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FranziskaBo96

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.06.2024

Krisen über Krisen

Wellness
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Als sich Jack und Elizabeth 1993 kennenlernen, scheint ihre Liebesgeschichte beinahe märchenhaft. Die zwei kommen aus ganz unterschiedlichen Welten, denen sie beide versuchen, in der Kunstszene Chicagos ...

Als sich Jack und Elizabeth 1993 kennenlernen, scheint ihre Liebesgeschichte beinahe märchenhaft. Die zwei kommen aus ganz unterschiedlichen Welten, denen sie beide versuchen, in der Kunstszene Chicagos zu entfliehen und verlieben sich schnell ineinander. Doch 20 Jahre später, nach Heirat, Kind und einer Investition in eine Eigentumswohnung, bröckelt es gewaltig. Das einst so glückliche Paar sieht sich jetzt mit Vergangenheit und Gegenwart konfrontiert und muss für sich die Frage beantworten, ob ihre Ehe diese Krise(n) überleben kann.

Ich bin sonst eigentlich immer der Überzeugung, dass (für mich) kein Buch mehr als 600 Seiten hat, ohne langwierig und träge zu werden. Entsprechend vorsichtig ging ich die knapp 700 Seiten von "Wellness" an. Umso mehr freut es mich, dass sich das Buch in die bisher doch sehr kurze Liste der Ausnahmen dieser Regel einfinden kann.

Mir ist bewusst, dass die Zusammenfassung, die ich eingangs gegeben habe, sicherlich etwas dürftig ist, aber es ist wirklich sehr schwer, prägnant auszudrücken, worum es in diesem Buch geht - aber ich glaube, genau das hat mir hier auch so gut gefallen. Es bildet so wunderbar das moderne Leben und seine Probleme ab, vor allem Technologie ist ein wiederkehrendes Thema, aber das Elternsein, die Beziehung zu unseren Eltern und unseren Vorfahren, Kunst, Geschichten und so vieles mehr. Dabei wirkte die Erzählung aber auch nie überladen und ich hatte nie Probleme, dem roten Faden zu folgen - wirklich ein literarisches Kunststück.

Auch mit der Struktur experimentiert der Autor immer wieder mal, was mir auch sehr gut gefallen hat. Dieses Buch hat mich einfach super bei der Stange gehalten, was wie bereits erwähnt, bei der Länge schon wirklich schwierig bei mir ist.

Von mir bekommt "Wellness" eine große Empfehlung!

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Veröffentlicht am 27.04.2024

Wer ist hier verrückt?

Yellowface
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Die Beziehung zwischen den beiden Autorinnen June Hayward und Athena Lui schwankt zwischen Konkurrentinnen und Freundinnen. Athenas Werke werden aufgrund ihrer einzigartigen Sichtweise einer Frau mit asiatischen ...

Die Beziehung zwischen den beiden Autorinnen June Hayward und Athena Lui schwankt zwischen Konkurrentinnen und Freundinnen. Athenas Werke werden aufgrund ihrer einzigartigen Sichtweise einer Frau mit asiatischen Wurzeln gefeiert, während die Weiße June unbedeutend bleibt und neidisch auf Athenas Erfolg blickt. Doch das Blatt wendet sich, als June miterleben muss, wie Athena auf grauenhafte Weise stirbt - und in ihrer Wohnung kurz darauf ihr neustes Manuskript findet. Sie lektoriert das Werk, von dessen Existenz bisher niemand wusste, und verkauft es unter ihrem Namen an einen Verlag - und es wird zum Erfolg. Wir erleben nun aus Junes Sicht, wie sie mit diesem Erfolg umgeht, aber auch, wie sie die Schuld langsam verrückt werden lässt.

Schon in "Babel" hat mir Kuangs ziemlich einzigartige Sichtweise auf Rassismus unheimlich gut gefallen. Und auch in "Yellowface" schafft sie es wieder, sich auf erfrischende Weise mit dem Thema zu beschäftigen. So hinterfragt man sich (vor allem als Weißer Leser) immer wieder selbst, wenn manche von Junes Handlungen als durchaus plausibel erklärt werden, aber man sich dann selbst dabei erwischt, wie man merkt, dass das alles doch auf sehr rassistischen Grundgedanken beruht. Dabei wird aber auch immer wieder klar, dass bei dem Thema nicht immer alles eindeutig ist und man vieles kritisch hinterfragen sollte.

Auch gut gefiel mir der Einblick in die Verlagswelt, der sicher auch von den persönlichen Erlebnissen der Autorin geprägt ist. Sie zeigt gut, welche Rolle heutzutage Social Media und Bewertungsplattformen spielen und welche Angst selbst bei etablierten Autor*innen darüber herrschen, in Vergessenheit zu geraten. Dahingehend finde ich auch besonders erwähnenswert, wie gut man Junes inneren psychischen Verfall miterleben konnte.

Der Hype ist bei diesem Buch total berechtigt. Wer einen einzigartigen Einblick auf die Buchbranche haben möchte, sollte es unbedingt lesen

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Veröffentlicht am 10.02.2024

Countdown zum Tod

Notizen zu einer Hinrichtung
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Ansel Packer hat nur noch 12 Stunden zu Leben - denn er wartet auf seine Hinrichtung. Wir begleiten ihn in seinen letzten Stunden, die geprägt sind von Frust, Reue, Trauer und Enttäuschung. Aus der Sicht ...

Ansel Packer hat nur noch 12 Stunden zu Leben - denn er wartet auf seine Hinrichtung. Wir begleiten ihn in seinen letzten Stunden, die geprägt sind von Frust, Reue, Trauer und Enttäuschung. Aus der Sicht von drei Frauen aus seinem Umfeld erfahren wir im Laufe des Buches, welche Taten überhaupt dazu geführt haben, dass Ansel im Todestrakt sitzt und welche Wellen sein Verhalten bzw. auch das anderer Menschen in seinem Leben gezogen hat.

Was für ein Buch - "Notizen einer Hinrichtung" wird mir sicher noch lang im Gedächtnis bleiben. Auf nicht mal 350 Seiten werden so viele spannende Problematiken angesprochen, ohne dass das Buch irgendwie zu vollgepackt wirkt. Gewisse Krimi-Elemente sorgen zusätzlich dafür, dass es richtig schwerfällt, es aus der Hand zu legen.

Besonders beeindruckend fand ich, wie gut die Autorin es schafft, verschiedene Perspektiven aus Ansels Leben zu präsentieren. Wir fühlen mit ihm mit, bemitleiden ihn oft auch, obwohl (oder vielleicht auch weil) wir immer mehr merken, was für ein Monster er eigentlich auch ist. Seine Taten werden nicht entschuldigt, trotzdem wird unheimlich gut aufgezeigt, wie Trauma und psychische Krankheiten einen Menschen zu einem Straftäter machen können. Das Buch ist ein Plädoyer gegen die Todesstrafe, wird aber auch nicht müde, die Problematik von Gewalt gegen Frauen zu unterstreichen. So macht Kukafka extrem gut deutlich, wie wichtig es ist, auch die Geschichten der Opfer zu erzählen.

Eine unglaublich mächtige Geschichte, die mich so schnell nicht mehr loslassen wird!

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Veröffentlicht am 17.10.2023

Deutschlands Problemzonen

Baustellen der Nation
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In "Baustellen der Nation" gehen die Gesichter hinter dem Politik-Podcast "Lage der Nation", Philip Banse und Ulf Buermeyer, acht große Probleme unserer aktuellen Politik an. Dabei erklären sie, wie diese ...

In "Baustellen der Nation" gehen die Gesichter hinter dem Politik-Podcast "Lage der Nation", Philip Banse und Ulf Buermeyer, acht große Probleme unserer aktuellen Politik an. Dabei erklären sie, wie diese entstanden sind, warum sie einfach nicht gelöst werden, welche Folgen sie haben und wie man sie aus der Welt schaffen könnte.

Man muss auf gar keinen Fall "Lage der Nation"-Hörer sein, um dieses Buch zu mögen, aber ich denke, dass man spätestens nach dieser Lektüre Lust auf den Podcast bekommt, denn die Autoren schaffen schriftlich genauso gut das, was ihren Podcast (meiner Meinung nach) so toll macht: Große politische Probleme, die wir alle kennen und die uns alle nerven (z.B. mangelhafte Infrastruktur, Nachholbedarf im Schulsystem, die Unpünktlichkeit der Bahn) werden aufgegriffen und anschaulich und auch wirklich verständlich erklärt. So war mir zum Beispiel überhaupt nicht bewusst, wie die umständliche Organisation des Bundesrates Teilursache des steigenden Politikverdrusses in Deutschland sein könnte, aber durch die unkomplizierten historischen und politischen Erklärungen werde ich sicher in Zukunft mit anderen Augen auf das politische Geschehen schauen.

Gut gefallen hat mir auch, dass zwar durchaus viel Kritik an den früheren und heutigen Verantwortlichen in der Politik und der Gesellschaft im Allgemeinen geübt wird, es aber nicht die unkonstruktive "Hau drauf"-Mentalität gibt, wie es bei ähnlichen Büchern leider oft der Fall ist. Die Autoren haben nachvollziehbare Problemlösungsvorschläge, die zwar oft vielleicht nicht vom Leser direkt, aber sicher vielleicht durch Wahlentscheidungen umgesetzt werden könnten. In jedem Fall haben sie meine Aufmerksamkeit für diese Themen geweckt, sodass ich in der Berichterstattung defintiv mal etwas mehr auf sie achten werde.

Die beiden Autoren wissen nicht nur, wovon sie sprechen, sondern haben extrem gut recherchiert, was eine umfangreiche Quellenliste am Ende bezeugt. Zitate aus Politiker- und Experteninterviews, passende Anekdoten aus dem Privatleben oder von Recherchereisen sowie die aus dem Podcast bekannte kleine Prise Humor sorgen dafür, dass sich das Buch viel leichter lesen lässt, als die trockenen Themen erahnen würden.

Wer sich also ein bisschen politisch bilden will, vor hochtrabender Literatur in diesem Bereich aber etwas zurückschreckt, wird in diesem Buch sicher genau das finden, was er sucht!

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Veröffentlicht am 24.09.2023

Verlust, Wut und Trauer

Warum wir noch hier sind
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Für Heide ist der Alptraum jeder Mutter wahr geworden: Ihre 14-jährige Tochter Etty wurde tot vor ihrer Haustür aufgefunden. Nicht nur für Heide bricht eine Welt zusammen, auch das ganze Ökosystem um sie ...

Für Heide ist der Alptraum jeder Mutter wahr geworden: Ihre 14-jährige Tochter Etty wurde tot vor ihrer Haustür aufgefunden. Nicht nur für Heide bricht eine Welt zusammen, auch das ganze Ökosystem um sie versucht, mit dieser Grausamkeit irgendwie klarzukommen. Wir begleiten Heides Freundin, unsere namenslose Protagonistin, dabei, wie sie versucht, Heide in dieser schweren Zeit zu unterstützen. Aber auch sie selbst hat mit dem Verlust des jungen Mädchens und ihrer zunehmenden eigenen Angst zu kämpfen.

Wie die Handlungsbeschreibung schon erahnen lässt, ist die Thematik schon ziemlich harter Tobak. Ich würde das Buch niemandem empfehlen, der für die angesprochenen Themen sehr empfindlich ist, auch Menschen mit Vergewaltigungserfahrungen sollten vielleicht Abstand von dieser Geschichte halten.

Alle anderen werden aber sicher vieles Überraschendes in dieser Geschichte finden. In nicht einmal 230 Seiten packt die Autorin so viele verschiedene interessante, erschreckende, traurige, aber teilweise auch hoffnungsvolle Aspekte. Die Trauer in ihren zahlreichen Facetten wird so anschaulich beleuchtet, wie ich es in kaum einem anderen Buch bisher erlebt habe.

Gleichzeitig gefällt mir, dass das Buch nicht ein kompletter Downer ist, denn auch das ist sicherlich für Trauer sehr realistisch. Selbst in den schlimmsten Lebenssituationen lassen sich Hoffnung und manchmal sicher auch eine gewisse Art von Humor finden.

Ein sehr besonderes Buch über Trauerverarbeitung - große Empfehlung!

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