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Veröffentlicht am 24.11.2017

Leise, gewaltig, rührend und einfach nur wunderbar erzählt der Autor von einer Vater-Sohn-Beziehung, die sich erst noch entwickeln muss.

Das Fell des Bären
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Auf einer längeren Busfahrt habe ich mir dieses kleine Schätzchen von Buch zu Gemüte geführt. Bereits nach den ersten Seiten ahnte ich, dass dieses Buch ein kleines Highlight wird, ganz in der Art wie ...

Auf einer längeren Busfahrt habe ich mir dieses kleine Schätzchen von Buch zu Gemüte geführt. Bereits nach den ersten Seiten ahnte ich, dass dieses Buch ein kleines Highlight wird, ganz in der Art wie Seethalers „Ein ganzes Leben“ oder Cognettis „Acht Berge“. Und ich sollte Recht behalten, denn auf nur knapp 160 Seiten schafft der Autor es, eine wahnsinnig rührende, wunderbare Geschichte zu erzählen: Domenico leidet seit dem Tod seiner Mutter unter den immer schlimmer werdenden Launen seines Vaters Pietro. Dieser ist stets schlecht gelaunt, schreit viel und wird des öfteren auch gewalttätig. Obwohl Domenico nur die besten Schulnoten nach Hause bringt, interessiert sich sein Vater herzlich wenig für seinen Sohn; alles was für ihn zählt ist die freie Natur vor der Tür: die Dolomiten. Als immer mehr Gerüchte von einem gigantischen Bären aufkommen, der Wild reißt, einen ekelerregenden Gestank und übel zugerichtete Kadaver hinterlässt, trauen die Dorfbewohner in den Bergen ihren Ohren kaum. Doch leider gibt es immer wieder Fälle, wo Anwohner ihre Herde verlieren oder nachts von grauenerregendem Geschrei aufgeschreckt werden. Während die Männer des Dorfs sich in der örtlichen Kneipe treffen, um die neusten Bären-Berichte auszutauschen, legt Pietro, der Außenseiter des Dorfs, es darauf an, eine Wette mit einem der Männer abzuschließen: Er würde diesen Bären eigenhändig töten! Ungläubig bietet im der Wettpartner dafür nicht weniger als eine Million Lire. Kurzerhand bricht Pietro am nächsten Tag mit seinem Sohn im Schlepptau auf in den Wald, um sich dem Monster zu stellen. Es wird eine anstrengende Reise, und nach und nach gelingt es Pietro, sich für seinen Sohn zu öffnen…

Nirgendwo fühlte Domenico sich so wohl wie am Wasser. Das Angeln bot ihm Gelegenheit, für sich zu sein, weit weg vom Zorn und den schwieligen, harten Händen seines Vaters Pietro. Dann warf er die Angelschnur aus, lauschte dem Rauschen des Flusses und ließ sich von den Bildern forttragen, die ihm durch den Kopf gingen und sein Herz bewegten.

Hach, was für ein leises und doch gewaltiges Buch! Matteo Righetto hat es mit „Das Fell des Bären“ geschafft, mich aus der Reserve zu locken. Innerhalb weniger Seiten habe ich mich auf die Geschichte eingelassen und mit dem jungen Domenico mitfühlen können – aber auch mit seinem Vater. Zugegeben, dieses Buch ist nicht unbedingt außerhalb meiner Komfortzone, sondern genau ein solches, wo ich bereits vorher wusste, dass es toll wird. Zudem habe ich noch erfahren, dass es verfilmt wurde, da steht mir noch ein Leckerli bevor! ? Dieses Buch ist jedenfalls zwischen den übrigen Büchern, die ich die letzte Zeit gelesen habe, herausgestochen und konnte mich komplett überzeugen. Man erfährt nicht allzu viel von den Charakteren, gerade genug, dass es für die Länge des Buches genügt, aber das tut der wunderbaren Geschichte keinen Abbruch. Die Erzählsprache ist wunderbar, leicht und schnörkellos; man hat das Gefühl, dass kein Satz überflüssig ist. Die Charaktere wurden vom Autor liebevoll gestaltet, sodass man als Leser „mittendrin statt nur dabei“ ist. Pietro leidet auch nach zwei Jahren noch an dem Tod seiner Frau und zieht sich immer weiter in sein Schneckenhaus zurück. Für seinen Sohn hat er nicht mehr übrig als ein paar kalte Worte. Doch als er mit seinem Sohn den schwierigsten Weg seines Lebens antritt, um den Riesenbär niederzustrecken, taut er doch langsam auf und vertraut seinem Sohn allerhand Dinge an; über seine Mutter Claudia, über diese Hütte im Wald, über Dinge, die wichtig sind.

Die vollständige Rezension findet ihr auf meinem Blog: http://killmonotony.de

Veröffentlicht am 17.11.2017

»Was nützt uns alles Haben, wenn es uns an Sein fehlt.« — Wahnsinnig tolle, japanisch anmutende Literatur aus belgischer Feder.

Herr Origami
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„Herr Origami“ von Jean-Marc Ceci hat mich schon länger angesprochen. Als ich es dann auf der Buchmesse wiedergesehen habe, war es wie ein Treffen von Geliebten, die nur noch darauf warten, dass jemand ...

„Herr Origami“ von Jean-Marc Ceci hat mich schon länger angesprochen. Als ich es dann auf der Buchmesse wiedergesehen habe, war es wie ein Treffen von Geliebten, die nur noch darauf warten, dass jemand den ersten Schritt macht. Und so ist dieses kleine Büchlein schließlich bei mir gelandet. Und ich habe es nicht bereut: Innerhalb von 2 Stündchen, eingerollt auf dem Sofa, habe ich dieses Schmuckstück beendet. Die Textform ist etwas ganz Besonderes, doch darauf gehe ich später ein. Zunächst einmal zum Inhalt: Meister Kurogiku lebt sehr zurückgezogen in einem ärmlichen Haus in Italien und stellt dort Washi her, das Papier, das in Japan nicht nur für Lampenschirme, sondern auch für Origami verwendet wird. Jedes hergestellte Blatt Papier betrachtet er ausgiebig und behält die schönsten Blätter für sich, die restlichen verkauft er. Einst verließ er sein Heimatland Japan und seinen Vater, um einer schönen Italienerin zu folgen, die er nie wieder sah. Mit nichts als einem Blumentopf mit drei Kōzo-Setzlingen reist er ins ferne Italien. Sein Vater brachte ihm die traditionsreiche Washi-Herstellung bei und ermöglichte ihm so, dass er nun davon leben kann – wenn Kurogiku denn lebte! Er lebt sehr sparsam, oft sieht man ihn tagelang nichts essen. Sein Leben scheint der Herstellung von Washi, dem Falten des Origami und dessen Entfaltung sowie dem Zen, der Meditation, gewidmet zu sein. Bis eines Tages ein junger Uhrmacher, Casparo, besucht und bei ihm nächtigen möchte. Er bleibt schließlich doch länger und lernt vieles über Papier, das Leben und die Zeit. Und ob Meister Kurogiku will oder nicht, Casparo bringt ihn mit seinen Denkweisen doch aus dem Takt und öffnet ihm die Augen für Dinge, die er lieber nicht wahrhaben wollte.

Wir sind die Rädchen im Getriebe einer sehr komplizierten Uhr. Wir verstehen nicht immer, was eine kleine Bewegung von uns auf der anderen Seite des Ziffernblatts bewirkt.

„Herr Origami“ ist ein besonderes Buch. Die zunächst ungewöhnliche Textform wirkt anfangs befremdlich und seltsam und man trägt Sorge, dass 160 Seiten auf diese Weise doch niemals eine Geschichte erzählen können. Doch nach und nach entfaltet sich die Geschichte wie ein Origami und bezaubert den Leser durch und durch. Das Ungewöhnliche an diesem Buch ist, dass die Seiten nur etwa zur Hälfte und ausschließlich mit knappen Sätzen befüllt sind. Aber nach einigen Seiten hat einen diesen Buch bereits in seinen Bann gezogen, sodass man erst wieder loslassen kann, wenn man den Buchdeckel schließt. Die besondere Schreibweise und der Textstil ist wirklich eine Seltenheit. Kann sein, dass es sich hier um eine traditionelle japanische Textform handeln mag, aber das lasse ich lieber Experten beurteilen. ?

Dass die stille, unaufgeregte — eben sehr typisch japanische Erzählweise — von einem Autor aus Belgien kommt, scheint zunächst unwahrscheinlich und seltsam, doch je mehr man sich auf das Buch einlässt, umso mehr vergisst man dieses Detail. Man taucht ein in Kurogikus kleine Welt, sein alltägliches Leben, seine Gedanken. Er stellt Washi her, um es zu falten und daraufhin zu entfalten. Und schließlich über dem entfalteten Papier zu meditieren.

Die vollständige Rezension findet ihr auf meinem Blog: http://killmonotony.de

Veröffentlicht am 30.10.2017

Eine wahnsinnig gute Dystopie (und so vieles mehr), die mich vom Hocker gerissen hat. Brillant!

Die Optimierer
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Mit „Die Optimierer“ hat Theresa Hannig ein herausragendes Debüt auf Papier gebracht. Es handelt sich um eine Science-Fiction-Dystopie, die bisher nicht aus dem Schatten von Klings „Qualityland“herauskam, ...

Mit „Die Optimierer“ hat Theresa Hannig ein herausragendes Debüt auf Papier gebracht. Es handelt sich um eine Science-Fiction-Dystopie, die bisher nicht aus dem Schatten von Klings „Qualityland“herauskam, was sehr sehr schade ist! Die mit Liebe zum Detail erzählte Geschichte handelt von Samson Freitag, der beruflich Lebensberater ist. Das bedeutet, er trifft Menschen, und anhand derer gesammelter Daten und einem Hauch Gefühl empfiehlt er ihnen einen Job, der zu ihnen passt. Klingt gut, oder? Nur leider darf man in Kontemplation, wenn man nicht besonders für überhaupt einen Job geeignet ist und eigentlich jeder Roboter besser zur Arbeit geeignet ist als man selbst. In der Kontemplation darf man tagein, tagaus seinen Hobbys nachgehen, weil man so der Wirtschaft am meisten nützt. Nur arbeiten gehen darf man nicht. Klingt schon gar nicht mehr soo gut, oder? Samson trifft also für eine junge Dame eine Entscheidung, die ihr leider gar nicht passt, und durch eine Reihe von Verkettungen gerät sein bisher schön geordnetes Leben aus den Fugen: Seine Freundin verlässt ihn, im Job läuft alles drunter und drüber, seine Eltern werden beim mittlerweile illegalen Fleischkonsum (chapeau!) erwischt, und zu allem Übel verträgt er auch die neuen Linsen, die für fast jeden Griff im Alltag nötig sind, nicht. Ohne Linse kann er keine Kommunalautos steuern, nicht auf seine für die Arbeit benötigten Daten zugreifen und nicht mal seine eigene Haustür aufsperren oder einen Fahrstuhl benutzen. Dadurch, dass Samson so auf unglückliche Art vom modernen Leben ausgeschlossen wird, baut sich in ihm eine Wut auf den Staat, auf seinen Job und nicht zuletzt auf Ercan Böser auf, dem er vor Jahren den anscheinend falschen Beruf geraten hat: Politiker. Denn Böser kandidiert nun als Kanzler und droht einige Gesetze an den Mann zu bringen, die Samson gar nicht gefallen.

Theresa Hannig hat hier eine wirklich grandiose Dystopie aus dem Ärmel geschüttelt – und vor allem mal eine, die auch plausibel ist! Mit akribischer Detailgetreue lässt sie uns am politischen Weltgeschehen teilhaben und führt galant die Veränderungen ein, die geschehen mussten, um ihre Welt wahrscheinlich zu machen. Das gesamte Wirtschaftssystem wurde umgekrempelt und durch den Einsatz von Robotern kann man nun auf „nichtsnutzige“ Menschen in der Arbeitswelt verzichten. Profitgier und Kapitalismus sind Schlagwörter von gestern, und auch die Wachstumswirtschaft gehört der Vergangenheit an, denn um wachsen zu können, benötigt man Ressourcen, und die sind 2054 noch knapper als heute schon. Eine neue Wirtschaftsform hat den Platz der alten eingenommen: die Optimalökonomie. Der Staat strebt nun nicht mehr nach dem größten Profit, sondern nach dem höchsten Wohl für alle Bewohner. Was in der Theorie gut klingt, hat für Samson verheerende Folgen, denn nach seinem „Fauxpas“ ist er schnell seine Sozialpunkte los, verliert viele Privilegien und auch seinen Lebensstandard. Damit er wieder arbeiten darf und sein früheres Leben wiederbekommen kann, beschließt er, den Politiker zu stürzen, den er aufgrund falscher Informationen einst falsch beraten hat. Doch bevor es so weit kommen kann, passiert noch einiges und Samson landet sogar im Gefängnis…

Die vollständige Rezension findet ihr auf meinem Blog: http://killmonotony.de

Veröffentlicht am 16.09.2017

Scharfe Dialog-Geschosse und eine irrsinnig komische Charaktere zaubern aus „Töte mich“ ein Buch, das nun zu meinen Lieblings-Nothombs zählt.

Töte mich
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„Töte mich“ ist das erste nicht-autobiographische Buch von Amélie Nothomb, das ich gelesen habe, und ich muss sagen, es hat mich überzeugt! Aus allen Poren der Geschichte sickert der unverwechselbare Nothomb-Stil ...

„Töte mich“ ist das erste nicht-autobiographische Buch von Amélie Nothomb, das ich gelesen habe, und ich muss sagen, es hat mich überzeugt! Aus allen Poren der Geschichte sickert der unverwechselbare Nothomb-Stil durch. Amélie Nothomb erzählt in „Töte mich“ die Geschichte des Grafens Neville und seiner Familie, vor allem aber seiner Tochter Sérieuse und seiner Beziehung zu ihr. Die Geschichte beginnt damit, dass Sérieuse von der Wahrsagerin des Dorfes im Wald aufgefunden wird und der Graf seine Tochter doch bitte bei ihr abholen soll. Kaum angekommen, prophezeit ihm die Wahrsagerin, dass er am Tage seines Gartenfests jemanden töten werde. Ganz außer sich und voller Entrüstung schnappt sich der Graf seine Tochter und fährt mit ihr nach Hause. Während der nächsten Tage plagt ihn der Gedanke an den bevorstehenden Mord. Nicht nur, dass er reichlich wenig Lust hat, jemanden zu ermorden, sondern es wird ihm auch noch die Gartenparty verhagelt, die er anlässlich seiner bevorstehenden Insolvenz ein letztes Mal geben wollte (der alten Zeiten wieder). Graf Neville versucht nun, mit seinen Planungen fortzufahren, während er gedanklich bereits überlegt, welchen der Gäste er am wenigsten leiden kann und wen garantiert niemand schmerzlich vermissen würde. Davon relativ unbeeindruckt, versucht seine ehemals lebensfrohe, nun sehr leblos wirkende Tochter Sérieuse ihn davon überzeugen, was für ein tolles Opfer sie doch wäre…

[Die Garden Party] war das gesellschaftliche Ereignis in dieser abgeschiedenen Region der belgischen Ardennen. An eine Absage war nicht zu denken. Doch die Vorstellung, dass er einen der Gäste töten könnte, entsetzte Neville. Das macht man nicht. Und ausgerechnet bei der letzten Garden Party sollte ihm ein solcher Fehler unterlaufen!

Ein urkomisches Buch! Amélie Nothomb erzählt mit dieser Sprache, die ich so an ihren Büchern liebe, diese wunderbare kleine Geschichte. An allen Ecken und Enden spürt man den Charme und den sprühenden Witz Nothombs und auch, welchen Spaß sie beim Verfassen dieses Buches hatte. „Töte mich“ konnte mich komplett überzeugen; die liebenswerten Charaktere, die hin- und herschießenden Dialoge, die wahnsinnig komischen Gedankengänge des Grafen… Sérieuse ist auch ein wahnsinnig toll gezeichneter Charakter. In ihren jüngeren Jahren ein vor Lebensfreude sprühendes Mädchen, nun eine ihrem Namen gerecht werdende junge Erwachsene, erfährt der Leser nur ansatzweise, was vorgefallen sein könnte, um aus dem strahlenden Mädchen eine trübe, deprimierte junge Dame zu machen. Ihre Symptome der Depression sind auch wahnsinnig interessant beschrieben, aber niemals drückend oder den Leser deprimierend. Authentisch und klar beschreibt Nothomb, wie Sérieuse einfach keine Freude mehr am Leben hat, nichts mehr spürt, und deshalb möchte sie auch das Mordopfer von ihrem Vater sein. Zunächst sträubt sich der Graf noch, aber in hitzigen Wortgefechten wandelt sich der Unwille zu kindischem Trotz („Dann bringe ich sie eben um, wird sie schon sehen, was sie davon hat!“), und der Leser hat wahnsinnigen Spaß, dabei zuzuschauen, wie der Graf anstatt eines „gesellschaftlich akzeptablen“ Mordes nun den Mord an seiner Tochter plant.

Die vollständige Rezension findet ihr auf dem Blog: http://killmonotony.wordpress.com

Veröffentlicht am 04.09.2017

Authentisch, charmant und voller bissigem Humor bekommt der Leser Einblick in ein weiteres Kapitel aus Amélie Nothombs Leben.

Die Kunst, Champagner zu trinken
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Schon wieder ein neuer Nothomb! Meinem Gefühl nach schreibt diese Wahnsinnsfrau schneller, als ich lesen kann! In “Die Kunst, Champagner zu trinken” widmet sich Amélie Nothomb erneut einem Abschnitt ihres ...

Schon wieder ein neuer Nothomb! Meinem Gefühl nach schreibt diese Wahnsinnsfrau schneller, als ich lesen kann! In “Die Kunst, Champagner zu trinken” widmet sich Amélie Nothomb erneut einem Abschnitt ihres Lebens. Ich bin immer wieder überrascht, wie viel diese Frau erlebt hat und freue mich jedes Mal aufs Neue, wenn ich einen autobiographisch angehauchten Roman von ihr in den Händen halte. In diesem kleinen Werk erzählt sie davon, wie sie sich mit dreißig Jahren nach nichts weiter sehnt als einer Saufkumpanin, die genauso gern Champagner auf leerem Magen genießt wie sie selbst. Klingt zunächst nicht allzu spannend, aber spätestens nach ein paar Seiten ist man wieder gefangen vom unverwechselbaren Nothomb-Stil. Zum Inhalt:

Amélie genießt gern den Rausch, den ein guter Champagner ihr auf leerem Magen bereitet. Doch leider fehlt es ihr an jemandem, mit dem sie dieses überragende Gefühl teilen kann; jemand, der den Rausch mit ihr teilt. Nachdem sie ihre Freundinnen und Bekannten im Kopf alle durchgegangen ist und verworfen hat, hält sie von nun an auf Lesungen und bei Signierstunden Ausschau nach der perfekten “Kumvine”, der perfekten Saufkumpanin. Bei einer Signierstunde begegnet sie Pétronille, mit der sie bereits schriftlich korrespondiert hat; die beiden verstehen sich auf Anhieb, auch wenn Amélie das Zusammentreffen von Brieffreunden immer als schwierig empfunden hat. Doch leider endet der Abend nicht wie erhofft: die beiden trennen sich und treffen erst Jahre später wieder aufeinander, nachdem Pétronille ihren ersten Roman veröffentlicht hat.

Einen Rausch sollte man nicht improvisieren. Sich zu betrinken ist eine Kunst, die Talent und Sorgfalt erfordert. Die Sache dem Zufall zu überlassen führt zu nichts.

Amélie Nothomb hat mit ihrem neuen Roman wieder voll ins Schwarze getroffen. Mit ihrer leicht verkorksten und charmanten Art hat sie vor nicht allzu langer Zeit mit der „Metaphysik der Röhren“ mein Herz erobert und thront jetzt oben auf der Liste meiner Lieblingsautoren. „Die Kunst, Champagner zu trinken“ erzählt nicht nur vom Genuss ebendiesem, sondern auch die Geschichte einer Freundschaft: die von Amélie und Pétronille. In den Bergen oder mitten in London: Pétronille ist doch fast so oft mit Amélie unterwegs wie ihr geliebter Champagner. Obwohl oder gerade weil Pétronille kein einfach gestrickter Mensch ist, schätzt Amélie sie sehr und verfolgt nach den anfänglichen Startschwierigkeiten ihrer Beziehung ihr literarisches Aufstreben, sie kauft und verschlingt jedes ihrer Bücher. Und als Pétronille ausreißt, um ein Jahr in der Wüste zu leben, kümmert sich Amélie wie selbstverständlich darum, dass Pétronilles jüngster Roman ein Verlags-Dach über den Kopf bekommt. Doch als Pétronille schließlich heimkehrt, verschiebt sich der sehr autobiographisch anmutende Roman doch ins herrlich Absurde und der Leser wird mit einem Knall aus dem Buch entlassen.

Die vollständige Rezension findet ihr auf dem Blog: http://killmonotony.wordpress.com