Ohne Eltern wohnt die kleine Momo in einem alten Amphitheater, versorgt von den zahlreichen Freunden, die sie immer wieder besuchen. Wie keine andere versteht sich Momo darauf, den Menschen zuzuhören, sodass sie selbst ihre Probleme lösen und wieder lachen können. Doch als das rätselhafte Heer der grauen Herren in die Stadt einfällt und sich die Menschen verändern, geht das auch nicht spurlos an Momo und ihren Freunden vorbei. Um die Menschen und ihre Lebenszeit zu retten, muss Momo ganz genau zuhören – und die grauen Herren zu Fall bringen …
„Momo“ ist tatsächlich der Kinderbuch-Klassiker von Michael Ende, den ich als Kind weder gelesen noch in irgendeiner Form angesehen habe. Da „Jim Knopf“ und „Die unendliche Geschichte“ zu meinen Favoriten zählten, wollte ich mich nun aber auch mal an dieses Buch heranwagen und aufholen, was ich verpasst habe. Und so kam es, dass ich mit 21 Jahren Momo in mein Herz geschlossen habe.
Zuerst möchte ich ein paar Worte zu der Fassung verlieren, die ich nun im Regal stehen habe. Die Jubiläumsausgabe für das 45. Jahr „Momo“ ist nämlich wirklich ein richtiger Augenschmaus. Ich kann mir gut vorstellen, dass das modernere Cover mit der Stanzung auch weitere junge Leser anlockt, wobei das Hardcover unter dem Schutzumschlag mit dem Sternenmuster doch das Märchenhafte beibehält und einen tollen Effekt bietet. Ich war wirklich hin und weg von der großartigen Aufmachung, zu der auch die zahlreichen Illustrationen im Buch beitragen.
„Momo“ hat mich aber auch vom Inhalt her überzeugen können. Das Buch besitzt auch die für Michael Ende typische märchenhafte Erzählweise, die manchmal etwas in die Länge gezogen wirken kann, aber durch ihre Wortgewalt besticht. Auf mich macht es immer den Eindruck, dass der Autor es verstanden hat, mit Worten Bilder ins die Köpfe der Menschen zu malen. Er regt die Fantasie an, und auch das ist so charakteristisch, dass es herrlich zu Momo passt: Man benötigt nicht immer mehr und mehr, wenn man in sich selbst genug Erfüllung findet.
„Momo“ steht für mich als eine Lektion in Sachen Achtsamkeit ein, ein Kinderbuch, das besonders Erwachsene aufmerksam machen sollte. Wie gehen wir mit Zeit um? Wissen wir sie wirklich zu schätzen und zu wissen? Nehmen wir uns noch die Zeit, um wirklich zuzuhören und die Welt zu sehen, wie sie ist, oder sind auch wir schon in den Fängen der grauen Herren verstrickt?
Während der Plot des Buchs sehr interessant und immer wieder etwas Neues war, regt das Buch zum Nachdenken über viele Themen der heutigen Zeit an. Es kam mir an vielen Stellen so vor wie ein Ausblick auf das, was wir nun haben – eine Gesellschaft, die der Zeit unterworfen ist, mehr will und immer schneller. Momo als Titelheldin hat dementsprechend mit ihrem Verhalten, ihrer Ruhe und ihrer Gabe, einfach nur zuzuhören, auch mich zum Nachdenken gebracht. Deshalb ist dieses Buch auch solch ein zeitloser Klassiker: Das Streben nach Mehr im Menschen wird niemals aufhören, gleichzeitig wollen wir doch so viel aus unserer Lebenszeit rausholen, wie nur möglich. Die grauen Herren sind hierbei eine wundervolle Metapher, die man im täglichen Leben überall wiederfinden kann. Sie sollten uns aufmerksam machen, wie wir mit uns selbst umgehen, was wir von unserer Zeit eigentlich erwarten und ob wir nicht auch alle mal eine Momo brauchen, die uns geduldig zuhört, bis wir uns selbst wiederfinden.