Carl Edson, Ermittler bei der Stockholmer Mordkommission, wird zu einem besonders grausigen Tatort gerufen: Ein Mann wurde nackt an die Wand genagelt und brutal gefoltert. Mit Schrecken stellen die Kriminaltechniker und Ermittler fest, dass der Mann noch lebt, doch aussagen kann er nicht mehr, denn er erliegt kurz darauf im Krankenhaus seinen Verletzungen. Der Täter hat keine Spuren hinterlassen, und es dauert nicht lange, da werden noch mehr Opfer gefunden, die alle ähnliche grausame Folterspuren aufweisen. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen den Opfern, bis auf die Tatsache, dass alle aus kriminellen Kreisen kommen. Carl Edson und sein Team stehen vor einem Rätsel und ermitteln auf Hochtouren, und auch Journalistin Alexandra Bengtsson berichtet beinahe in Echtzeit über die Todesfälle…
Brutal, überraschend, anders – tolles Thriller-Debüt des schwedischen Autors und erster Fall für Carl Edson. Ein echter Pageturner und eine neue Ermittler-Reihe, die sich gegenüber ihren großen Brüdern und Schwestern der skandinavischen Erfolgsthriller nicht verstecken muss und Lust auf mehr Fälle des eigenwilligen Ermittlers macht. Über einen Zeitraum von sechs Wochen erstreckt sich die Handlung des Buches, der Leser jedoch folgt atemlos den Ereignissen, und immer wenn man denkt, jetzt ist aber alles klar und logisch, kommt der Autor mit einer überraschenden Wendung um die Ecke. Nicht nur ist der Schreibstil einfach wahnsinnig flüssig und gut zu lesen, man ist sofort in der Geschichte drin und lebt – so ging es mir zumindest – auch gleich mit Carl Edson mit, sondern auch der Aufbau des Thrillers ist in meinen Augen untypisch und erhöht die Spannung ungemein. Teil eins beschreibt zunächst das Auffinden der Opfer und die Ermittlungsarbeit des Polizistenteams. Hierbei spart der Autor auch nicht an blutigen Details. So weit, so klar. Der Perspektivwechsel in Teil zwei ist dann aber insofern ungewöhnlich, als dass dieser Teil komplett aus der Sicht des Täters erzählt wird, hier spielt Carl eine Nebenrolle. Daran musste ich mich erst gewöhnen, denn ich hatte mich auf die Ermittlungsarbeit des Teams eingelesen und erwartete nun die Puzzleteile, die sich nach und nach zusammenfügen. Weit gefehlt, in diesem Teil wird die Identität des Täters und auch sein Motiv bekannt gegeben, aber dennoch ist die komplette Lösung noch in weiter Ferne. Im Nachhinein betrachtet erhöht dies die Spannung beträchtlich, zumal in Teil drei alle Fäden zusammenlaufen und wieder aus Sicht des allwissenden Erzählers berichtet wird. Man erfährt allerdings nicht viel darüber, wie die Ermittler zu ihren Erkenntnissen gelangen, und die Schlusslösung ist vielleicht nicht jedermanns Sache, doch ich fand sie überzeugend und sehr überraschend.
Carl Edson als Ermittler hat es mir besonders angetan. Er ist kein einfacher Charakter und schlägt sich beruflich wie privat mit vielen Zweifeln herum. Er ist überkorrekt, hadert mit Vorgesetzten und fühlt sich von seinem Chef und auch von seiner Familie missverstanden. Dennoch ist er ein vielschichtiger Charakter mit analytischem Verstand und viel Bauchgefühl und durchaus interessanten Methoden. Der Autor fokussiert sich nicht nur auf Carl als Ermittler, es wird deutlich, dass Carl auf die Arbeit seiner Kollegen dringend angewiesen ist. Auch sein Team, besonders Jodie und Simon, und die Mitarbeiter der Kriminaltechnik, der muffelige Chef Wallquist und die Rechtsmedizinerin Cecilia Abrahamsson, sind mehr als Nebenfiguren, sie sind starke Charaktere und haben einen hohen Wiedererkennungswert.
Fazit: Ungewöhnlicher Thriller, der aus der Masse heraussticht und nichts für schwache Nerven ist. Es ist kein klassischer Whodunnit-Krimi, also nichts für Leser, die gerne selbst ein bisschen mit ermitteln und einer stringenten Handlung folgen, sondern eher ein Psychogramm mit originellem Handlungsverlauf und überraschendem Ende. Wer sich darauf einlässt, darf sich auf weitere Fälle von Carl Edson freuen, und ich bin schon sehr gespannt, welche der bekannten Figuren dort wieder eine Rolle spielen werden.