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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.11.2023

Was für eine atemberaubend schöne Ausgabe!!

Biblioteca Obscura: Das Bildnis des Dorian Gray
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𝔻𝕒𝕤 𝔹𝕚𝕝𝕕𝕟𝕚𝕤 𝕕𝕖𝕤 𝔻𝕠𝕣𝕚𝕒𝕟 𝔾𝕣𝕒𝕪

Wie wunderschön kann eine Schmuckausgabe bitte sein 😍 Neben FRANKENSTEIN erschien Mitte Oktober bei ARSEDITION eine atemberaubende Ausgabe von Oscas Wildes DORIAN GRAY.
Das ...

𝔻𝕒𝕤 𝔹𝕚𝕝𝕕𝕟𝕚𝕤 𝕕𝕖𝕤 𝔻𝕠𝕣𝕚𝕒𝕟 𝔾𝕣𝕒𝕪

Wie wunderschön kann eine Schmuckausgabe bitte sein 😍 Neben FRANKENSTEIN erschien Mitte Oktober bei ARSEDITION eine atemberaubende Ausgabe von Oscas Wildes DORIAN GRAY.
Das Buch ist in mystisch anmutenden Braun- und Schwarztönen gehalten, dazu hat es einen schwarzen Farbschnitt, was nicht besser zum Inhalt hätte gewählt werden können. Das Cover ist richtig hochwertig gestaltet mit 3D-Elementen und Goldprägungen, dazu gibt es einen ornamentalischen Rahmen mit verschiedenen Symbolen und (Nacht)tieren. Es ist ein absoluter Hingucker in jedem Bücherregal und fasst das aktuelle Herbst- und Winterfeeling schaurig schön 🍁🍂🕸
Schlägt man das Buch auf, blicken einen dutzende Augen-Illustrationen auf Sepia Hintergrund an und man bekommt schon einen ersten Eindruck von Dorian Grays Gemälde, das einen stets zu beobachten scheint.
Das Buch ist durchgehend von detaillierten Initiale, Vignetten und kleinen Illustrationen geschmückt, die jede einzelne auf hochwertigem Papier gedruckte Seite zu etwas ganz Besonderem macht. Dazu kommen die einseitigen größeren Illustrationen, für die man sich wirklich Zeit nehmen sollte, weil man, je öfter man hinsieht, immer mehr schaurig Schönes entdeckt 🤭 Vor allem die vielen eingearbeiten Augen-Symbole verleihen den Illus Mysthik und eine ordentliche Portion Gruselfaktor.
Besonders gelungen finde ich auch, dass einige Zitate sehr groß gedruckt werden, manchmal ganze Seiten einnehmen.
Kurzum: Allein rein optisch kann man sich stundenlang in diesem wunderschönen Meisterwerk verlieren!
Die Geschichte selbst ist vermutlich einigen ein Begriff. Es geht um den jungen, schönen Dorian, der schnell lernt, dass eben diese Jugend und Schönheit ihm einen besonders hohen Stellenwert in der damaligen (und vermutlich auch noch heutigen) Gesellschaft schenken, weshalb er seine Seele an den Teufel verkauft. Fortan spiegelt ein von seinem Freund gemaltes Gemälde all seine negativen Eigenschaften, Sünden, Krankheiten, das Alter etc wieder, sodass er selbst stets schön und jung bleibt, während die Welt um ihn herum verwelkt, genau wie seine Seele.
Das Buch ist ein zeitloses Meisterwerk, man kann es wirklich immer wieder lesen. Auch die wortgewandte, treffsichere, tiefgreifende Sprache des Autors lässt einem mit jeder weiteren Seite einen Schauder über den Rücken laufen, sodass der Roman wie gesagt besonders zu dieser Jahreszeit einfach das gewisse Etwas mit sich bringt. Die philosophischen Gedanken des Autors bringen die Leserschaft zum Nachdenken und lassen einen mit einer ordentlichen Portion Moral zurück.
Im Anhang finden wir Illustration und Vita von Autor und Illustrator, der selbst noch ein kurzes Statement zu seiner zeichnerischen Interpretation gibt. MARCIN MINORs Bestreben, jede einzelne Seite mit Bedeutung versehen zu haben, ist ihm mehr als gelungen, ebenso wie dem Autor.
FAZIT: Diese atemberaubende Schmuckausgabe ist einfach nur ein düster-schöner Traum, der nicht nur für Fans des Klassikers geeignet ist, sondern auch ein sehr empfehlenswertes Herbst- oder Weihnachtsgeschenk. Von meiner Seite aus gibt es hierzu eine riesige Empfehlung, auch für diejenigen, die DAS BILDNIS DORIAN GRAY noch nicht kennen, weil man durch diese wahnsinnig treffenden Illustrationen mit riesiger Sogwirkung einfach von Anfang bis Ende an die gleichzeitig ernste, humorvolle, moralische, vor allem aber düstere Geschichte atmosphärisch gefesselt wird.
Durch die hochwertige Gestaltung ist die Schmuckausgabe jeden Cent wert! Ich gehe stark davon aus, bei FRANKENSTEIN wird es da nicht anders sein ;)
5+ ⭐ Highlight

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.10.2023

Wundervolle Fortsetzung

Tintenwelt 4. Die Farbe der Rache
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𝕋𝕚𝕟𝕥𝕖𝕟𝕨𝕖𝕝𝕥 𝟜: 𝔻𝕚𝕖 𝔽𝕒𝕣𝕓𝕖 𝕕𝕖𝕣 ℝ𝕒𝕔𝕙𝕖

"Fünf Jahre sind seit den Geschehnissen in ,Tintentod' vergangen. Fünf glückliche Jahre. Aber dann wird Eisenglanz gesichtet, der Glasmann von Orpheus, dem erbitterten, ...

𝕋𝕚𝕟𝕥𝕖𝕟𝕨𝕖𝕝𝕥 𝟜: 𝔻𝕚𝕖 𝔽𝕒𝕣𝕓𝕖 𝕕𝕖𝕣 ℝ𝕒𝕔𝕙𝕖

"Fünf Jahre sind seit den Geschehnissen in ,Tintentod' vergangen. Fünf glückliche Jahre. Aber dann wird Eisenglanz gesichtet, der Glasmann von Orpheus, dem erbitterten, silberzüngigen Feind von Meggie, Mo und Staubfinger. Der Grund: Orpheus plant Rache an allen, die ihn zu Fall gebracht haben, doch vor allem an Staubfinger, und er nutzt einen furchtbaren Zauber. Sind Bilder mächtiger als Worte? Staubfinger zieht aus, die Antwort zu finden. Der Schwarze Prinz aber macht sich auf die Jagd nach Orpheus."

Cornelia Funke erleichtert uns den Einstieg mit einer kurzen Zusammenfassung bisheriger Geschehnisse aus Orpheus' Perspektive sowie einer Personen-Übersicht am Ende des Romans. Trotzdem muss ich zugeben, dass ich mich nach etwa 15jähriger Pause (Bd. 3 erschien 2007) etwas schwer tat, auf Anhieb zurück ins Tintenwelt-Universum zu finden, sodass ich kurzerhand nochmal zum Vorband griff und dann nochmal voller Vorfreude in Band 4 starten konnte - diesmal bestens gerüstet!
Cornelia Funke überzeugt mit gewohnt grandiosem Schreibstil. Bildpoetisch, detaillverliebt und mit Sogwirkung hoch 10!
Ich habe es geliebt, dass sie sich in Band 4 für Staubfingers Perspektive entschied, weil er einfach zu meinen allerliebsten Tintenwelt-Charakteren zählt und es an der Zeit wurde, nun auch ihm ein ganzes Buch zu widmen :) Spannend hierzu ist auch das Interview mit der Autorin am Ende des Buches. Es war ja von Anfang an klar, dass Mos und Maggies Geschichten auserzählt ist und das ist auch vollkommen in Ordnung! Trotzdem war es schön, den beiden wiederzubegegnen - wenn man sich auch insgesamt ein etwas längeres Wiedersehen gewünscht hätte 🤭 Dafür haben wir nun den Fokus auf den Schwarzen Prinzen, der sämtliche Beschwerden wettmacht diesbezüglich und neben der Perspektive von Orpheus einfach nur unglaublich spannend und intensiv zu erleben war!
Passend zum Start konnte man Cornelia Funke auf der FBM treffen, wo sie (unter anderem) ihr neustes Werk signierte.
Die Idee, die Charaktere in die auf dem Cover abgebildeten Lettern zu bannen, fand ich phänomenal! Als Leserin hatte ich wirklich absolut keine Ahnung, wie unsere Helden und Heldinnen da jemals wieder herauskommen sollen...
Passend hierzu gibt es übrigens aktuell bei der Bücherbüchse einen richtig tollen Farbschnitt in limited Edition, der das Cover auf den Schnitt kopiert :)
Den vertrauten, mittlerweile 20 Jahre alten Buchfiguren wiederzubegegnen, hatte für mich ein warmherziges coming home feeling. Meist hinterlässt das Ende einer Herzensreihe ja ein kleines großes Loch im Leserherzen, sodass ich mich unglaublich über diese gelungene Fortsetzung gefreut habe - und ich wurde nicht enttäuscht!
Wir erfahren nicht nur, wie es mit unseren geliebten Charakteren weitergeht (in der Tintenwelt sind etwa 5 Jahre verstrichen), sondern lernen auch ganz neue Figuren kennen wie die wundervolle Lilia, die wie nicht anders zu erwarten auf Anhieb ihre Sympathie abstaubte.
Was ich an der Tintenwelt so liebe, ist die Loyalität der Figuren zueinander, diese Herzenswärme, durch die man sich einfach von der ersten bis zur letzten Silbe aufgehoben fühlt, die Verbundenheit. Ich finde, Cornelia Funke gelingt es einfach immer wieder, mit ihren Büchern etwas unglaublich Liebevolles zum Wohlfühlen zu vermitteln, ein kleines literarisches Zuhause, das oft nur im Kinderbuch zu finden ist.
Der Plot selbst war unglaublich fesselnd, es herrschte von der ersten bis zur letzten Seite Cornelia Funkes berühmte Sogkraft, sodass es zu keinen Längen kam, sondern man endlich hätte weiterlesen können. Was mir besonders gefallen hat ist, dass es diesmal nicht um die Magie und Macht von Worten, sondern um die des gemalten Wortes, respektive um die der Bilder geht. Das hatte etwas sehr Visuelles an sich, vor allem hinsichtlich des Wiedererkennungswertes des Covers.
Besonders hervorheben möchte ich noch die Tusche-Illustrationen der Autorin, die das Buch (natürlich neben der Erzählung) zu etwas ganz Besonderem macht, genau wie die treffenden Zitate vor jedem Kapitel!
Insgesamt habe ich den Roman unheimlich genossen, die Reihe ist und bleibt ein absolutes Herzensprojekt für mich, es steckt einfach soooo unglaublich viel Liebe hinter jedem Wort, jeder Zeichnung, jedem Gedanken! Jeder, der Cornelia Funke liebt, wird auch "Die Farbe der Rache" lieben, so viel steht fest. Die Rückkehr in die Tintenwelt war rundherum nostalgisch schön und ich kann sie jedem nur wärmstens ans Herz legen - und dann auch direkt gleich nochmal mit Band 1 und dem Film zu beginnen ;) Love them all 😊🧡🧡🧡
5/5 ⭐

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Veröffentlicht am 18.10.2023

Innovativ & Informativ

Elon Musk
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𝔼𝕝𝕠𝕟 𝕄𝕦𝕤𝕜

2 ganze Jahre lang begleitete Walter Isaacson, der bereits die populäre Biografie Steven Jobs schrieb, den faszinierenden, hochaktoven Innovator und Visionär Elon Musk. Musk begleitet uns mit ...

𝔼𝕝𝕠𝕟 𝕄𝕦𝕤𝕜

2 ganze Jahre lang begleitete Walter Isaacson, der bereits die populäre Biografie Steven Jobs schrieb, den faszinierenden, hochaktoven Innovator und Visionär Elon Musk. Musk begleitet uns mit Tesla mit einer hocheffizienten Neuentwicklung der Elektromobilität, arbeitet an dem Erreichen des Mars, führt uns durch die Welt der KI. Erst am Wochenende konnte man seine Starlink-Satelliten als spektakuläre Lichterkette abends am Himmel vorüberziehen sehen. Sein Einfluss ist mittlerweile nicht nur wahnsinnig vielseitig, sondern auch prägend, beispielsweise seine jüngste Einflussnahme auf den Bitcoin-Preis.

Wenn man den aktuellen Part der Biografie liest, fragt man sich, wann der Perfektionist und Visionär überhaupt noch schläft. Es ist wahnsinnig beeindruckend, was er sich inzwischen alles aufgebaut hat.
Im krassen Kontrast hierzu steht seine Kindheit und Jugend. Er war ein zurückgezogener Junge, wuchs in Südafrika auf, hatte stets den Kopf in einem Wissenschafts- oder SciFi Buch vergraben. Er litt unter Mobbing, Schlägern, einem schwierigen Vater, den anderen Kindern. Nur logisch, dass er dem so rasch wie möglich zu entkommen wünscht und sich auf in die USA macht - planlos. So lernte er sehr früh, auf eigenen Beinen zu stehen und sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen - und dass ihm niemand außer ihm selbst seinen Traum erfüllen wird. Der Traum wurde zur Vision und letztlich zur Realität. Heute gilt er als reichsten Mann der Welt, begonnen aber hat er in winzigen Büroräumen, in denen er 24/7 gearbeitet und auch dort geschlafen hat. Letzteres erinnert mich an Walt Disneys Anfangszeit. Dabei darf man auch nicht außer Acht lassen, dass manche seiner Unternehmen mehrmals vor dem Bankrott standen.
Besonders blieb mir Musks Großvater im Gedächtnis, der mit seinem winzigen Flugzeug die Welt bereiste - man merkt, woher die großen Visionen stammen. Doch auch die privaten Interviews mit Familie, Freunden und Mitarbeitern sind wahnsinnig interessant zu lesen, man erfährt dadurch sooo viel über Musk als Menschen. Dies wird unterstrichen von den zahlreichen Fotos, die die Kapitel einleiten, und durch die man Musks Heranwachsen von Kind zum Mann miterlebt.
Für mich waren die etwa 800 Seiten überhaupt nicht langatmig, weil man einfach soo viel Insiderwissen erfährt. Der Autor hat sich wirklich große Mühe gegeben, Musks Geschichten umfassend zu beleuchten. Musks Persönliche ist glaube ich privat gar nicht so einfach, er macht zu 100% sein Ding, ohne Diskussionen, und wenn er sein Endziel nicht erreicht hat, legt er nochmal 200% drauf. Kompromisse gibt es für ihn nicht und wer für ihn oder mit ihm arbeiten möchte, muss mitziehen. Interessant sind auch die Kapitel über die Übernahme von Twitter, sehr aktuell und daher wrsl den meisten im Hinterkopf. Sein Werdegang und Willen ist wahrlich inspizierend und lässt diejenigen, die sich mit einem "ich kann nicht, weil..." ehrlich gesagt ziemlich blöd aus der Wäsche schauen. Denn hier haben wir einen einstmals geächteten Außenseiter, der kurz davor steht, den Mars zu bereisen. So oder so und auch unabhängig davon, ob man Musk nun als Person sympathisch findet oder nicht- sein wissenschaftliches Erbe wird enorm sein von der Weltraumforschung über Elektromotore zur Solartechnik und soooo vieles mehr! Man darf nicht außer acht lassen, dass er wirklich ziemlich viele große Unternehmen zu führen hat - und das mit Leib und Seele. Sein Ehrgeiz, seine Ambitionen, sein Willen, seine Visionen werden von Anfang bis Ende des Buches absolut verständlich und einleuchtend wiedergegeben, man taucht in eine komplett andere, komplexe Welt ab, in die Lebenswelt eines Genies. Ich finde diese Biografie unglaublich gut gemacht, die chronologische Reihenfolge und die einzelnen Unterkapitel zu Leben und Innovationen sind sinnvoll und logisch gestaltet. Zudem bleibt der Autor stets objektiv und wertet weder menschlich noch beruflich. Es ist sicher unwahrscheinlich mühsam, eine derart detaillierte und weitreichende Biografie über einen Menschen wie Musk zu schrieben- Hut ab!

Meiner Meinung nach ist der Preis mehr als gerechtfertigt. Jedem, der Interesse an Elon Musk als Menschen oder seinen Innovationen und Tätigkeiten hat, kann ich diese Biografie wärmstens ans Herz legen. Ich finde, sein Name taucht mittlerweile in zu vielen Kontexten auf, um sich nicht über den Mann hinter dem Namen zu informieren.
Ein großartiges, informatives Buch! 5 ⭐

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Veröffentlicht am 11.10.2023

Feminismus über die Jahrhunderte hinweg

Die Unbändigen
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ALTHA 1619
"Wir haben uns nie als Hexen betrachtet, meine Mutter und ich. Denn dieses Wort hatten Männer erfunden. Ein Wort, das denen, die es aussprechen, Macht gibt, nicht denen, die es beschreibt. Ein ...

ALTHA 1619
"Wir haben uns nie als Hexen betrachtet, meine Mutter und ich. Denn dieses Wort hatten Männer erfunden. Ein Wort, das denen, die es aussprechen, Macht gibt, nicht denen, die es beschreibt. Ein Wort, das Galgen baut und Scheiterhaufen, das lebendige Frauen in Leichen verwandelt."

Altha und ihre Mutter gelten aufgrund ihrer Kräuterkentnisse und der Tatsache, dass sie ohne Mann leben, als Hexen. Nach dem Tod der Mutter wird die junge Altha als Mörderin angeklagt. Sie wird mehrere Tage in eine dunkle Zelle gesperrt, öffentlich gedemütigt, im Gerichtssaal entkleidet und vorgeführt, da ihre Naturverbundenheit als Gefahr für die "natürliche", eigentlich aber künstliche patriachale Ordnung gilt. Altha ist eine wahnsinnig starke junge Frau, die viel Leid ertragen muss, jedoch stets zu sich und ihrer Entscheidung steht, allein in einem abseits gelegenen Cottage zu leben und ihrer Berufung nachzugehen. Es wurde sehr deutlich, wie schwer es Frauen zur damaligen Zeit hatten, auch am Beispiel ihrer Freundin Grace, die von ihrem Mann stark misshandelt wurde und viel mehr als objektivierte Gebährmaschine denn als eigenständige Person betrachtet wird. Ich hatte großen Respekt vor den Frauen in diesen Kapiteln.

VIOLET 1942
"Es war schwer zu sagen, ob Vater sie liebte. Oft hatte es den Eindruck, dass ihn nur interessierte, ob er sie in etwas Hübsches, Braves verwandeln konnte oder nicht. In ein Geschenk, das er irgendeinem anderen Mann überreichen würde."


Violet wächst in einem goldenen Käfig, einem abseits gelegenen Herrenhaus, ohne soziale Kontakte auf. Offiziell als untypisch für eine "Dame" liebt die Teenagerin die Natur, erforscht Insekten und klettert auf Bäume. Sie war Jungfrau, als ihr Cousin sie vergewaltigte mit dem Zusatz "Ich gehe davon aus, es hat dir Spaß gemacht?", wodurch sie ein schwerwiegendes Trauma erlitt. Natürlich glaubte ihr niemand, sodass sie auf Althas Cottage geschickt wird, mutterseelenallein und mit einem Kind im Bauch, das abzutreiben einer "Sünde" gleichkommt. Violet denkt jedoch gar nicht daran, ihren verhassten Cousin zu heiraten und dessen Grausamkeit länger im Bauch zu tragen, weshalb sie sich Althas Kräuterbücher zunutze macht und das Kind verliert. Unterstützt wird sie von ihrem Bruder, dem einzigen Mann in ihrem Leben, der sie als Mensch wahrnimmt. Auch erfährt sie, dass ihre Mutter demselben Arzt zum Opfer fiel, der sie ungefragt auf ihre "Intaktheit" untersuchte und der Mutter die Gebärmutter entfernte, um diese von ihrer "Hysterie" zu befreien. Hysterie = Frau = Gebärmutter...logisch - nicht. Violet wird jedenfalls enterbt, weil sie nicht spult, dem Cousin fällt alles zu. Violet aber lebt ein erfülltes Leben als Insektenforscherin und bereist zahlreiche Länder, alles Dinge, die ihr durch die Heirat verwehrt geblieben wären. Violet ist ein paar Jahre jünger als Altha, hat aber zumindest ab und zu Unterstützung durch ihren Bruder. Sie ist eine wahnsinnig starke Protagonistin, ich habe mit ihr gelitten, gehofft, gebangt. Wahnsinn, dass diese routinemäßige Misshandlung der Frau vor gerade einmal 80 Jahren spielt.

KATE 2019
Kate ist mit 29 die älteste der drei Frauen. Nach 6 Jahren Misshandlung und Isolation durch ihren stark gewalttätigen Freund Simon, wird sie schwanger und verlässt London fluchtartig. Sie findet Zuflucht in Althas und Violets Cottage, das Letztere ihr vermacht hat, im Norden Englands. Dort findet sie endlich zu sich selbst und beschließt, das Kind zu bekommen und dies mit aller ihr zur Verfügung stehenden Macht zu verteidigen. Zuspruch findet sie in den Aufzeichnungen ihrer Ahninnen und Nachfahrinnen deren Freundinnen. Dieser Teil hatte etwas Thrillerhaftes an sich, weil er in der Gegenwart spielt und man stets Angst hatte, Simon würde Kate finden - was letztlich auch der Fall war. Es war schön zu sehen, wie sie sich von ihm befreit  - von der Kleidung, die er für sie ausgesucht hat, von der Haarfarbe, die er ihr aufdrückte bis über die Angst und dadurch von seiner Macht über ihn.
Besonders im Kontext der Gegenwart sollte man sich hier nochmal die Zahlen häuslicher Gewalt zum Opfer gefallener Frauen vor Augen halten, in DE trifft das nämlich auf jede 3. (!) Frau zu! Da viele Frauen aus Scham oder Angst schweigen, werden solche Fälle oft gar nicht angezeigt oder als Affekttat (bei Mord) aus "Liebe" angegeben, obgleich es oftmals jahrelange Misshandlung mit sich führte und viel mehr als Frauenhass bezeichnet werden muss- denn, mal ehrlich, Liebe ist etwas anderes... Deshalb finde ich es ungemein wichtig, offen über solche Themen zu sprechen und das Gefühl von Gemeinschaft, Verständnis und Solidarität zu vermitteln.

Für mich zählt der Roman zu meinen Jahreshighlights. Die Verknüpfung der Schicksale der Frauen, wie sie sich über Jahre, teils Jahrhunderte hinweg helfend zur Seite standen, wie sie den Forderungen der Gesellschaft trotzten und sich für ein Leben in Selbstachtung und Selbstbestimmung entschieden, war einfach unglaublich stark. Aus den Opfern werden Überlebende, aus den Überlebende unabhängige, starke junge Frauen.
Zudem war das Buch wahnsinnig fesselnd geschrieben, ich konnte die Verbindung der Frauen zur Natur, ihrer Ursprünglichkeit, richtig fühlen, wie auch ihren Leidensweg, ihre Hoffnungen, Ängste und Sehnsüchte. Es war richtig inspirierend, muss man sagen. Auch der Blick auf die Natur wird sich für einige Leser und Leserinnen durch die Lektüre mit Sicherheit ändern.
Die drei Perspektiven wechselten sich ab, die Kapitel hatten eine angenehme Länge. Anfangs hätte mir es geholfen, wäre bei jedem Kapitel nochmal die Jahreszahl dabei gestanden, aber die fand man ohnehin nochmal hinten auf dem Buchumschlag.
Die Schicksale der Frauen wurden nach und nach miteinander verwoben, sodass es bis zur letzten Seite spannend war, als dann alle Fäden zusammenliefen.
Das Cover und die Insektenzeichnungen bei den Kapitelanfängen haben mir richtig gut gefallen, das Cover finde ich sogar schöner als bei den Auslandsausgaben, weil es einfach so frisch und passend aussieht, gleichzeitig nostalgisch wie modern, ein bisschen wie Scrapbooking. Es lässt den Leser oder die Leserin ebenso in die Magie der Natur versinken wie die außergewöhnliche, wundervolle Geschichte selbst.
Die Gewalt gegen Frauen sollte man vor dem Kauf als Triggerwarnung natürlich berücksichtigen, doch geht es um weitaus mehr als das, nämlich, sich von dieser patriachalen Unterdrückung zu befreien und nicht nur der Welt, sondern vor allem sich selbst zu beweisen, dass man keinen Mann braucht, um ein erfülltes Leben zu führen.
Von mir gibt es eine ganz klare Leseempfehlung mit 5+⭐

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Veröffentlicht am 11.10.2023

Achterbahnbahrt der Gefühle

Was, wenn wir genug sind?
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𝕎𝕒𝕤 𝕨𝕖𝕟𝕟 𝕨𝕚𝕣 𝕘𝕖𝕟𝕦𝕘 𝕤𝕚𝕟𝕕

Was für eine Achterbahnbahrt der Emotionen 🙈 Ich empfehle bei diesem Roman UNBEDINGT die Triggerwarnung zu lesen, weil es sehr sehr authentisch und echt geschrieben ist, aufwühlend, ...

𝕎𝕒𝕤 𝕨𝕖𝕟𝕟 𝕨𝕚𝕣 𝕘𝕖𝕟𝕦𝕘 𝕤𝕚𝕟𝕕

Was für eine Achterbahnbahrt der Emotionen 🙈 Ich empfehle bei diesem Roman UNBEDINGT die Triggerwarnung zu lesen, weil es sehr sehr authentisch und echt geschrieben ist, aufwühlend, tiefgreifend und hart. Ein Buch, das nicht nur nach Beenden der Lektüre, sondern mit jeder einzelnen Seite seine tief hängen bleibt und mitnimmt. Wow! Das liegt daran, dass es  sich u.a. um einen Own Voice Text handelt, da die Autorin wie die Protagonistin an einer Angststörung leidet.

Die einzelnen Figuren haben mir wahnsinnig gut gefallen, sie waren schlüssig ausgearbeitet, authentisch und man konnte bis zum Schluss mit ihnen fühlen.
Lily leidet unter dem Leistungsdruck von Schule, College und Familie. Ihr Vater meint es liebevoll, wenn er ihr sagt, wie stolz er auf sie ist, seine perfekte Tochter. Bei Lily erzielt dies jedoch das Gegenteil, denn nun setzt sie alles daran, dieses perfekte Mädchen zu sein.
Der Sportlehrer drillt sie, sich um Zehntelsekunden zu verbessern, anderenfalls würde sie vom Team ausgeschlossen und hätte keine Chance auf den Sieg zur Meisterschaft. Doch je größer der Druck, desto mehr verschlechtern sich ihre Leistungen. Während uns in Deutschland die Sportnoten in der Regel nicht wirklich interessieren (mich jedenfalls nicht) bzw. schlicht als Nebenfach gilt, benötigt man in den USA zahllose solcher Aktivitäten, um die Chance für das College zu erhöhen. Das dort wiederum unfassbar teuer ist und Lily möchte ihren Vater nicht finanziell belasten, da dieser bereits alle Hände damit zu tun hat, die Kosten für die psychiatrische Behandlung von Lily Schwester Alice zu bezahlen.
Dass Lily eine einzige Chance, ein Kunstprojekt, bleibt, um ein wichtiges Stipendium zu bekommen und sie zudem unter der Bipolarität ihrer Schwester leidet, die nach ihrem Klinikaufenthalt zurückkommt, mündet schließlich in selbstverletzendes Verhalten.
Neulich habe ich in einer Doku über Leistungsdruck in Schulen (den es laut unserem Bildungsminister nicht gibt xD) gehört, dass sich aktuell jede/r 5. Schüler/in selbst verletzt. Ich würde mal sagen, dass sagt alles über unser Schulsystem...
Bei dem Kunstprojekt jedenfalls lernt Lily Micah kennen, der mit Alice wegen Depressionen in der Klinik war. Zunächst geht sie ihm aus dem Weg, weil sie Angst hat, dass jmd von ihrer Schwester erfährt, plötzlich aber scheint er der Einzige, der sie versteht. Sie verliebt sich in ihn.
Für mich war die subtile Liebesgeschichte gar nicht 100% eine solche, sondern eher eine gegenseitige Rettungsmission als forever&always. Irgendwie habe ich beiden jemand "Stabiles" gewünscht, damit sie sich nicht gegenseitig tiefer und tiefer in die Dunkelheit ziehen. Rausgeholt haben sie sich teilweise, vor allem ging es jedoch darum, sich zu der anderen Person ins Dunkle zu setzen und deren Hand zu nehmen. Es war total berührend und ergreifend und ich hatte die eine oder andere Träne im Auge.
Micah ist ein sehr sehr starker Protagonist, der durch den frühen Suizid des Vaters litt und dessen Depressionen teilt. Die Mitschüler hänseln ihn massiv wegen seines Klinkaufenthalts und schicken ihm sogar Tabletten, um die Schule von dem "Psycho" zu befreien. Das Mobbing war so schrecklich, dass es mir in jeder Zelle weh getan hat. Micah war quasi gezwungen, dem Ganzen stillschweigend standzuhalten, weil er wegen einer Schlägerei auf seiner alten Schule die Suspendierung fürchten musste. Auch die Lehrer und Eltern hatten Vorurteile, er war von vorne herein der Sündenbock und hatte eigentlich gar keine Chance. Er war die Krankheit, der Klinikaufenthalt, die Schlägerei, ein Stempel, nicht Micah. Außer eben bei Lily, die ihn, seine Kunst und seine besondere Sicht auf die Welt lieben lernte.
Auch in der Kunst harmonierten sie wundervoll, er mit seinen atemberaubenden Zeichnungen, sie mit ihren hochemotionalen, ehrlichen Gedichten, die mitten ins Herz gingen und die sie sich laut auszusprechen nicht traute, um nicht ebenfalls einen Stempel aufgedrückt zu bekommen. Generell traute sich niemand, seine Gefühle, Denken und auch seinen Schmerz und seine Ängste offen zu teilen - bis die beiden ihr ganz besonderes, anonymes Kunstprojekt in die Welt riefen, indem sie auf dem ganzen Schulgelände den MitschülerInnen die Möglichkeit gaben, sich schriftlich auszudrücken, wodurch ein ungemeiner Support entstand und endlich jeder loswerden konnte, was er auf dem Herzen trug. Das machte das Buch zu etwas ganz Besonderem und war einfach nur wunderwunderschön, wenn auch erschreckend, worunter die Einzelnen stillschweigend leiden (müssen). Am liebsten hätte ich jeden fest in den Arm genommen und gesagt, nach der Schulzeit wird alles besser, du wirst schon sehen 💗
Es waren Worte, die in dieser oder ähnlicher Form sicher jeder von uns im Laufe seines Lebens schon einmal gehört hat, Worte die oftmals ein Leben lang festsitzen und von Klein auf prägen, Worte die wahnsinnig viel mit einem machen, bis man realisiert, dass man sich selbst seinen eigenen Wert geben darf und die der Gesellschaft absolut keine Bedeutung haben - Worte wie
𝒈𝒆𝒉 𝒂𝒖𝒇𝒔 𝒄𝒐𝒍𝒍𝒆𝒈𝒆
𝒃𝒆𝒔𝒕𝒆𝒉 𝒅𝒆𝒏 𝒕𝒆𝒔𝒕
𝒌𝒐𝒎𝒎 𝒎𝒂𝒍 𝒌𝒍𝒂𝒓
𝒗𝒆𝒓𝒔𝒂𝒖 𝒆𝒔 𝒏𝒊𝒄𝒉𝒕
𝒘𝒂𝒓𝒖𝒎 𝒃𝒊𝒔𝒕 𝒅𝒖 𝒔𝒐?
𝒔𝒕𝒓𝒆𝒏𝒈 𝒅𝒊𝒄𝒉 𝒎𝒆𝒉𝒓 𝒂𝒏

𝑺𝒆𝒊 𝒋𝒆𝒎𝒂𝒏𝒅 𝒂𝒏𝒅𝒆𝒓𝒔
𝑱𝒆𝒎𝒂𝒏𝒅 𝑩𝒆𝒔𝒔𝒆𝒓𝒆𝒔
𝑱𝒆𝒎𝒂𝒏𝒅 𝒅𝒆𝒓
𝑵𝒊𝒄𝒉𝒕
𝑲𝒐𝒎𝒑𝒍𝒆𝒕𝒕
𝑽𝒆𝒓𝒌𝒆𝒉𝒓𝒕
𝑰𝒔𝒕
𝒔𝒆𝒊 𝒎𝒖𝒕𝒊𝒈
𝒔𝒆𝒊 𝒌𝒍𝒖𝒈
𝒔𝒆𝒊 𝒘𝒖𝒏𝒅𝒆𝒓𝒔𝒄𝒉𝒐𝒆𝒏
𝒔𝒆𝒊
𝒅𝒊𝒆
𝑩𝒆𝒔𝒕𝒆
Im Endeffekt - sei alles außer du selbst.
Dahingehend öffnet dieses Jugendbuch wirklich nochmal enorm die Augen.

Durch Alice hat man das Ausmaß einer bipolaren Störung erlebt,  die dazu führte, dass Lily sie mit aufgeschnittenen Armen am Badezimmerboden fand, wodurch ihre Depressionen erst begannen und sie sich fragen musste, ob sie an derselben Krankheit leidet wie ihre Schwester. Diese Parts waren besonders heftig und anschaulich, Lilys Überforderung und Wut waren absolut nachvollziehbar, zumal sie sich ein Zimmer mit Alice teilte, die entweder hoch enthusiastisch die ganze Nacht lang herumwerkelte oder sich tagelang unter der Bettdecke verkroch. Was Krankheiten innerhalb der Familie mit einem Schüler oder einer Schülerin machen, sieht natürlich niemand, es zählen nur die abfallenden Noten, denn was einem zuhause abverlangt wird, wird nicht in Zahlen bemessen.
Sowohl die Klassenkameraden als auch die Eltern und Lehrer waren sehr individuell gestaltet, wirkliche Charaktere und keine bloßen Funktionen, es war sehr sehr gut ausgearbeitet, wirklich als wäre die ganze Geschichte genau so passiert. Hut ab!
Der Schreibstil ist flüssig, die Kapitel haben eine angenehme länge und die Gedichte runden das Ganze hochemotional ab. Toll fand ich auch das von der Autorin gewählte Stilmittel, manche Sätze durchzustreichen, nämlich die, die Lily denkt, aber nicht ausspricht, das hat einfach soo gut gepasst und nochmal verdeutlicht, dass wir offener über unsere Gedanken und Gefühle reden sollen und Freunden und Familie die Chance geben, uns aufzufangen statt sie wegzustoßen.
Am Ende des Buches finden wir eine längere Anmerkung der Autorin zum Thema Angststörungen wie auch Telefonnummern für alldiejenigen, die stark belastet werden durch all die unausgespeochenen Worte, die sie mit sich herumschleppen.
Von mir gibt es eine Leseempfehlung im Mental Health Bereich mit 5+⭐

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