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Veröffentlicht am 03.12.2023

Erst die Möglichkeit, einen Traum zu verwirklichen, macht unser Leben lebenswert. - Paolo Coehlo

Lindy Girls
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1928 Berlin. Wally Kaluza ist Tanzlehrerin aus Leidenschaft und versucht, in einem gemieteten Studio junge tanzbegabte Frauen aus allen Gesellschaftsschichten zu einer Gruppe zu formen. Die „Lindy Girls“ ...

1928 Berlin. Wally Kaluza ist Tanzlehrerin aus Leidenschaft und versucht, in einem gemieteten Studio junge tanzbegabte Frauen aus allen Gesellschaftsschichten zu einer Gruppe zu formen. Die „Lindy Girls“ sollen mit einer Choreographie zu amerikanischer Swing-Musik frischen Wind in die etablierten Etablissements der Stadt bringen, die bisher immer noch auf Altbewährtes setzen. Thea, Alice und die anderen Frauen trainieren hart und gehen bis an ihre Grenzen. Doch Wally und den Mädels wird der Einstieg nicht leicht gemacht, zu sehr sitzen alte Gewohnheiten in den Köpfen der Entscheider fest. Erst als Wallys bester Freund und ehemaliger Geliebter Toni aus den USA zurückkehrt und sich Wally als Teilhaber aufschwatzt, wendet sich langsam das Blatt. Toni verschafft der Tanztruppe erste Auftritte in kleinen Etablissements. Werden die „Lindy Girls“ Erfolg haben?
Anne Stern hat mit „Lindy Girls“ einen sehr unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt, der den Leser nicht nur in das Berlin der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts entführt, sondern auch mit starken Profilen aufwartet, die stellvertretend für die Frauen der damaligen Zeit stehen. Der flüssige, farbenprächtige und empathische Erzählstil kann den Leser sofort an sich fesseln und führt ihn per Zeitreise ins alte Berlin. Dort findet er sich im Wechsel an der Seite der unterschiedlichsten Protagonistinnen wieder und erhält dabei nicht nur Zugang zu deren Gedanken- und Gefühlswelt, sondern auch in die zwischenmenschlichen Beziehungen untereinander sowie in die einzelnen Lebensumstände und Schicksale. Wally hat sich nach einem Schicksalsschlag als Tanzlehrerin in Berlin niedergelassen, hat zwar kaum Geld, aber einen großen Traum, den sie unbedingt verwirklichen will. Dafür verzichtet sie auf vieles und verlangt auch ihren Elevinnen für den Erfolg alles ab. Ihr bester Freund, der alles von ihr weiß, ist ein Kriegsveteran, der sich als Callboy verdingt und innerlich mit dem Leben abgeschlossen hat, während ihre große unerfüllte Liebe Toni sich an jeden Rock heftet, der ihm über den Weg läuft und ihr immer wieder das Herz bricht. Während Thea aus gutem Hause stammt und mit einer körperlichen Einschränkung trotzdem ihr Glück bei der Tanztruppe versuchen will, steht Alice in einer Fabrik am Fließband, um sich und ihren jüngeren Bruder Ben durchzubringen. Den Rahmen der Handlung bildet Gila, die als Sekretärin bei einer Zeitung arbeitet, jedoch auf eine Karriere als Schriftstellerin hofft und die Entwicklung der „Lindy Girls“ über ihre Freundin und Mitbewohnerin Thea beobachtet. Stern hat ihre Handlung nicht nur mit einem sehr farbenfrohen historischen Hintergrund des alten Berlins unterlegt, sondern bildet auch die unterschiedlichen Gesellschaftsschichten wunderbar in ihrer Geschichte ab. Der Gegensatz zur Haute volaute, die in teuren Etablissements die Korken knallen lässt, während andere nicht wissen, ob sie sich etwas zu essen leisten können, wird sehr gut dargestellt. Gerade bei den „Lindy Girls“ wird deutlich, wie groß die Träume der jungen Frauen sind, die in ihrer Tanztruppe einen Mikrokosmos bilden, sich gegenseitig unterstützen und zusammenhalten. Der Wechsel zwischen den einzelnen Charakteren ist so wunderbar geschaffen, dass der Leser die Lektüre kaum aus der Hand legen kann, derweil er ein Wechselbad der Gefühle durchlebt ob der einzelnen Schicksale.
Die Charaktere sind wie aus dem Leben gegriffen, authentisch und mit menschlichen Ecken und Kanten wachsen sie dem Leser sofort ans Herz, der sie nicht aus den Augen lässt. Wally ist nach außen hart und unerbittlich, aber innerlich leidet sie. Gila ist großzügig und hat das Herz am rechten Fleck. Wally wirkt unsicher, doch die Musik lässt sie alles vergessen und über sich hinauswachsen. Alice trägt viel Verantwortung, ist verlässlich und doch lebt sie immer in Angst. Toni ist ein großspuriger Windhund, zeigt jedoch auch liebenswerte Seiten.
„Lindy Girls“ ist ein wunderbarer, tiefgründiger historischer Roman, der mit einer Mischung aus Träumen, Freundschaft, Liebe, tollen Frauen, Schicksalen und einigen alten Ohrwürmern dem Leser sehr unterhaltsame Lesestunden beschert, während er unbewusst mit dem Fuß wippt und im Geiste mitsingt. Absolute Leseempfehlung für diese Zeitreise in die Golden Twenties im alten Berlin!

Veröffentlicht am 31.10.2023

Alle Schuld rächt sich auf Erden. - Johann Wolfgang von Goethe

Die verschwiegenen Jahre
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1972. Die 27-jährige amerikanische Lehrerin Hannah Sterling wird aufgrund von Verhaltensauffälligkeiten vom Unterricht freigestellt. Diese sind eine Folge des sehr unterkühlten Verhältnisses zwischen Hannah ...

1972. Die 27-jährige amerikanische Lehrerin Hannah Sterling wird aufgrund von Verhaltensauffälligkeiten vom Unterricht freigestellt. Diese sind eine Folge des sehr unterkühlten Verhältnisses zwischen Hannah und ihrer Mutter, die vor kurzem verstorben ist. Hannah hatte nie eine vertraute Beziehung zu ihrer Mutter Lieselotte, weil diese es nie zuließ. Darunter hat Hannah zeitlebens gelitten. Als sie in den Hinterlassenschaften von Lieselotte alte Briefe findet, erlebt sie eine große Überraschung, die sie zu weiteren Nachforschungen nach Deutschland reisen lassen. Wird Hannah dort die Antworten auf ihre Fragen finden, die sie nachträglich endlich mit ihrer Mutter versöhnen und sie ihr etwas näher bringen?
Cathy Gohlke hat mit „Die verschwiegenen Jahre“ einen sehr berührenden historischen Roman vorgelegt, dessen Handlung den Leser nicht nur mit zwei Zeitebenen unterhält, sondern auch zurück in die schlimme Zeit des 2. Weltkriegs zurückführt. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser mit wenigen Worten an Hannahs Seite gleiten, um ihre Gedanken- und Gefühlswelt kennenzulernen und sie bei ihren Unternehmungen im Jahr 1972 zu begleiten. Das Leben mit einer lieblosen Mutter hat Hannah psychisch gezeichnet, sie konnte nie begreifen, warum Lieselotte ihr gegenüber immer distanziert und kühl war. Die Briefe in Lieselottes Nachlass veranlassen Hannah, den neugewonnenen Informationen nachzugehen und nach Deutschland zu reisen, wo sie angeblich einen Großvater hat, von dessen Existenz sie bisher nichts wusste und der Hannah nach ihrer Ankunft abweisend begegnet. Irgendwas stimmt nicht mit dieser Familie, das wird Hannah schnell klar, doch ihre Neugier treibt sie weiter in die Vergangenheit ihrer Mutter in den Jahren 1938 bis 1945, die über den zweiten Erzählstrang preisgegeben wird. Dabei wird sie von der Zufallsbekanntschaft Karl unterstützt. Gemeinsam finden sie heraus, dass Lieselotte in einem nazigetreuen Haushalt aufwuchs und heimlich verliebt in Jugendfreund Lukas Kirchmann, dessen Familie heimlich verfolgte Juden versteckt und Mitglieder der Bekennenden Kirche sind. Schon bald unterstützt Lieselotte die Kirchmanns, heiratet sogar heimlich ihre große Liebe Lukas. Gohlke treibt die Spannung ihrer Handlung mit den wechselnden Zeitebenen immer weiter in die Höhe und zeigt dem Leser neben dem Gewissenskonflikt von Lieselotte auch die Veränderung von Hannah wunderbar auf. Gleichzeitig spiegelt sie die damaligen Zustände unter den Nazis wider und lässt diese Zeit so lebendig werden, dass der Leser bei der Lektüre ein Wechselbad der Gefühle durchläuft. Der christliche Aspekt ist sehr schön in die Handlung eingebettet und thematisiert Schuld, Vergebung, Verzeihen sowie Hoffnung.
Die Charaktere sind sehr liebevoll ausgestaltet und mit glaubwürdigen menschlichen Eigenheiten in Szene gesetzt. Der Leser heftet sich sofort an ihre Fersen, schaut ihnen über die Schulter und hofft, bangt und leidet mit ihnen. Hannah ist durch das zeitlebens fehlende vertraute Band zu ihrer Mutter gezeichnet. Sie fühlt sich ungeliebt, ihre Unsicherheit spiegelt sich in ihrem Verhalten anderen gegenüber wider. Doch gleichzeitig ist Hannah mutig, sich den Widerständen zu stellen und nach Antworten zu suchen. Lieselottes Verhalten Hannah gegenüber macht sie nicht gerade sympathisch, doch ihre Vergangenheit gibt die Erklärung dafür. Als junge Frau hat sie das Herz am rechten Fleck und Verantwortung für ihre Entscheidungen übernommen. Hannahs Großvater ist ein widerlicher menschenverachtender alter Mann, der bis zum Tod nichts gelernt hat.
„Die verschwiegenen Jahre“ ist ein emotional sehr berührender historischer Roman, der nicht nur in die schlimmste deutsche Vergangenheit entführt, sondern dem Leser tiefgründig das Schicksal der Protagonisten näher bringt. Absolute Leseempfehlung!!!

Veröffentlicht am 15.10.2023

Alle Reisen haben eine heimliche Bestimmung, die der Reisende nicht ahnt. - Martin Buber

Die Schatten von Swanford Abbey
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1820 England. Rebecca Lane arbeitet als Gesellschafterin der wohlhabenden Lady Fitzhoward. Als ihr Bruder John ihre Hilfe benötigt, kehrt sie nach längerer Zeit in ihren Heimatort Swanford zurück, um ihn ...

1820 England. Rebecca Lane arbeitet als Gesellschafterin der wohlhabenden Lady Fitzhoward. Als ihr Bruder John ihre Hilfe benötigt, kehrt sie nach längerer Zeit in ihren Heimatort Swanford zurück, um ihn zu unterstützen. Dass John sie gleich nach ihrer Ankunft weiterschickt ins Grand Hotel Swanford Abbey zusammen mit einem Manuskript, welches er geschrieben hat, mutet Rebecca seltsam an, doch sie tut ihm den Gefallen. Sie soll sich dort einmieten und das Manuskript einem Autor übergeben. Schon bald läuft Rebecca nicht nur ihre alte Jugendliebe Sir Frederick Wilford über den Weg, sondern auch ein Mord innerhalb der Hotelmauern sorgt für einige Unruhe. Da ihr Bruder John als Hauptverdächtiger gilt, macht sich Rebecca daran, gemeinsam mit Frederick, mit dem sie noch viel verbindet, den wahren Täter aufzuspüren…
Julie Klassen hat mit „Die Schatten von Swanford Abbey“ einen unterhaltsamen Regency-Roman vorgelegt, der den Leser nicht nur eine Zeitreise spendiert zurück ins 19. Jahrhundert, sondern gleichzeitig mit einer spannenden Handlung in Atem hält und mit Romantik verwöhnt. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser sofort in die damalige Zeit eintauchen und an die Seite von Rebecca gleiten, die ihre Heimat nach langer Zeit wiedersieht, um ihrem Bruder John zur Hilfe zu eilen. Ihr ungeplanter Aufenthalt im ehemaligen Kloster, dass nun als Grand Hotel fungiert, wird zu einem ungewöhnlichen Abenteuer, denn das alte Gemäuer birgt nicht nur einige Geheimnisse, auch einige der Gäste haben einiges zu verbergen. Das Zusammentreffen mit ihrer Jugendliebe Frederick lässt alte Gefühle in Rebecca hochschwappen, für den Leser ist es schön zu beobachten, wie beide miteinander umgehen und sich langsam wieder einander annähern. Während Klassen mit detaillierten Beschreibungen die alte Abbey vor dem inneren Auge des Lesers entstehen lässt und für die nötige Schauerstimmung sorgt, ist es vor allem der Mord an einem suspekten Autor, der alle in Atem hält. Nicht nur Rebeccas Bruder John verhält sich widersprüchlich und lässt ihn schnell zum Hauptverdächtigen avancieren, auch einige Hotelgäste, darunter Rebeccas Arbeitgeberin Lady Fitzhoward verhalten sich merkwürdig und geben dem Leser Anlass für allerlei Spekulationen. Die Autorin versteht es sehr geschickt, den Leser an den Mordermittlungen zu beteiligen, die Rebecca und ihre heimliche große Liebe Frederick auf Trab halten. Die Spannung steigert sich mit jedem Kapitel und bietet Gänsehautfeeling der besonderen Art. Der christliche Aspekt wurde gut in die Handlung eingebunden, es geht um Gottvertrauen, Glauben und Hoffnung.
Die Charaktere wurden mit menschlichen Ecken und Kanten glaubwürdig in Szene gesetzt, so dass der Leser sich gern unter sie mischt und bei ihren Vorhaben auf Schritt und Tritt verfolgt. Rebecca ist eine liebenswürdige und hilfsbereite junge Frau, die einen Hang zur Neugier nicht verbergen kann. Gleichzeitig ist sie eine ehrliche Haut, der es widerstrebt, anderen etwas vorzumachen. Ihr Bruder John ist nicht gerade ein Sympathieträger, wirkt er doch eher selbstsüchtig und egoistisch. Er treibt es mit seinem Verhalten recht weit, aber sein Gewissen meldet sich noch rechtzeitig. Sir Frederick ist ein zurückhaltender, charmanter Mann, der das Herz am rechten Fleck besitzt. Zudem ist sein Spürsinn recht ausgeprägt. Aber auch weitere Protagonisten wie Thomas Wilford, Dr. Fox, Ambrose Oliver oder Lady Fitzhoward tragen einiges zur Spannung dieses Romans bei.
„Die Schatten von Swanford Abbey“ ist ein stimmungsgeladener historischer Roman, der nicht nur das England der damaligen Zeit widerspiegelt, sondern mit einer geheimnisvollen und spannenden Handlung den Leser sofort in seinen Bann zieht. Die Mischung aus Historien-, Kriminal- und Liebesroman wurde hier wunderbar umgesetzt und sorgt für unterhaltsame Lesestunden mit Nervenkitzel. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 15.10.2023

Was wäre das Leben, hätten wir nicht den Mut, etwas zu riskieren? Vincent van Gogh

Das Geheimnis der Dior-Kleider
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1939 England. Skye Penrose hat schon als Kind von ihrer Mutter Flugunterricht bekommen, seitdem liebt sie das Fliegen mehr als alles auf der Welt. Während des 2. Weltkrieges erkämpft sich Skye die Chance, ...

1939 England. Skye Penrose hat schon als Kind von ihrer Mutter Flugunterricht bekommen, seitdem liebt sie das Fliegen mehr als alles auf der Welt. Während des 2. Weltkrieges erkämpft sich Skye die Chance, den Lufttransport der Royal Air Force zu unterstützen, Kampfflugzeuge sind für sie und die anderen 11 rekrutierten Frauen allerdings bisher tabu. Das ändert sich, als immer mehr Piloten von ihren Einsätzen nicht zurückkehren. Unterstützung bekommt sie von ihrem Jugendfreund Nicholas, den sie unerwartet nach langen Jahren fehlenden Kontakts bei der RAF wiedertrifft. Schnell müssen beide feststellen, dass das altvertraute Band zwischen ihnen noch immer besteht, obwohl Nicholas inzwischen mit der Französin Margeaux verlobt ist. Werden Skye und Nicholas den Krieg überleben und ein gemeinsames Glück finden?
2012 findet die australische Modekonservatorin Kat in dem alten Haus ihrer Großmutter Margeaux 65 Haute Couture Kleider von Christian Dior und ist völlig begeistert. Sie fragt sich aber auch, wie ihre Großmutter an diese Kleider gekommen ist, doch Margeaux will Kats Nachfragen nicht beantworten. Erst, als ein berühmter englischer Autor für ein Buch recherchiert und Kontakt zu Kat aufnimmt, beginnt diese, Nachforschungen über die Vergangenheit ihrer Großmutter anzustellen…
Natasha Lester hat mit „Das Geheimnis der Dior Kleider“ einen wunderschönen, berührenden Roman vorgelegt, der sich an der wahren Geschichte von Catherine Dior anlehnt, der Schwester des weltberühmten Modeschöpfers, die selbst im Widerstand gekämpft hat. Der flüssige, farbenfrohe und empathische Erzählstil nimmt den Leser sofort in den Bann und lässt ihn mal in die Vergangenheit von Skye, Margeaux und Nicholas reisen, mal im Jahr 2012 an der Seite von Kat verweilen, deren Handlungsstrang einen gelungenen Rahmen für die Erlebnisse der Vergangenheit bildet. Während die Autorin wortgewandt dem Leser Informationen über die RAF-Pilotinnen im 2.Weltkrieg vermittelt, sind es gerade die Schicksale ihre Protagonisten, die den Leser mitten ins Herz treffen. Was Skye, Catherine Dior und Margeaux als Insassinnen im brandenburgischen KZ Ravensbrück erlebten, ist an Grausamkeiten kaum zu überbieten und beschert dem Leser eine Dauergänsehaut. Während der Leser mit Kat der Vergangenheit hinterherspürt, werden ihm durch detaillierte Beschreibungen Bilder der unvergleichlichen Haute Couture Roben in den Kopf gepflanzt. Durch den Wechsel der Handlungsstränge erzeugt Lester eine unterschwellige Spannung, die sich immer weiter in die Höhe schraubt, je mehr die Geschichte fortschreitet.
Den Charakteren wurde Leben eingehaucht, ihre menschlichen Ecken und Kanten können den Leser sofort überzeugen, so dass er sich an ihre Fersen heftet, um hautnah ihre Erlebnisse mitzuverfolgen. Skye ist eine offene, liebenswerte, abenteuerlustige Frau, die ebenso hilfsbereit wie unbekümmert ist. Nicholas, als Junge noch eher schüchtern, wirkt als erwachsener Mann zurückhaltend, jedoch loyal, mitfühlend und vor allem vertrauenswürdig. Margeaux macht mit ihrem Wesen einer unterkühlten Französin alle Ehre, jedoch ist das hauptsächlich Fassade, oder sollte man besser sagen Pokerface? Skyes Schwester Liberty ist von Kindheit an ein Aas, ein Stachel im Fleisch von Skye, denn sie ist nicht nur egoistisch, verzogen und arrogant, ihre Art und Weise lässt dem Leser das Blut in den Adern gefrieren. Aber ebenso wichtig für die Geschichte sind Kat, Eliott, Rose und einige andere, denn sie machen die Handlung sehr lebendig.
Mit „Das Geheimnis der Dior Kleider“ hat sich Lester endgültig in den Schreibhimmel katapultiert, denn ihre historische Hintergrundrecherche sowohl über die RAF als auch über die Dior-Kleider ist meisterhaft. Die feinfühlige Anlehnung an die reale Geschichte von Catherine Dior verbunden mit einem spannenden, unterhaltsamen Mix aus Familiengeschichte, Kriegsgeschehen, Liebe, Verrat und mutigen starken Frauen, der den Leser bis ins Mark berührt, ist atemberaubend und verdient eine absolute Leseempfehlung. Chapeau – besser geht es nicht!!!

Veröffentlicht am 15.10.2023

Du musst die Dunkelheit spüren, um das Licht zu lieben. – Argyris Eftaliotis

Fräulein Gold: Die Lichter der Stadt
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1929 Berlin. Zwar hat die Inflation endlich ein Ende, doch leider liegt die Wirtschaft immer noch am Boden. Unsichere politische Zeiten ebnen den immer mehr erstarkenden Nazis den Weg bei den Menschen, ...

1929 Berlin. Zwar hat die Inflation endlich ein Ende, doch leider liegt die Wirtschaft immer noch am Boden. Unsichere politische Zeiten ebnen den immer mehr erstarkenden Nazis den Weg bei den Menschen, die verzweifelt unter Armut und Hunger leiden. Als Hebamme steht Hulda Gold in der Schöneberger Mütterberatungsstelle ihren Patientinnen in jeder Notlage bei und unterstützt sie aus vollen Kräften. Gleichzeitig macht es ihr ihr Umfeld als ledige, alleinerziehende Frau nicht leicht, doch für ihre dreijähriges Töchterchen Meta erträgt sie alles mit der Stärke einer Löwenmutter. Mit dem Besuch der jungen Schauspielerin Milli Nowak und deren Tochter in der Beratungsstelle eröffnet sich Hulda eine weitere Welt ihres Stadtviertels; die beiden benötigen dringend Hilfe. Währenddessen häufen sich die Einbrüche in Schöneberg, sogar die Apotheke und Berts Zeitungskiosk bleiben nicht davon verschont. Dem geht Hulda mit ihrer ureigenen Spürnase auf den Grund und muss dabei Acht geben, schon wegen Meta nicht in Gefahr zu geraten…
Anne Stern hat mit „Die Lichter der Stadt“ den sechsten Band ihrer historischen „Fräulein-Gold“-Reihe um die Hebamme Hulda Gold vorgelegt und lädt den Leser zu einer spannenden Zeitreise in die späten 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts ein. Der flüssige, farbenprächtige und empathische Erzählstil hat den Leser sofort fest im Griff und schleust ihn zurück ins alte Berlin, um dort als unsichtbarer Schatten Hulda auf Schritt und Tritt zu folgen. Dabei erlebt er, welche Schwierigkeiten Hulda als unverheiratete, alleinerziehende Mutter hat, was zur damaligen Zeit ein echter Skandal war. Als Mutter muss Hulda immer wieder Zugeständnisse machen, denn die Verantwortung für ihr Kind hat oberste Priorität. Deshalb kann sie auch nicht mehr als Hebamme arbeiten wegen der unregelmäßigen Arbeitszeiten, doch ihr geliebter Beruf fehlt ihr sehr. Die Arbeit in der Beratungsstelle ist ihr zwar eine Herzensangelegenheit, jedoch füllt er sie nicht aus. Die Einbruchsserie im Schöneberger Kietz lenkt sie daher ab, denn sie liebt es, Verbrechen auf die Spur zu kommen. Da diesmal auch enge Vertraute von den Einbrüchen betroffen sind, ist es ihr geradezu eine Herzensangelegenheit, die Übeltäter zu stellen. Stern lässt den Leser nicht nur gemeinsam mit Hulda auf spannende Verbrecherjagd gehen, sondern trumpft gleichzeitig mit einem akribisch recherchierten historischen Hintergrund auf, so dass man das Gefühl hat, die Vergangenheit leibhaftig mitzuerleben, ob es sich dabei um die am Boden liegende Wirtschaft, die wachsende Armut in der Bevölkerung, horrende Reparationszahlungen oder den immer größeren Zulauf zu den Nationalsozialisten handelt. Die gesamte Handlung ist so fesselnd konzipiert, dass der Leser das Buch kaum aus der Hand legen kann und eine Achterbahn der Gefühle erlebt.
Die Charaktere sind so detailliert und lebensecht gezeichnet, dass der Leser sich nur zu gern unter sie mischt, mit ihnen hofft und bangt. Vor allem Hulda stiehlt sich mit ihrer Art schnell ins Leserherz, denn sie ist nicht nur offen und aufrichtig, ihr Verständnis von Verantwortung, Hilfsbereitschaft und Unterstützung sucht seines gleichen. Neben Stärke und Mut sind es vor allem ihr Dickkopf und ihre unbändige Neugier, die immer wieder für Gefahrenmomente sorgen. Ihre neue Bekanntschaft, der verheiratete Professor Max, ist ein sympathischer Kerl, aber ist er auch ein Mann, auf den Hulda sich verlassen kann? Ebenso bereichern Kommissar Karl, Irma, Bert, Jette und viele weitere Protagonisten die Handlung mit ihren jeweiligen Auftritten.
„Die Lichter der Stadt“ präsentiert dem Leser neben einer wunderbar unberechenbaren und liebenswerten Hauptprotagonistin einen exzellent recherchierten historischen Hintergrund sowie einen spannenden Kriminalfall, der unbedingt gelöst werden will. Stern schreibt empathisch, authentisch und mit dem gesegneten Talent, das Kopfkino des Lesers auf Touren zu bringen. Absolute Leseempfehlung für ein Lesehighlight des Jahres 2023!