Ausbeutung der Vergangenheit
Über „Zeitkurier“ von Wesley Chu bin ich mehr oder weniger zufällig gestolpert. Dieses Buch hatte es auf keine meiner Wunschlisten geschafft. Warum weiß ich eigentlich nicht genau. Ich hatte es wohl schlicht ...
Über „Zeitkurier“ von Wesley Chu bin ich mehr oder weniger zufällig gestolpert. Dieses Buch hatte es auf keine meiner Wunschlisten geschafft. Warum weiß ich eigentlich nicht genau. Ich hatte es wohl schlicht nicht auf dem Schirm. Als es dann als Vorschlag im bloggerportal auftauchte, fand ich das Cover interessant und sah mir dadurch die Leseprobe genauer an. Nicht mein üblicher Typus Story, aber interessant. Ich dachte, ich könnte ja mal was Neues probieren…
Zeitkurier von Wesley Chu
Verlag Heyne
Genre Science Fiction
Erscheinungstermin 14.08.2016
Seitenanzahl 490
ISBN 978-3-453-31733-8
Mehrteiler ja
Preis 14,99 €
Altersfreigabe Erwachsene
Ausbeutung der Vergangenheit
Inhalt
James ist Stufe 1 Chronaut und lebt in einer dystopischen und sterbenden Welt. Mit seinem Lotsen Smitt, den er schon von der Akademie kennt und den er als einzigen Menschen als Freund bezeichnet, reist er im Auftrag der ChronoCom in die unterschiedlichsten Zeitperioden zurück, um wertvolle Energiequellen und andere überlebenswichtige Dinge in seine Zeit zu holen, ohne Zeitverwerfungen zu produzieren. Dabei hat er es mit vielen Menschen zu tun, die entweder sterben oder durch seine Hand getötet werden, um den Zeitstrom nicht zu stören. Immer wieder sagt er sich, dass sie in der Zukunft sowieso tot sind, versucht sein Gewissen zu unterdrücken, doch als er Elise trifft, die eigentlich auch sterben müsste, ist plötzlich etwas anders und zum ersten Mal bricht er die Zeitgesetze und nicht nur irgendeins, sondern das wichtigste. Was er jedoch nicht weiß, er löst dabei eine Reihe von Ereignissen aus, die eine Verschwörung ohne Gleichen aufdecken und ganz nebenbei scheint die Menschheit doch nicht ganz so verloren, wie gedacht…
Meine Meinung
Zeitkurier fiel mir schon wie erwähnt, eher zufällig in die Hände. Optik und Inhaltsbeschreibung klangen interessant und die Leseprobe, auch wenn sie eher nicht ganz so war, wie die Bücher, die ich sonst lese, regte dennoch mein Interesse.
Als ich den Roman schließlich in den Händen hielt, war ich recht erstaunt, da ich irgendwie nicht registriert hatte, was für ein dickes Buch ich erwartete. 490 Seiten, das ist schon nicht ohne. Dennoch bin ich ziemlich schnell mit dem Buch fertig geworden, finde ich. Nicht nur, weil es spannend war, sondern eben auch gut geschrieben.
Tatsächlich gefiel mir vorallem die Tatsache, dass es kein vor Technikbegriffen platzendes Buch ist, sondern, obwohl Technik eine große Rolle spielt, Fachbegriffe und Erklärungen nicht Überhand nehmen, sondern geschickt in die Geschichte integriert sind und sich fast von alleine erklären.
Wesley Chu schafft es zudem, einen zunächst wirklich unsymphatischen und unscheinbaren Protagonisten zu einer Person zu wandeln, die man irgendwie mag. Nein, James ist weder ein Adonis, noch wirklich symphatisch. Er betrinkt sich gern und viel, die Meinungen anderer interessieren ihn wenig, provoziert gern Schlägereien und ist im Großen und Ganzen ein eher abgewrackter Charakter. Gezeichnet von Verlusten und seiner psychisch und körperlich zermürbenden Arbeit. Einzig Smitt, sein einziger langjähriger Freund und sein Lotse, hilft ihm immer wieder aus diesem Sumpf. Ein Anti-Held ohne Gleichen, der mir zwar nie wirklich hundertprozentig symphatisch war, aber der mir dennoch gut gefiel.
Auch die anderen Charaktere polarisieren. Manche so stark, dass ich das Buch am liebsten wütend oder fassungslos zur Seite gelegt habe, andere überraschten mich aber auch total. Viel mehr werde ich hierzu aber nicht erzählen, da ich nicht zu viel verraten möchte.
Die Story ansich ist gut durchdacht, spannend und kann damit punkten, dass sich der Autor wirklich Mühe beim Setting gegeben hat. Zeitreise Romane sind keine einfache Sache und ich habe schon viele Reinfälle erlebt, doch Zeitkurier ist in diese Hinsicht in meinen Augen fehlerfrei. Wesley Chu hat nicht einfach drauflos geschrieben, sondern sich vorher Gedanken gemacht über das Handeln und die Konsequenzen dieser Zeitreisen.
Es ist für mich kein Buch, dass man in einem Rutsch verschlingt, aber es hat sich wirklich gut lesen lassen, mich gefesselt und positiv überrascht.
Lediglich das Ende ließ mich total geschockt zurück, da ich verzweifelt nach den fehlenden Seiten suchte. Es konnte doch nicht so enden. So willkürlich. So abrupt und offen?! Erst nach intensiver Recherche wurde mir klar, ich habe es mit dem ersten Band einer Triologie zu tun.
Band 1: Time Salvager – VÖ 2015 – (dt. Zeitkurier VÖ 14.08.2019)
Band 2: Time Siege – VÖ 2016 (dt. TBA)
Band 3: in Arbeit
Leider war das bei Heyne nirgends vermerkt. Ich war ehrlich gesagt auch ein wenig überrascht, dass die anderen Triologie von Chu: die TAO-Triologie bei Fischer TOR veröffentlicht worden war, das englische Original Time Salvager bei Tor Books (ob da ein Zusammenhang besteht, ist mir nicht klar), aber dieses bei Heyne. Ein Veröffentlichungsdatum für Band 2 ist auch noch nicht klar, aber ich hoffe, darauf muss ich nicht zu lange warten.
Und noch einmal zu den Covern. Wo ich grad bei den englischen Originalen bin. Ich finde das deutsche Cover zwar wirklich gut und ansprechend, sonst wäre ich ja nicht auf das Buch aufmerksam geworden, aber wenn ich das englische Original sehe, bin ich einfach nur geflasht. Hätte das deutsche Cover genauso ausgesehen, wäre das Buch hundertprozentig schon allein deshalb auf meiner Wunschliste gelandet, bin ich doch bekennender Cover-Junkie.
Fazit
Wesley Chu ist mit Zeitkurier ein außergewöhnlich starker und guter Zeitreiseroman gelungen, der dystopische Elemente mit Wirtschaftskrimi und Science Fiction vermischt, dabei aber nicht seine essentielle Linie verlässt uns sich selbst treu bleibt. Ein gelungener Serienauftakt, der nach mehr schreit und für mich ein überraschendes Lesehighlight dieses Jahr.
Damit verdient Zeitkurier volle 5 Punkte und eine Leseempfehlung.