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Veröffentlicht am 14.10.2017

Leider nur Mittelmaß

Fremde Tochter
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Während des gemeinsamen Familienurlaubes im Sommer in Korsika im Jahr 1989 passiert ein schlimmer Autounfall, und die 15-jährige Clothide ist die einzige Überlebende ihrer Familie. Seitdem war Clothilde ...

Während des gemeinsamen Familienurlaubes im Sommer in Korsika im Jahr 1989 passiert ein schlimmer Autounfall, und die 15-jährige Clothide ist die einzige Überlebende ihrer Familie. Seitdem war Clothilde niemals wieder auf der Insel. Doch nun, als erwachsene Frau, reist Clothilde mit ihrer eigenen kleinen Familie, mit Mann und Tochter, nach Korsika zurück. 27 Jahre sind vergangen und noch immer ist das furchtbare Erlebnis präsent. Als Clothilde einen mysteriösen Brief erhält, in dem ganz gewisse Dinge stehen, ist Clothilde sicher, dass ihre eigene Mutter noch am Leben ist. Sofort begibt sich Clothilde auf Spurensuche, denn sie möchte ihre Mutter finden. Dabei wirbelt Clothilde jede Menge alten Staub auf, kommt alten Geheimnissen auf die Spur und bringt durch ihre Nachforschungen selbst ihre eigene Familie in Not. Wird es ihr gelingen, die damaligen Umstände aufzudecken und vor allem, wird sie ihre Mutter wiedersehen?

Michel Bussi hat mit seinem Buch „Fremde Tochter“ einen unterhaltsamen Roman vorgelegt, der allerdings an keines seiner vorherigen Bücher heranreichen kann. Der Schreibstil ist flüssig und gut zu lesen. Der Autor liebt es, das Setting sehr detailliert und bildhaft zu beschreiben, so findet sich der Leser mit geschlossenen Augen in der Landschaft Korsikas und dessen wilder Schönheit schnell zurecht. Durch die ausschweifende und detailverliebte Erzählweise des Autors wird der Leser allerdings auch abgelenkt von der eigentlichen Geschichte. Weniger wäre hier viel mehr gewesen, um dem Leser die Chance zu geben, sein Kopfkino einzuschalten. Die Handlung wird aus verschiedenen Perspektiven und unterschiedlichen Zeitebenen erzählt, zum einen kommt die Vergangenheit mit dem Jahr 1989 zu Wort, zum anderen wird aus der Gegenwart im Jahr 2016 erzählt. Der Spannungsbogen wird gleich zu Beginn sehr hoch angelegt, doch leider kann der Autor diese nicht halten und sackt rapide ab. Erst im letzten Buchdrittel hebt sich die Spannung wieder auf ein gutes Level und bliebt dann bis zum Ende konstant.

Die Charaktere sind interessant ausgestaltet und in Szene gesetzt worden. Sie alle besitzen aufgrund ihrer Eigenheiten Authentizität und Lebendigkeit. Clothilde ist noch ein junges Mädchen im Teenageralter, das sich mit den üblichen Problemen herumschlägt, als ein Schicksalsschlag sie ihrer ganzen Familie beraubt. Ihr Leben lang vermisst sie ihre Eltern, aber erst als erwachsene Frau wagt sie sich mit ihrer eigenen Familie zurück nach Korsika, um sich ihren Alpträumen zu stellen. Clothilde ist eine zurückhaltende Frau, die sich allerdings ihren Ängsten stellt und den Mut sowie die Stärke aufbringt, nach der Wahrheit zu suchen. Auch die vielen Mauern des Schweigens lassen sie nicht aufgeben, denn sie will endlich wissen, was passiert ist und keine Angst mehr haben müssen. Auch die anderen Protagonisten sind sehr detailliert ausgearbeitet und beleben mit ihrem Erscheinen die Geschichte.

„Fremde Tochter“ ist ein unterhaltsamer Roman über eine alte Familientragödie. Die Geschichte klingt vielversprechend, konnte am Ende allerdings nicht ganz überzeugen. Dafür hält leider die Spannung nicht während des ganzen Buches durch, und auch die langatmigen Beschreibungen des Autors lassen oftmals Langeweile aufkommen. Deshalb gibt es hier nur eine eingeschränkte Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 07.10.2017

Alessas abenteuerliche Jagd

Das blaue Medaillon
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1667. Alessa ist 21 Jahre alt und wuchs nach dem Tod ihrer Eltern bei ihrem Großvater, einem Meisterdieb, in Venedig auf. Von ihm wurde sie als Diebin und Einbrecherin in Perfektion ausgebildet. Als erst ...

1667. Alessa ist 21 Jahre alt und wuchs nach dem Tod ihrer Eltern bei ihrem Großvater, einem Meisterdieb, in Venedig auf. Von ihm wurde sie als Diebin und Einbrecherin in Perfektion ausgebildet. Als erst ihre Tante stirbt, die ihr ein blaues geheimnisvolles Medaillon hinterlässt und dann auch noch ihr Großvater ermordet wird gerade wegen diesem Medaillons, flieht Alesssa im Schutz einer Schauspieltruppe von Venedig nach Deutschland zu einem Cousin, der dort wohnt. Doch der Mörder ist ihr auf den Fersen, denn er will das Medaillon unbedingt in seinen Besitz bringen. Für Alessa ist es alles, was von ihrer Familie übrig ist und der Schlüssel zu dem Erbe ihrer Eltern. Kaum in Deutschland, wird Alessa das Medaillon gestohlen. Während Alessa versucht, das Medaillon zurück zu bekommen, muss sie gleichzeitig um ihr Leben fürchten. Wird es ihr gelingen, das Medaillon wieder in den Händen zu halten?

Marie Sophie Marcus hat mit ihrem Buch „Das blaue Medaillon“ einen unterhaltsamen und gleichsam fesselnden historischen Abenteuerroman vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig und bildhaft, schnell taucht der Leser in die farbenprächtige Welt Venedigs ab und erlebt an der Seite von Alessa ein spannendes und rasantes Abenteuer. Der Spannungsbogen wird schnell aufgebaut, flacht dann etwas ab und nimmt ebenso schnell wieder Fahrt auf bis zum Schluss. Die Autorin hat für ihre Geschichte sehr gut recherchiert und den historischen Hintergrund, gesellschaftliche Bräuche und Gepflogenheiten, Kleidungsstil sowie das Intrigenschmieden und den Einsatz von Macht und Mauscheleien wunderbar mit der Handlung verwebt. Auch die Örtlichkeiten sind so farbenfroh beschrieben, dass sich dem Leser ein schönes Bild der früheren Zeit präsentiert. Die eingefügte Liebesgeschichte war mir zu schnell und zu wenig ausgefeilt, was es unglaubwürdig wirken ließ. Ebenso war die Auflösung um das Medaillon zwar einigermaßen stimmig, wurde aber eher kurz und fast schon nebenbei erwähnt.

Die Charaktere sind sehr individuell angelegt, haben ihre Ecken und Kanten, gerade deshalb wirken die meisten von ihnen recht lebendig und authentisch, andere erscheinen nur kurz und bleiben blass in der Erinnerung. Alessa ist eine außergewöhnliche junge Frau, sehr selbstsicher, mutig und stark. Sie weiß, was sie sich zutrauen kann und scheut auch kein Risiko. Leider ist gerade Ihr Hang zur Heldin ein Punkt, der einige ihrer Aktionen unwirklich und überspitzt wirken lassen, was dem Leser nur ein Kopfschütteln entlockt. Hauptmann Artur ist ein netter Mann, der Alessa oftmals zur Hilfe eilt, sich sogar in ihr Herz stiehlt. Jedoch bleibt er recht eindimensional und als Leser bekommt man ihn nicht richtig zu fassen. Die Mischung der Nebenprotagonisten ist bunt und vielfältig, einige von ihnen schließt man gleich ins Herz, an manche kann man sich am Ende kaum erinnern und einige hätten gar fehlen können.

„Das blaue Medaillon“ ist ein unterhaltsamer historischer Abenteuerroman, in dem sich auch kurzfristig auch die Liebe verirrt hat. Die Handlung bietet kurzweilige Lesestunden, allerdings sollte man nicht zu viel erwarten. Für Zwischendurch ganz nett – mehr aber leider auch nicht. Andere historische Romane der Autorin können mehr überzeugen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Figuren
  • Atmosphäre
  • Spannung
  • Thema
Veröffentlicht am 29.09.2017

Raquels Schicksal

Die Burg am Mondsee
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19. Jh. Raquel wird als kleines Mädchen von den Forschern Vossberg und Hjortdahl aus dem brasilianischen Urwald gefunden und per Schiff nach Deutschland gebracht. Vossberg, der ein Sanatorium leitet, erklärt ...

19. Jh. Raquel wird als kleines Mädchen von den Forschern Vossberg und Hjortdahl aus dem brasilianischen Urwald gefunden und per Schiff nach Deutschland gebracht. Vossberg, der ein Sanatorium leitet, erklärt Raquel zu seinem Forschungsobjekt, denn sie kann weder sprechen noch hat sie ein menschliches Benehmen. Doch leider gelingt es ihm nicht, mit seinen Ergebnissen Ruhm zu erlangen. So lebt Raquel lange Jahre an seiner Seite, bis Vossberg sich wieder auf den Weg nach Brasilien macht und Raquel als Gesellschafterin der Ehefrau seines Studienfreundes Jakob Martin Donkert nach Burg Weidenau weiterreicht. Je länger Raquel sich auf der Burg aufhält, umso mehr entflammen sie und Jakob füreinander. Als dessen Ehefrau stirbt und Raquel von ihm schwanger wird, beginnt das Unglück…

Tessa Donkert hat mit ihrem Ehemann Burg Weidenau renoviert und zu einem Hotel umfunktioniert. Als ihr Mann auf einer Geschäftsreise tödlich verunglückt, steht Tessa allein da und verlässt sich gänzlich auf die Unterstützung ihrer Geschäftsführerin Valerie, um sich in ihrem Schmerz zu vergraben. Erst, als sie von der Bank erfährt, wie schlecht es um das Hotel bestellt ist und ihre Eltern ihr zureden, stellt sie einen Steuerprüfer ein, um herauszufinden, warum es mit dem Geschäft bergab geht. Dabei kommen einige unangenehme Wahrheiten zutage und auch einige Geheimnisse werden gelüftet. Der junge Fotograf Jan unterstützt sie dabei…

Carolin Rath hat mit ihrem Buch „Die Burg am Mondsee“ einen interessanten Roman über zwei Zeitebenen vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig und nimmt den Leser sofort mit an die Seite von Tessa, um mit ihr auf Burg Weidenau heimisch zu werden und deren Geheimnisse zu erforschen. Die Geschichte wird in zwei Handlungssträngen erzählt. Der eine handelt von der Gegenwart, der andere beschäftigt sich mit der Vergangenheit. Durch die wechselnden Perspektiven baut sich langsam immer mehr Spannung auf und lässt den Leser um die diversen Geheimnisse rätseln und mitfiebern. Die Beschreibungen des Hotelbetriebs wirken etwas unrealistisch, vor allem was die Angestellten angeht, weshalb es hier Abzüge gibt. Auch die kleine angedeutete Liebesgeschichte wirkt nicht wirklich realistisch, da die Charaktere so grundverschieden sind, um zueinander zu passen.

Die Charaktere sind individuell angelegt und ausgestaltet worden. Leider wirken sie bis auf wenige Ausnahmen recht blass und unscheinbar. So fällt es schwer, sich als Leser mit ihnen zu identifizieren und Sympathie bzw. Gefühle zu entwickeln. Tessa ist zwar schon in ihren Dreißigern, wirkt jedoch wie ein junges naives Mädchen, das nicht allein zurechtkommt. Sie ist recht blauäugig und viel zu gutgläubig, allerdings kümmert sie sich auch viel zu wenig um ihr eigenes Geschäft, sondern überlässt alles anderen. Da haben zwielichtige Gestalten natürlich leichtes Spiel. Jan ist ein lockerer und kreativer Typ, der in den Tag hineinlebt. Raquel ist eine junge Frau, die als Versuchsobjekt für Forscher herhalten muss. Dabei muss sie auf Liebe und Zuwendung verzichten und ein Leben führen, was andere für sie vorgesehen haben. Als sie endlich glaubt, frei zu sein und ein eigenständiges Leben führen zu können, trifft sie ihre große Liebe, doch diesem Mann sind Standesdünkel wichtiger als sie. Vossberg ist ein ehrgeiziger Forscher, der sich mit seiner Situation als Leiter eines Sanatoriums nicht wohl fühlt und sich als Opfer der Gesellschaft fühlt, die ihn nicht zu würdigen weiß. Valerie ist eine Frau, die tough und allwissend wirkt, oftmals arrogant und überheblich rüberkommt, dabei allerdings nur eines im Sinn hat.

„Die Burg am Mondsee“ ist ein ganz unterhaltsamer Roman über Liebe, Geheimnisse um eine Burg und eine junge Frau, die im 19. Jh. ihre eigenen Wurzeln sucht. Als Urlaubslektüre ein netter Zeitvertreib.

Veröffentlicht am 16.09.2017

Tragische Ereignisse

Die Liebe, die uns bleibt
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Edwina Spinner ist in den Siebzigern und zweifach verwitwet. Nachdem die Kinder ihre eigenen Wege gehen, lebt sie allein in einem zu großen Haus, das seit 50 Jahren ihr Zuhause ist. Inzwischen ist sie ...

Edwina Spinner ist in den Siebzigern und zweifach verwitwet. Nachdem die Kinder ihre eigenen Wege gehen, lebt sie allein in einem zu großen Haus, das seit 50 Jahren ihr Zuhause ist. Inzwischen ist sie in einem Alter, dass sie mit den täglichen Anforderungen und der Pflege des Gartens nicht mehr zurechtkommt. So entscheidet sie sich schweren Herzens, ihr Haus zu verkaufen. Sie schaltet einen Makler ein und während der Begehung der Räumlichkeiten überfallen Edwina bei jedem einzelnen Zimmer die Erinnerungen ihrer Vergangenheit. So sieht sie vor ihrem inneren Auge ihren ersten Ehemann Ollie und ihre gemeinsamen Zwillinge Charlie und Rowena, wie sie zur Witwe wird, ihre Arbeit als Illustratorin und später mit Dickie einen neuen Mann findet, der mit Lucas einen Sohn mit in die Ehe bringt. Neben vielen schönen Erinnerungen gibt es allerdings auch ein dunkles Geheimnis, dass so schicksalhaft und schmerzhaft war, dass Edwina am Ende einsam und allein ist. Was hat die Familie so auseinander gebracht?

Jenny Eclair hat mit ihrem Buch „Die Liebe, die uns bleibt“ einen sehr berührenden tragischen Roman vorgelegt, dessen Geschichte dem Leser ans Herz geht und nicht unbeteiligt lässt. Der Schreibstil ist flüssig und besitzt einen schönen unterschwelligen Humor, der den Leser zwischen all der Tragik oftmals unbewusst schmunzeln lässt. Die Spannung wird gemächlich aufgebaut und steigert sich im Verlauf der Handlung immer mehr. Auch die Erzählweise aus drei verschiedenen Perspektiven gibt der Geschichte einiges an Spannung dazu. Die Autorin versteht es sehr gut, durch geschickte Platzierung der einzelnen Erinnerungen die Dramatik zu steigern und dem Leser erst ganz am Ende das eigentliche Geheimnis zu enthüllen. Einige Dinge werden dabei etwas zu ausführlich und detailliert erzählt, hier wäre weniger mehr gewesen.

Die Charaktere sind individuell ausgestaltet und in Szene gesetzt worden, aber einzig Edwina wirkt lebendig und authentisch, die anderen bleiben eher im Hintergrund und wenig greifbar. Edwina ist eine sympathische alte Dame, die sich aufgrund ihres Alters von ihrem Zuhause trennen muss. Es fällt ihr schwer, sich selbst einzugestehen, dass sie den täglichen Anforderungen nicht mehr gewachsen ist, die solch ein Grundstück mit sich bringt. Aber auch die vielen Erinnerungen, die sie im Laufe von 50 Jahren angehäuft hat, machen ihr das Leben nicht leichter. Edwina ist von eher zurückhaltender Natur, wirkt oftmals schuldbewusst und hilflos. Aber vor allem ist sie eines – einsam. Stiefsohn Lucas ist ein unangenehmer Zeitgenosse. Bei ihm fällt es schwer, als Leser objektiv zu bleiben und keine Partei zu ergreifen. Alle anderen Protagonisten sind leider nur oberflächlich dargestellt, hier wäre etwas mehr Detailliebe wünschenswert gewesen.

„Die Liebe, die uns bleibt“ ist ein tragisch-komischer Roman über eine generationsübergreifende Familie mit einem dunklen Geheimnis. Das Buch verspricht gute Unterhaltung für zwischendurch, leider keine denkwürdige Lektüre. Eingeschränkte Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 25.08.2017

Die Vision Zar Peter des Großen

Die Stadt des Zaren
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1703 Russland. Zar Peter der Große ist ein fortschrittlicher Herrscher, der in seiner Heimat dem Lebensstil der Europäer nacheifern und im schlammigen Newa Delta eine neue Stadt errichten will, die er ...

1703 Russland. Zar Peter der Große ist ein fortschrittlicher Herrscher, der in seiner Heimat dem Lebensstil der Europäer nacheifern und im schlammigen Newa Delta eine neue Stadt errichten will, die er St. Pieterburch benennen und gleichzeitig als neue Hauptstadt küren will. Um seine Vision in die Tat umzusetzen, lädt er talentierte Handwerker, Ärzte und andere Kunstfertige aus ganz Europa nach Russland ein, denn ihm schwebt eine Großstadt nach europäischem Vorbild vor mit einem Hafen und guten Anbindungen Richtung Europa. Seine Einladung wird breitgefächert angenommen, denn alle versprechen sich eine erfolgreiche Mission, die ihren eigenen Ruhm noch vergrößern wird. Doch es werden auch Gefangene und Sklaven eingesetzt, die unter unwürdigen Umständen arbeiten müssen, um Peters Vision zum Leben zu erwecken, und dabei muss so mancher mit dem Leben bezahlen…

Martina Sahler hat mit ihrem Buch „Die Stadt des Zaren“ einen historischen Roman vorgelegt, der über einen Zeitraum von 10 Jahren (1702-1712) den Aufbau der Stadt St. Petersburg (St. Pieterburch) begleitet, den Leser hautnah daran teilhaben lässt und ihm Einblick in das Leben und Schicksal einiger Protagonisten gewährt, die mit am Bau involviert sind. Der Leser bekommt so einen Rundumblick über die vielfältig auftretenden Probleme, die der Aufbau mit sich bringt und über die Vorstellungen Peter des Großen. Der Schreibstil ist flüssig und gut zu lesen, jedoch verliert sich die Erzählweise der Autorin zu sehr ins Detail, was den Bau betrifft, dafür kommen die zwischenmenschlichen Beziehungen und das Schicksal der einzelnen Personen leider zu kurz. Die Geschichte wird aus der Sicht von verschiedenen Protagonisten erzählt, die einen guten Rundumblick über die Bauphasen der Stadt und die einzelnen Schicksale gewährt und wie sie miteinander verbunden sind. Der geschichtliche Hintergrund wurde von der Autorin mit der Handlung schön verwoben, wobei der Leser ebenfalls einiges über das politische und militärische Russland erfährt.

Die Charaktere sind vielfältig angelegt und ausgearbeitet. Sie haben individuelle Eigenheiten, kommen aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten und geben so einen guten Querschnitt durch die damalige Gesellschaft. Zar Peter der Große ist ein Visionär seiner Zeit, er steht für Fortschritt und Weltoffenheit. Er ist kulturell interessiert, hat aber auch eine harte Hand und einen festen Willen, der unumstößlich ist. Die neue Stadt hat für ihn oberste Priorität, der er alles unterordnet. Die deutsche Arztfamilie Albrecht gehört zu den ersten Siedlern, die von Moskau in die neue Stadt zieht. Während die Eltern mit dem Aufbau der Praxis vollauf beschäftigt sind, gehen die beiden Töchter Helena und Paula ihre eigenen Wege. Der Tischler Theodorus ist mit seinem Sohn Willem aus Amsterdam nach Russland gekommen, um dort ihr Handwerk auszuüben und den Stadtbau zu unterstützen. Ebenso sind italienische Architekten dem Ruf Peter dem Großen gefolgt, während schwedische Gefangene die Arbeiten am Bau unter widrigsten Bedingungen verrichten müssen. Die Mischung aus tatsächlichen historischen und fiktiv-erdachten Personen gibt einen interessanten Einblick in sämtliche Gesellschaftsschichten.

„Die Stadt des Zaren“ ist ein historischer Roman, der viele Themen in sich vereint, die mit dem Bau der Stadt St.Peterburg verbunden sind. Menschliche Schicksale aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten, politische Machtspiele, Wunschvorstellungen, unmenschliche Arbeitsbedingungen und nicht zuletzt die Widrigkeiten der Natur zeigen ein reales Bild. Wer gern historische Bücher über Russland liest und auch nicht vor detaillierten Bauberichten zurückschreckt, der wird an diesem Buch Gefallen finden. Die menschlichen Schicksale kommen hier leider etwas zu kurz. Deshalb auch nur eine eingeschränkte Leseempfehlung!