Über das Vergessen und Erinnern
Der Dichter Diogo Santiago leidet unter einer Depression und kehrt auf Anraten seines Arztes in seine Heimatstadt Beira zurück. Dort begegnet er der jungen Liana Campos, die ihm Unterlagen zukommen lässt, ...
Der Dichter Diogo Santiago leidet unter einer Depression und kehrt auf Anraten seines Arztes in seine Heimatstadt Beira zurück. Dort begegnet er der jungen Liana Campos, die ihm Unterlagen zukommen lässt, die ihm darüber Aufschluss geben sollen, was sich in den siebziger Jahren in Mosambik abgespielt hat und welche Rolle sein Vater Adriano, der auch ein Dichter war, dabei gespielt hat. Liana selbst möchte herausfinden, was mit ihrer verschwundenen Mutter geschehen ist. Gemeinsamen machen sie sich auf, die Vergangenheit zu ergründen.
Es hat eine wenig gedauert, bis ich mich in die Geschichte hineingefunden habe. Dann aber hat sie mich doch gepackt. Der Autor Mia Couto erzählt diese Geschichte, die auf unterschiedlichen Zeitebenen spielt, auf ungewöhnliche Weise. Es ist eine Sammlung der unterschiedlichsten Quellen wie Tagebucheinträge, Aussagen von Zeitzeuge, amtlichen Dokumenten, Briefen und anderem, das verbunden ist durch die Suche von Diogo und Liana. Besonders gefallen haben mir die Kapitelüberschriften (wie zum Beispiel „Mit den Schatten sprechen“, „Das Schicksal austricksen“, „Ein Wundmal auf der Haut der Zeit“…) Trotz dieser vielen Quellen ergibt sich ein subjektives Bild, dass sich mit jedem neuen Dokument oder Zeugenaussage wieder verändert. Jeder hat halt seine eigene Betrachtungsweise auf das Geschehene und so manches mutet ein wenig mystisch an.
Wir erfahren, wie es damals in Mosambik zugegangen ist. Es war eine Atmosphäre des Misstrauens und schreckliche Grausamkeiten sind geschehen. Um das Massaker von Inhaminga ranken sich die Schicksale von sehr unterschiedlichen Personen, die aber miteinander verknüpft sind. Diogos Vater lebte als Dichter in seiner eigenen Welt. Er war zwar politisch interessiert, spielte aber nicht die Rolle, die Inspektor Oskar Campos vermutet, der Adriano unbedingt überführen will. Auf Veranlassung seiner Frau Virginia versucht Adriano in Inhaminga herauszufinden, ob Sandro noch lebt, der als Soldat in den Krieg gezogen ist. Dabei sieht Adriano all die Grausamkeit, die dort geschieht. Aber auch bei den Nachbarn der Santiagos gibt es Tragisches. Am Ende zeigen sich die Verbindungen zwischen diesen und weiteren Menschen und bringen einige Überraschungen ans Licht. Keiner der Personen hat unbeschadet aus dem damaligen Geschehen herausgefunden. Doch sie wollten vergessen, um weiter leben zu können.
In der Zeit der Befreiungskriege in Mosambik geht es sehr grausam zu. Nachdem man das Land ausgebeutet hat, traut keine Gruppierung der anderen. Bespitzelung, willkürliche Verhaftungen und Folter sind an der Tagesordnung und wieder einmal mischt auch die Kirche in diesem bösen Spiel mit. Manches ist nur schwer zu ertragen.
Es ist ein atmosphärisch dichter, vielschichtiger Roman über das Vergessen und Erinnern.