnell wird klar, dass sie die Ermittler für eigene Ziele belügt. Laura, die eine Nacht mit dem Opfer verbracht hat, ist jung und ganz offensichtlich psychisch labil. Die Tante des Opfers, Clara, wirkt dementgegen aufgeräumt und organisiert. Allerdings quält sie ihre Vergangenheit.  Ist eine der drei Frauen fähig ein Verbrechen zu begehen? Schicht für Schicht enthüllt Paula Hawkins ihre Geschichte,  Gefühle und die Verbindungen zwischen ihnen.

Inhaltlich will ich gar nicht mehr verraten. Ich habe mich sehr schnell in den spannenden Zog der Geschichte ziehen lassen und habe mich gut unterhalten gefühlt. Im Vergleich zu "Girl on the train" war das Buch allerdings kein riesiges Highlight für mich, auch aufgrund einiger Entwicklungen im letzten Teil. Daher gebe ich vier Sterne - und eine große Leseempfehlung für einen Roman mit viel Spannung und tollen Charakteren.

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Veröffentlicht am 01.10.2021

Ein hartes Leben

Die vier Winde
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Die "Dust Bowl" zur Zeit der Great Depression war eine der größten Naturkatastrophen in der Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika und mir trotzdem weitestgehend unbekannt. "Die vier Winde" von ...

Die "Dust Bowl" zur Zeit der Great Depression war eine der größten Naturkatastrophen in der Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika und mir trotzdem weitestgehend unbekannt. "Die vier Winde" von Kristin Hannah hat das geändert. Im Roman begleiten wir Elsa, deren Einzelschicksal deutlich macht welche Bedeutung Dürre, Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit, Migration und Weltwirtschaftskrise für ein Leben haben können. Damit ist das Buch, obwohl es einen lange vergangenen Zeitraum behandelt, aktueller denn je. Naturkatastrophen, Menschen, die ihre Heimat verlassen und sich ein besseres Leben für ihre Kinder wünschen - all das sind auch Herausforderungen in unserer Zeit.

Elsa gibt diesen Menschen ein Gesicht. Von ihrer wohlhabenden Familie nicht geliebt, verliebt sie sich in einen Farmer und verändert damit ihr Leben radikal. Doch die Dürre und die daraus resultierenden Sandstürme zwingen sie, die Farm zu verlassen und mit ihrem Kindern auszuwandern.  Elsas Schicksal hat mich tief bewegt und auch zum Denken angeregt. Trotzdem habe ich mich über die 500 Seiten hinweg auch gut unterhalten gefühlt. Abgeschlossen wurde die Geschichte für mich jedoch etwas zu hastig. Daher gebe ich 4 von 5 Sternen

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