Draußen ist Freiheit dort, wo der Horizont beginnt (Tanz der Vampire)
LandgangMagdalena sitzt mit Ihrer Mutter im Zug gen Western und erlebt als 12-Jährige, was es heißt, von "drüben" zu sein. Das, was gestern selbstverständlich war, ist heute Vergangenheit und fernab jeglicher ...
Magdalena sitzt mit Ihrer Mutter im Zug gen Western und erlebt als 12-Jährige, was es heißt, von "drüben" zu sein. Das, was gestern selbstverständlich war, ist heute Vergangenheit und fernab jeglicher Sicherheit. Magdalena kann sich auf die Veränderungen nicht wirklich einlassen, versucht aber mit ihrer kindlichen, leicht authistisch geprägten Sichtweise, das Beste aus der Sache zu machen. Das Leben im Westen Ende der 1980er Jahre lebt sich dann doch nicht so leicht, wie gedacht, denn auch der Westen hat seine Tücken. Existenzängste, gesellschaftliche Stolperfallen und das Gefühl, nirgendwo richtig dazuzugehören, sind von nun an an der Tagesordnung...
"Landgang" von Mayjia Gille ist an und für sich ein sehr treffend gezeichneter Roman, der die innere Zerrissenheit eines Kinder darstellt, das von jetzt auf gleich alles Gewohnte hinter sich lassen und neu anfangen muss. Da Magdalena mit Veränderungen aufgrund ihrer leicht authistischen Wesenszüge nicht gut umgehen kann, flüchtet sie sich in ihre ganz eigene Welt, zu der Wasserstandsmeldungen gehören wie die Sonne am Himmel.
Gille lässt biografische Züge einfließen und strickt drumherum eine liebenswerte, wenn auch nicht immer einfach zu lesende Geschichte, die von innerer Zerrissenheit, Heimatlosigkeit und dem Drang nach Selbstverwirklichung handelt. Körperliche Züchtigungen finden ihren Weg ins Buch und verletzten nicht nur die Kinderseele von Magdalena, auch die Leser:innen erfahren beim Lesen psychische Schmerzen, die wie feine Nadelstiche immer wieder piksen.
Es gibt urkomisch Szenen, bei denen Lachmuskelkater vorprogrammiert ist (ich sage nur "Eurythmie und Gelb") , die in sehr nachdenklich stimmende Passagen übergehen. Die Leser;innen sind hautnah bei der Entwicklung von Magdalena vom braven, angepassten DDR-Mädchen zum aufmüpfigen West-Punk dabei und lernen die zwei Seiten der Medaille kennen, die die Hauptfigur unbewusst immer mit sich trägt.
Die 1980er-Jahre werden durch den mitreißenden Worte wieder lebendig und lassen eigene Erinnerungen an die Jugend in eben jener Zeit wach werden. Und jetzt kommt leider das Aber: Es gibt Rechtschreibfehler im Buch, manchmal fehlen auch ganze Worte, sodass die Logik des Satzes nicht auf den ersten Blick zu erfassen ist. Auf S. 139 kann sich das Lektorat nicht entscheiden, ob Carl nun mit "C" oder "K" geschrieben wird, denn innerhalb weniger Sätze wechselt der Anfangsbuchstabe hin und her. Das empfinde ich schon als störend und der Lesefluss wird durch diese Stolpersteine immer wieder ausgebremst.
Ansonsten eine liebenswert chaotische Rückblende, die durchaus lesenswert ist.