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Veröffentlicht am 25.10.2023

Über eine heimliche Liebe und den Wert der Freundschaft

Honigkuchen
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Murakami ist zweifellos einer der brillantesten Erzähler unserer Zeit, der mich jedes Mal mit seiner ruhigen Art einzufangen weiß. Bei Honigkuchen handelt es sich um eine Kurzgeschichte, die bereits 2000 ...

Murakami ist zweifellos einer der brillantesten Erzähler unserer Zeit, der mich jedes Mal mit seiner ruhigen Art einzufangen weiß. Bei Honigkuchen handelt es sich um eine Kurzgeschichte, die bereits 2000 in »Nach dem Beben« erschienen ist und nun von Kat Menschik illustriert wurde. Untermalt ist wohl das passendere Wort dafür.
Trauriger Grund für diese Geschichte war das verheerende Erdbeben 1995 in Kobe, das ihn veranlasste, nach vielen Jahren im Ausland, in seine Heimat zurückzukehren.

Das zentrale Thema in Honigkuchen ist die unerwiderte Liebe, die zu einer bedingungslosen Freundschaft wird. Junpei, Takatsuki und Sayoko sind seit der Uni miteinander befreundet. Bevor Junpei Sayoko seine Liebe gestehen kann, schnappt Takatsuki sie ihm vor der Nase weg. Beide heiraten und bekommen eine gemeinsame Tochter – Sara.
Seine Enttäuschung verarbeitet der junge Autor Junpei in seinen Kurzgeschichten. Und wie im tatsächlichen Leben bleibt er auch bei den Literaturkritikern nur ein »vielversprechender Kandidat«. Aber die Freundschaft der drei ehemaligen Studenten hat Bestand und Junpei ist oft zu Gast bei der jungen Familie. Durch sein Talent, Geschichten zu erzählen, kann Junpei die kleine Sara nachts trösten. Denn seit dem Beben träumt Sara von dem Erdbebenmann, der sie in einer Kiste sperren will.
In dieser Geschichte geht es um den Bären Masakichi, der ein besonderes Talent hat und mit einem anderen Bären eine ungewöhnliche Freundschaft eingeht.

In feinen, kurzen Strichen zeichnet Murakami das Bild einer zarten Freundschaft, spricht von verpassten Chancen, einer unerwiderten Liebe. Einfühlsam und ruhig entfaltet sich eine Geschichte, die sich wie warmer Honig ums Herz legt.

Die Illustratorin Kat Menschik untermalt die Geschichte, die leise aufflammenden Konflikte und schafft damit eine wunderbare Verbindung. Haptisch, optisch und inhaltlich ist das Büchlein mit 80 Seiten und 19 Illustrationen ein kleines Juwel, das ich bereits auf die Geschenkliste zu Weihnachten gesetzt habe. Nicht nur ein Muss für alle Murakamifans und Liebhaber von schönen und besonderen Büchern. Es gibt übrigens beim Dumont Verlag noch weitere Bücher von Haruki Murakami, die von Kat Menschik illustriert wurden, ein Blick lohnt sich definitiv.

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Veröffentlicht am 03.10.2023

Tragisches Familiengeheimnis

Am Tisch sitzt ein Soldat
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»Diese Insel weist die Menschen ab, gönnt nur Seevögeln und Fischen ein behagliches Leben. Die Isländer mit ihren Schafen und Pferden, ihren Gummistiefeln und Kaffeemühlen; sie haben hier eigentlich gar ...

»Diese Insel weist die Menschen ab, gönnt nur Seevögeln und Fischen ein behagliches Leben. Die Isländer mit ihren Schafen und Pferden, ihren Gummistiefeln und Kaffeemühlen; sie haben hier eigentlich gar nichts verloren.« S.44

Genauso fühlte sich Island für mich an, als ich das Buch las, das bereits 2014 erschien und nun bei Diogenes neu aufgelegt wurde. Kalt, wenig einladend und trotzdem hatte es eine gewisse Faszination.

Jón ist mittlerweile von der Insel geflüchtet und studiert in Hamburg Medizin. Als er einen Brief erhält, dass seine Mutter im Sterben liegt, macht er sich auf die Heimreise. Viele ermüdende Kilometer muss er am Ende zu Fuß nach Mývatnsveit laufen. Über die Menschen, die Jón dort erwarten, schreibt Schmidt:

»Die Bauern in der Mývatnsveit … sind kauzige Menschen. Da gibt es ziemlich missratene Geschöpfe, die wohl nur am äußersten Ende der Welt geduldet werden.« S.14

Und Jóns Familie, Nachbarn und Freunde gehören zu den Eigenbrötlern, die diesem kargen Landstrich das Lebensnotwendigste abringen.
Wir schreiben das Jahr 1967, auf dem elterlichen Hof erwarten ihn nur noch seine herrische Tante Rósa und sein geistig behinderter Bruder Palli. Und während sie darauf warten, dass die Mutter stirbt, gleiten Jóns Gedanken immer wieder zurück in seine Kindheit. Sein Vater starb beim Schafabtrieb im Gletscherfluss, als Jón 2 Jahre alt war. Das weiß jeder in der Gegend. Und noch etwas geschah im 2. Weltkrieg, von dem Island nur marginal betroffen war, ein deutsches Militärflugzeug stürzt in der Nähe des Hofes ab. Den Soldaten kann man retten, er wird allerdings kurz darauf festgenommen und sein Flugzeug liegt noch heute an Ort und Stelle. An viel kann sich Jón nicht mehr erinnern. Aber stimmt es auch, was man sich hier erzählt?

Wieder einmal überrascht mich Schmidt mit einer Geschichte, die sich ganz langsam dreht und zu einem Krimi wird. Denn das Leben der Familie wird von einer großen Tragödie überschattet, über die man schweigt.

Ich mag Schmidts einfühlsame Art zu schreiben, seinen Tiefgang aber auch seinen leisen Humor. Sein ungeschönter Blick auf die einfach Menschen, die in diesem abgeschiedenen Teil der Welt leben, die einsilbig sind, sich die Einsamkeit erträglich trinken, die irgendwie vergessen wurden vom Rest der Welt und sich nicht immer um Recht und Gesetz scheren.

Beim Lesen hat man eigentlich nur das Bedürfnis, einen heißen Tee zu trinken und sich in eine Decke zu kuscheln. Definitiv wird die Geschichte noch lange in mir nachhallen, denn bisher hat mich kein Buch über Island atmosphärisch so eingefangen, dass es bleibenden Eindruck hinterlassen hätte. Auch wenn sich meine Sympathie für die meisten Figuren in Grenzen hielt, hab ich sie am Ende etwas bedauert, dass sie dort am Ende der Welt zurückbleiben mussten.
Ich denke, das Buch ist ein Muss für alle Schmidt-Fans. Hin und wieder blitzt auch der leicht schwarze Humor des Autors durch, den er in seinen Kalmann-Büchern perfektioniert hat.

»Vielleicht ist es der Zauber des Nordens, der seine Bewohner im festen Griff hält. Wird man nämlich von solch dunklen Gedanken geplagt und entschließt sich vielleicht, der Insel den Rücken zu kehren, lässt die Sonne unverhofft ihr goldenes Licht durch die Wolken strahlen, und die Millionen Schneeflocken verwandeln sich in Kristalle, die sich sanft auf die Auen legen und das Land in eine zauberhafte Märchenwelt verwandeln, sodass das mürbe Islandherz voller Stolz zu schlagen beginnt. Und die Frage, wie man es hier in dieser Einöde nur aushalten soll, ist plötzlich vom Tisch.« S.124

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Veröffentlicht am 28.09.2023

Die Rolle des BND im Irakkrieg

Einmal noch sterben
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Letztes Jahr bekam ich für den Autor eine große Empfehlung und habe mich nach über 20 Jahren mal wieder an einen Politikroman getraut. Ja, Bottini nennt es einen Roman, auch wenn die Spannung an vielen ...

Letztes Jahr bekam ich für den Autor eine große Empfehlung und habe mich nach über 20 Jahren mal wieder an einen Politikroman getraut. Ja, Bottini nennt es einen Roman, auch wenn die Spannung an vielen Stellen mit einem Thriller mithalten kann.

Nun ist es nicht gerade mein Wohlfühlgenre, aber schon nach ein paar Seiten fühlte es sich für mich an, als lese ich einen Carré.

Worum gehts?
2003 präsentiert der US-amerikanische Außenminister Powell angebliche Beweise für Saddam Husseins Massenvernichtungswaffen. Seine Quelle ist »Curveball«, ein fragwürdiger Informant des BND. Obwohl berechtigte Zweifel an dessen Aussage existieren, nutzt die Bush-Regierung sie als Legitimation für den Krieg gegen den Irak. Deutschland unter der Schröder-Regierung wird sich nicht daran beteiligen. So viel zu den Fakten. Im Roman gibt es eine irakische Regierungsgegnerin, die beweisen kann, dass Curveball lügt. Der Krieg könnte also noch abgewendet werden. Doch nun beginnt ein fieses Intrigenspiel. Frank Jaromin, Agent beim BND, wird nach Bagdad geschickt, um die Übergabe der Gegenbeweise zu sichern, doch schon seine Reise verläuft nicht wie gewünscht. Seine Mission läuft gründlich schief.
Gleichzeitig versucht die BKA-Sonderermittlerin Hanne Lay, die Identität Curveballs zu überprüfen, auch ihr werden von verschiedenen Seiten Steine in den Weg gelegt.
Schnell wird klar, dass beiden ein Gegner aus den eigenen Reihen gegenübersteht, eine Seilschaft, die im Gegensatz zur deutschen Regierung Interesse an dem Krieg hat.
Bottini hält sich natürlich an den Lauf der Geschichte, aber er stellt die Frage, ob der Krieg nicht frühzeitig hätte verhindert werden können. Was wäre gewesen, wenn? Und so konstruiert er einen vielschichtigen Plot, in dem es um Loyalität und Vertrauen, Verrat und verborgene Wahrheit geht.

Denn auch wenn man im Nachhinein festgestellt hat, dass Curveball gelogen hat, so bleiben doch einige Fragezeichen – wie das immer so ist, wenn Geheimdienste ihre Finger im Spiel haben. Bottini nutzt die Lücken, um seine Fiktion anzusiedeln und neue Fragen aufzuwerfen. Wie weit kann man staatlichen Institutionen trauen? Inwieweit war Deutschland tatsächlich am Krieg beteiligt? Dabei driftet Bottini aber nie ins Reich der Verschwörungstheorien ab.
Aber auch seine Figuren widmet er eine tiefe Charakterzeichnung. Was macht es mit einem, wenn man jahrelang als Agent arbeitet, seine Familie, die nichts davon wissen darf, daran zerbricht?
Bottins Politthriller ist ein absolut lesenswertes Buch, hochkomplex und rasant geschrieben. Schauplätze und Kapitel lösen sich in rascher Folge ab, und ganz allmählich verknüpfen sich alle Handlungsfäden. Köpfe rollen, Fäden werden gesponnen, Kollateralschäden in Kauf genommen. Die Welt ist und bleibt ein Wirrwarr aus Machtinteressen, die wir wohl nie durchschauen werden.
Erst dachte ich ja, dass ich an dem Genre scheitere, aber dem war nicht so. Ich habe mich zwar kurz in den historischen Hintergrund eingelesen, aber mit seiner Geschichte hat er mich restlos gefesselt.
Absolut verdienter 2. Platz beim Deutschen Krimipreis 2022.

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Veröffentlicht am 19.09.2023

Ein Mann kommt an eine Bar ...

Regen
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»Sehen Sie, wir können jedem vergeben. Unseren Eltern, unseren Kindern, unseren Freunden und selbst unseren Feinden. Nur uns selbst können wir nicht vergeben, das ist nicht möglich. Niemand kann sich selbst ...

»Sehen Sie, wir können jedem vergeben. Unseren Eltern, unseren Kindern, unseren Freunden und selbst unseren Feinden. Nur uns selbst können wir nicht vergeben, das ist nicht möglich. Niemand kann sich selbst seine Schuld erlassen, das kann nur der Gläubiger tun. Ihre eigene Schuld verjährt nicht. Damit müssen Sie leben. Oder auch nicht.« S.19

Wir begegnen einem namenlosen Mann an der Bar, der vor dem Regen geflüchtet ist. Als Schöffe hat er gerade seinen ersten Verhandlungstag hinter sich gebracht. Doch das Verbrechen ist nur der Auslöser für einen gedankenschweren Monolog, in dem er über Schuld und Vergebung sinniert, über den Menschen an sich. Eigentlich ist er Schriftsteller, zumindest hat er ein Buch geschrieben, für die Liebe seines Lebens. Doch alles lief anders als gedacht.

»Seit 17 Jahren bin ich ein durch und durch lächerlicher Schriftsteller, der nicht mehr schreibt. Ich gehe trotzdem jeden Morgen rüber ins Schreibzimmer. Die Menschen wollen ja immer etwas sein, was sie nicht sind. Ich sitze dann am Schreibtisch und trinke Kaffee und rauche und schreibe nichts. Als das bei Hemingway so war, ging er nicht mehr in eine Bar. Er schoss sich den Kopf weg. Das kann ich verstehen, weil der Kopf ja sowieso schon weg ist.« S.28

Unser namenloser Protagonist hadert mit seinem hoffnungslosen Leben, mit seinem Scheitern, mit Verlust und Einsamkeit. Er reflektiert über Gutes und Schlechtes in unserer modernen Gesellschaft.

Nun ist die Kurzgeschichte in Form eines Theatermonologs noch kein Buch, also bekommen wir noch ein Interview mit dem Autor, das zwar bereits in der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht wurde, ich aber noch nicht kannte. Hier spricht von Schirach sehr offen über sein Leben als Schriftsteller, seine Depression und seinen Umgang damit.

Die Themen aus dem Interview verbinden sich mit denen in der Geschichte und bilden für mich eine Einheit. Ich fand es sehr interessant, mehr über den Menschen hinter den Büchern zu erfahren.


»Ich schreibe jeden Absatz 30-, 40-, 50-mal um. Es geht darum, dass am Ende der einfachste Satz übrig bleibt. Nur das, was man einfach sagen kann, ist wahr. Es geht um das einfachste, klarste Wort, das Sie finden können.« S.63

Genau das macht von Schirach für mich aus, die glasklare Reduktion, ein Text in seiner ganzen Schlichtheit, der Raum lässt für eigene Gedanken und Reflexionen.
Das Büchlein – sei es auch noch so dünn – hat einige Gedankenanstöße in mir ausgelöst und ich werde es sicher noch ein zweites Mal lesen.
Man darf gespannt sein, wenn von Schirach ab Oktober damit durch Deutschlands Theater tourt und seinen eigenen Protagonisten in persona auf der Bühne verkörpert.

Meine Bewertung bezieht sich allein auf den Inhalt, nicht den Umfang des Buchs. Da es ein eigenständiges Theaterstück ist, lässt es sich sicher nicht in mit anderen Kurzgeschichten kombinieren und hat daher eine Daseinsberechtigung als eigenständiges Werk. Ob man bereit ist, dafür das Geld auszugeben, muss jeder selbst entscheiden, denn 20 Euro sind viel Geld. Mir ist es das auf jeden Fall wert.

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Veröffentlicht am 15.09.2023

Eine ergreifende Biografie

Dich zu verlieren oder mich
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»Meine Großmutter war der Überzeugung, dass der Allmächtige einem Menschen kaum eine schwerere Prüfung auferlegen könne, als ein Mädchen in Afghanistan zu sein. Als Kind wollte ich kein Mädchen sein. Ich ...

»Meine Großmutter war der Überzeugung, dass der Allmächtige einem Menschen kaum eine schwerere Prüfung auferlegen könne, als ein Mädchen in Afghanistan zu sein. Als Kind wollte ich kein Mädchen sein. Ich wollte nicht einmal, dass meine Puppen weiblich waren.« S.11

Das, was wir hier lesen, ist kein Roman! Ist ist die traurige, erschütternde aber auch hoffnungsvolle Lebensgeschichte einer afghanischen Frau und Mutter, die ergreifend und mutig schildert, was für uns Frauen hier in Deutschland unvorstellbar ist. Eine Geschichte, die unter die Haut geht. Unterbrochen werden die Kapitel von Briefen an ihren Sohn Siawash, der ihr mit nur 19 Monaten weggenommen wurde. Ihm versucht sie ihr Leben zu erzählen, damit er versteht, wie tief ihre Liebe zu ihm ist, und um Tausenden hilflosen afghanischen Frauen Mut zu machen.
Qaderi wächst in Herat, einer Großstadt im Westen Afghanistans auf. Schon früh wird für Qaderi deutlich, dass man ihrem Bruder andere Geschichten erzählt, Geschichten von Dschinns, von Wünschen, die in seinem Leben wahr werden können. Ihr machte vor allem ihre Großmutter, Nanah-jan, immer wieder deutlich, wo ihr Platz ist und was man von ihr erwartet.

»Meine Nanah-jan sagte immer: »In den Augen eines Mädchens sollte man Angst erkennen.«« S. 14

Unter der Herrschaft der Taliban wächst sie zur Frau heran und muss miterleben, wie den Frauen alle Rechte aberkannt werden. Sie dürfen nicht ohne männliche Begleitung auf die Straße gehen, sie dürfen nicht mehr lernen, keinen Beruf ausüben. Verstöße werden mit Auspeitschungen bestraft, schlimmstenfalls droht ihnen die Enthauptung. Doch Qaderi ist willensstark, mutig und rebellisch, findet immer wieder Wege, sich zu widersetzen und anderen Mädchen in ihrem Ort Mut zu machen.

Mit der Unterstützung ihrer Eltern gründet sie mit 13 Jahren eine Mädchenschule, offiziell, um den Koran zu studieren– das einzige Buch, das überhaupt noch gelesen werden darf. Aber sie bringt den Kindern Lesen und Schreiben bei, begleitet von der ständigen Angst, erwischt zu werden, denn es könnte für sie die Todesstrafe bedeuten. Doch das Leben wird sie noch vor eine Entscheidung stellen, deren Konsequenzen für jede Mutter unerträglich wären.

Dieses Buch hat mich immer wieder zu Tränen gerührt, manchmal war ich sprachlos, manchmal musste ich es zur Seite legen, weil es schier nicht zu verkraften war. Von Beginn an hat Qaderi mich mit ihren starken, poetischen und berührenden Worten gefesselt. Wie viel Mut es braucht, sich den Regeln und Gesetzen einer zutiefst konservativen patriarchischen Gesellschaft zu widersetzen, wenn klar ist, welche Konsequenzen zu befürchten sind. Ob russische Intervention, Bürgerkrieg oder Talibanherrschaft, das Land kennt keinen Frieden und keine Freiheit. Frauen werden zu Objekten degradiert, sind Vergewaltigungen, Zwangsheiraten und Polygamie ausgeliefert. Wie kostbar dagegen die kleinen Siege sind, die immer wieder errungen hat.

In einem sehr bewegenden Nachwort schreibt sie:
»Ich konnte es nicht fassen, dass ich eines Tages wieder gezwungen sein sollte, gegen die Taliban zu kämpfen. Aber die Wirklichkeit wurde zur Fratze, und die Weltgemeinschaft zeigte ihr wahres Gesicht, indem sie uns im Stich ließ.« S.233

Vielleicht erinnert ihr euch an die Bilder, als 2021 deutsche und US-amerikanische Truppen das Land verlassen, an die Menschen, die mit ihrer Verzweiflung und den neuen alten Talibanherrschern zurückgelassen wurden.
Bitte lest dieses Buch und vergesst nicht die Frauen in Afghanistan und all den anderen Ländern, die die Menschenrechte mit Füßen treten. Dieses Buch wird immer einen Platz in meinem Herzen haben.

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