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Veröffentlicht am 23.10.2023

Wertvolles Wasser

Walzer in Zeiten der Cholera. Eine Seuche verändert die Welt
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Weltausstellungen, Cholera, Tanzvergnügen im Dreivierteltakt und wertvolles Wasser – all das und noch viel mehr kennzeichnet das 19. Jahrhundert. Bestens recherchiert und spannend wie ein Roman vermittelt ...

Weltausstellungen, Cholera, Tanzvergnügen im Dreivierteltakt und wertvolles Wasser – all das und noch viel mehr kennzeichnet das 19. Jahrhundert. Bestens recherchiert und spannend wie ein Roman vermittelt Alexander Bartl Wissenswertes mit diesem interessanten Buch.

Der Titel stiftet anfangs wohl ein wenig Verwirrung, da die Cholera als solche gar nicht das Hauptthema dieses Buches darstellt, sondern alles in allem ein gelungener Mix aus gesellschafts-, gesundheits- und umweltpolitischen Inhalten ist. Um den Wienern qualitativ hochwertiges Wasser zur Verfügung stellen zu können (was wiederum die Cholera und andere Infektionskrankheiten eindämmt, aber zum damaligen Zeitpunkt nicht bekannt ist), gibt es verschiedene Ideen: eine Leitung mit Donauwasser, das Nutzen der Fischa-Dagnitz-Quellen oder eben das kostspielige und sehr umstrittene Projekt der Hochquellenwasserleitung aus den Gebieten Schneeberg und Rax, welches Eduard Suess und Cajetan Felder vorantreiben. Neben den schwierigen Verhandlungen und Budgetdebatten über die beste Lösung müssen die Wiener – und selbstverständlich auch andere Menschen auf der ganzen Welt – Wellen von Choleraepidemien über sich ergehen lassen und beklagen eine große Zahl an Toten. Gleichzeitig herrscht das Motto: „Tanzen und Lachen haben etwas Belebendes, beides sei daher heilsam.“ Und so mischt Bartl Heiteres und Trauriges gekonnt in ein unterhaltsames Sachbuch über das 19. Jahrhundert, vornehmlich in Wien, aber nicht ausschließlich.

Wer einen bunten Querschnitt aus der Kaiserzeit sucht und hohe Recherchequalität schätzt, ist hier goldrichtig, es geht keineswegs nur um Krankheit und Leid.

Veröffentlicht am 22.10.2023

Illusionen

ZAP. Für die einen ist es Vergnügen. Für ihn ein Albtraum.
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Der 14jährige Finn Ahlmann ist erst vor zwei Wochen mit seinen Eltern, der älteren Schwester und dem jüngeren Bruder in die neue Wohnung gezogen. In der Schule hat er sich noch nicht eingelebt mit seiner ...

Der 14jährige Finn Ahlmann ist erst vor zwei Wochen mit seinen Eltern, der älteren Schwester und dem jüngeren Bruder in die neue Wohnung gezogen. In der Schule hat er sich noch nicht eingelebt mit seiner eher introvertierten Art und seiner Vorliebe, Bücher zu lesen anstatt sich für Filme zu interessieren oder sich an den Raufhändeln der anderen Burschen zu beteiligen. Als er am Freitag zu Mittag von der Schule heimkehrt, sieht die Wohnung im ersten Stock links jedoch ganz anders aus als noch in der Früh und an Stelle seiner Mutter trifft er ein fremdes Ehepaar dort an. Kurz darauf muss Finn feststellen, dass auch der Straßenname anders ist und die Schule, aus der er gekommen ist, ein Pharmaunternehmen beherbergt. Was wird da mit ihm gespielt? Oder ist er gar durch ein Wurmloch in ein anderes Universum gelangt, wie es die Physiklehrerin am Vormittag unterrichtet hat?

In flottem Stil und passend für die Zielgruppe ab 14 Jahren schreibt Andreas Eschbach diesen Jugendroman rund um Finn nieder. Schnell kann man sich als Leser in die Situation hineinversetzen, wie es ihm daheim und in der Schule so geht. Recht ruhig und immer wieder einmal einem Streich ausgesetzt, hat er es wahrlich nicht leicht, sich zu behaupten, aber was diesmal passiert, hat doch eine ganz andere Dimension.

Illusion und Wahrheit ist das Grundthema in diesem mit 300 Seiten eher knapp gehaltenen Buch, die Kürze ist aber keineswegs ein Makel – so können Jugendliche gut erreicht werden und die Sache wird nicht langweilig. Interessante Charaktere und zum Nachdenken anregende Themen werden in die Handlung verpackt, sodass der guten Unterhaltung nichts mehr im Wege steht.

Veröffentlicht am 19.10.2023

Nur nicht Weihnachten

Ein Fest zum Verlieben
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Nach etlichen schrecklichen Dates und vielen ungemütlichen gemeinsamen Weihnachtsfeiertagen mit der Familie hat Julia genug: sie will zu Weihnachten allein sein und übernimmt die Aufgabe einer Haussitterin ...

Nach etlichen schrecklichen Dates und vielen ungemütlichen gemeinsamen Weihnachtsfeiertagen mit der Familie hat Julia genug: sie will zu Weihnachten allein sein und übernimmt die Aufgabe einer Haussitterin auf Gotland. Aber dort wartet nicht nur eine schreckliche Katze, sondern ein unsympathischer Mann, der ebenfalls Haussitter sein soll. Das Chaos ist perfekt, die Stimmung noch weite im Keller als schon davor.

Diese humorvolle Geschichte wird aus verschiedenen Blickwinkeln erzählt: Julia schildert die Geschehnisse aus der Ich-Perspektive im Präsens, während alle anderen Figuren aus der dritten Person im Präteritum beleuchtet werden. Je nach Vorliebe kann einem dieses Hin- und Herspringen gefallen oder auch nicht. Ich hätte eine durchgehende Vergangenheitsform bevorzugt. Nichtsdestotrotz ist die Charakterisierung der Personen sehr gut gelungen, die recht unterschiedlichen Leute lassen Spannung und Abwechslung aufkommen auf der Insel, welche durch einen Schneesturm vom Festland abgeschnitten ist. Vorerst darf der Leser Julia und Petter ein wenig kennenlernen, bevor die beiden einander auf der Überfahrt nach Gotland zum ersten Mal über den Weg laufen. Darauf folgen durchaus witzige Szenen, ab und zu darf es dazwischen aber auch ein wenig ernst werden und so finden auch ein paar nachdenklich stimmende Abschnitte Raum in diesem vorwiegend unterhaltsamen Weihnachtsroman.

Hinter dem wunderschönen Titelbild verbirgt sich eine warmherzige Geschichte, die ich gerne für die Weihnachtszeit empfehle.

Veröffentlicht am 17.10.2023

Reale Schicksale

Die Hexe von Nassau
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Katharina lebt mit ihrer Mutter in der Grafschaft Nassau in einem kleinen Dorf nahe Idstein. Ihr Auskommen finden sie mit Näharbeiten und beim Verkauf am örtlichen Markt. Als Graf Johannes im Jahre 1676 ...

Katharina lebt mit ihrer Mutter in der Grafschaft Nassau in einem kleinen Dorf nahe Idstein. Ihr Auskommen finden sie mit Näharbeiten und beim Verkauf am örtlichen Markt. Als Graf Johannes im Jahre 1676 die Hexenverfolgung unterstützt, wird Katharinas Mutter eingeholt und nach grausamer Folter am Scheiterhaufen verbrannt. Kaum hat ihre Tochter sich mit dem Schicksal abgefunden, gerät diese selbst in die Fänge des Henkers Leonhard Busch. Wahre Begebenheiten finden Raum in diesem bewegenden Roman.

Lebendige Bilder begleiten den Leser hier von der ersten bis zur letzten Seite. Sorgfältige Recherche zu realen historischen Hintergründen lässt Katharinas Geschichte sehr authentisch wirken. Die Figuren sind sehr gut charakterisiert, sodass man Katharina, ihre Mutter Eva, die Nachbarin und Freundin Maria oder den Seelsorger Andreas schnell vor Augen hat und sich auch von der Umgebung her in die schreckliche Zeit der Hexenverfolgung zurückversetzt fühlt. Die Handlung ist durchaus interessant und spannend, allerdings finden sich mitunter auch Längen in Form von inhaltlichen Wiederholungen und mehrfach vorkommenden ähnlichen Sätzen. Manches lässt sich vorhersehen, das Ende jedoch kommt durchaus überraschend und passt sehr gut zu diesem turbulenten Treiben rund um vermeintliches Hexenwerk.

Fazit: ein lesenswerter Roman rund um Hexenverbrennungen und andere schwere Schicksalsschläge, der geschickt mit historischen Fakten verknüpft ist.

Veröffentlicht am 15.10.2023

Waldmorde

Der Mentor
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Zwei übel zugerichtete Frauenleichen werden im Wald gefunden, markiert mit den eingeritzten römischen Zahlen I und III im Nacken. Deutet das auf einen Serienmörder hin? Um wen handelt es sich bei den beiden ...

Zwei übel zugerichtete Frauenleichen werden im Wald gefunden, markiert mit den eingeritzten römischen Zahlen I und III im Nacken. Deutet das auf einen Serienmörder hin? Um wen handelt es sich bei den beiden Toten? Kommissar Jakob Krohn aus Heidelberg und Fallanalytikerin Nova Winter, eine leidenschaftliche Einzelgängerin, stehen komplizierte Nachforschungen und grausame Bilder bevor.

Sofort ist man als Leser mitten im Geschehen, ein detailliert geschilderter Tatort lässt einem fast die letzte Mahlzeit wieder hochkommen. Nach diesem mehr als lebendigen Prolog geht es in den Wald zu zwei toten jungen Frauen Anfang Zwanzig. Die perfektionierten Beschreibungen sind auch weiterhin nichts für Zartbesaitete, denn das Böse zieht sich durch das Buch wie ein roter Faden. Spannend sind zudem die Figuren im ermittelnden Team, nicht allzu viel Persönliches wird verraten, aber doch genug, um sich ein passables Bild zu verschaffen. Hinzu kommen verschiedene Verdächtige und mögliche Zeugen die befragt werden müssen, während es unter Umständen schon weitere Opfer gibt – von Nummer II gibt es nämlich bislang keine Spur.

Kurze, knackige Kapitel und rasch wechselnde Szenen halten Spannung und Tempo in den knapp fünfhundert Seiten hoch, etliche Wendungen und Überraschungen fesseln bis zum turbulenten Ende. Auch wenn zwei Figuren mit den recht ähnlich klingenden Namen Marius und Magnus ab und zu Verwirrung stiften, die Episode aus dem Prolog und die Mordserie klärt sich schlüssig auf. Eine Frage am Ende könnte sogar eine Fortsetzung andeuten. Wer weiß?

Ein flotter Thriller, grausame Mordrituale und ein Team mit Ecken und Kanten – Hartgesottene dürfen zugreifen!