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Veröffentlicht am 23.11.2023

Ein warmherziger, spannender und stimmungsvoller Roman um ein Familiengeheimnis zur Weihnachtszeit

24 Wege nach Hause
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Petra ist Anfang 30 und hat fast alles in ihrem Leben verloren, was ihr einmal wichtig war. Nach dem Tod ihrer geliebten Schwester Alice ist ihr nur noch ihre Nichte Charlie geblieben, für die sie nun ...

Petra ist Anfang 30 und hat fast alles in ihrem Leben verloren, was ihr einmal wichtig war. Nach dem Tod ihrer geliebten Schwester Alice ist ihr nur noch ihre Nichte Charlie geblieben, für die sie nun allein verantwortlich ist. Job weg, Wohnung weg, die eigene Trauer um die Schwester und eine 12 Jährige, die nicht weiß wohin mit ihren Gefühlen angesichts des unbeschreiblichen Verlusts der Mutter. In einer Nacht und Nebel Aktion entschließt sich Petra Stockholm und ihr altes Leben zu verlassen und mit Charlie im Südschwedischen Schonen, im fiktiven Dorf Nyponviken neu anzufangen. Dort haben ihre Eltern ihr ein mysteriöses Ferienhaus hinterlassen, von deren Existenz Petra erst kürzlich durch Alice, kurz vor ihrem Tod erfahren hat. Das Ferienhaus entpuppt sich als Wohnung auf einer alten Hofstelle mit Gärtnerei, Café und Apfelplantage. Die Eigentümer begegnen den beiden Neuankömmlingen mit gemischten Gefühlen. Der Kontrast des Hoflebens und pittoresken Dorfes im Vergleich zu Stockholm könnte nicht größer sein. Werden Petra und Charlie hier ein Zuhause finden? Ein ganz besonderer Adventskalender ohne Absender findet sich vor Petras Tür und lädt sie ein den Ort und dabei auch sich selbst und ein Familiengeheimnis zu finden.

Ich mochte die Beschreibungen der stimmungsvollen Weihnachtsdekorationen und winterlichen Landschaft sehr. Auch die Stimmungen, Geheimnisse, Vorbehalte, beginnenden Freundschaften auf dem Hof waren unglaublich warmherzig beschrieben. Neben der Beziehung zwischen Petra und Charlie, die sich erst in ihrer neuen kleinen Familie und mit dem großen Verlust von Mutter und Schwester zurechtfinden müssen, sind da die übrigen HofbewohnerInnen und auch noch Petras Exfreund, der plötzlich in Nyponviken auftaucht. Alleine diese Konstellationen und ihre Entwicklungen haben mich in die Geschichte gezogen. Daneben gibt es noch den Spannungsbogen um den Adventskalender und die jung verstorbene Künstlerin Lilly. Bis zum Schluss war für mich nicht absehbar, wie sich die Geschichte auflösen wird.

Für mich war 24 Wege nach Hause eine unglaublich warmherzige Einstimmung auf die Weihnachtszeit mit unerwarteter Spannung um ein Familiengeheimnis und dem Eintauchen in Südschwedens traumhafte Landschaft. Klare Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 18.11.2023

Die Poesie des Alltags

Lieder aller Lebenslagen
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Lieder aller Lebenslagen ist weniger ein Roman, als viel mehr ein poetisches Buch für die Seele. Stine Pilgaard gibt uns darin episodenhafte Einblicke in das Leben und Zusammenleben der BewohnerInnen in ...

Lieder aller Lebenslagen ist weniger ein Roman, als viel mehr ein poetisches Buch für die Seele. Stine Pilgaard gibt uns darin episodenhafte Einblicke in das Leben und Zusammenleben der BewohnerInnen in einem Genossenschaftshaus in Aarhus. Dabei wechseln sich immer wieder Fließxtext, Lieder und kurze Horoskope (da die Ich-Erzählerin als Broterwerb Horoskope schreibt), ab. Eine warmherzige Melancholie durchzieht die Zeilen und nicht nur die Lieder erinnern immer wieder an Poesie, die in und zwischen so vielen Zeilen steckt in diesem Buch.

Über die Lieder und die Recherche zu deren Inhalt, die die Ich-Erzählerin für die HausbewohnerInnen für verschiedene Gelegenheiten schreibt, werden nach und nach Ausschnitte aus dem Leben der NachbarInnen, aber auch immer wieder dem eigenen Leben der Ich-Erzählerin offenbart. Besonders gefallen haben mir die immer wieder sehr emanzipierten Sichtweisen der Ich-Erzählerin, und, dass auch diese auf seltsam poetische Weise in den Text eingeflossen sind.

Das Lesegefühl war für mich ein bisschen wie Kurzgeschichten, die jedoch immer wieder auch lose Bezug aufeinander nehmen.

Lieder aller Lebenslagen ist ein ruhiges Buch, auf die poetische Sprache muss man sich einlassen können und wird dann sicher viel Freude daran haben und auch beim Wiederlesen noch Neues entdecken.

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Veröffentlicht am 06.11.2023

Identität, Klasse, Herkunft, Traumata und Machtlosigkeit in Nordirland

Close to Home
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Was bedeutet es im lange konflikt- und gewaltgebeutelten Nordirland als Kind der Arbeiterklasse aufzuwachsen? Michael Magee erzählt von vererbten Traumata, Gewalt, Armut, Drogenmissbrauch, Vorurteilen ...

Was bedeutet es im lange konflikt- und gewaltgebeutelten Nordirland als Kind der Arbeiterklasse aufzuwachsen? Michael Magee erzählt von vererbten Traumata, Gewalt, Armut, Drogenmissbrauch, Vorurteilen und Diskriminierung und immer wieder Machtlosigkeit angesichts einer traumatischen Vergangenheit und einem Gesellschafts- und Sozialsystem, das im Heute dem Individuum beinahe unüberwindbare Grenzen auflegt und ein Entkommen aus der Armuts- und Gewaltspirale damit fast unmöglich macht.

Michael Magee wirft uns direkt in die Geschichte, sein Schreibstil ist flüssig und unmittelbar, erzählt aus der Perspektive von Sean, Anfang 20, aufgewachsen und lebend in einem wirtschaftlich und kulturell benachteiligten Teil von Belfast, in einer republikanischen Familie der Arbeiterklasse. Sean versucht im Laufe des Buchs sich von seiner Herkunft zu emanzipieren, ein gesundes, glückliches, seiner Neigung zur Literatur und zweifelslosen Begabung wie Intelligenz entsprechendes, Leben aufzubauen - und scheitert dabei immer wieder, an seinem Umfeld, seiner Familie, dem Gesellschaftssystem, seiner Herkunft und manchmal auch an sich selbst. Die Ich-Perspektive Seans ist sehr gut gewählt, um den schwierigen Lebensweg und das Milieu nachzuempfinden. Als Leser fühlt man mit Sean, erlebt oft die Ausweglosigkeit seiner Situation, und hofft immer wieder es möge sich irgendwo ein Horizont der Hoffnung auftun, damit Sean sein Potential wirklich leben kann. Ob das gelingen wird?

 Sehr eindrücklich wird immer wieder auch der Nordirland-Konflikt und seine ständige Präsenz im kollektiven Gedächtnis von Seans Familie und Umfeld in die Geschichte eingewoben.

Der liberalen Erzählung vom Aufstieg, in der jeder und jede es schaffen kann, wenn er oder sie sich nur genug anstrengt, setzt Magee ein allzu realistisches Bild einer Gesellschaft entgegen in der selbst härteste Arbeit oft nicht honoriert wird und dem Individuum durch erlebte wie vererbte Traumata, und ein klassenzementierendes Gesellschaftssystem massive Grenzen in seiner Entfaltung gesetzt werden. Damit ist der Roman nicht nur wirklich gute Literatur, sondern auch eine Form von Sozialstudie, die Magee mit Close to Home, hier gelungen ist. Unbedingt lesenswert!

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Veröffentlicht am 03.11.2023

Im Prinzip ist alles okay, abgesehen davon, dass NICHTS okay ist

Im Prinzip ist alles okay
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Miryam, studierte Anthropologin, knapp 30 Jahre alt, Mutter eines Säuglings, seit 1,5 Jahren in einer Beziehung mit Robert, eigentlich könnte alles gut sein, eigentlich sieht von außen alles ganz okay ...

Miryam, studierte Anthropologin, knapp 30 Jahre alt, Mutter eines Säuglings, seit 1,5 Jahren in einer Beziehung mit Robert, eigentlich könnte alles gut sein, eigentlich sieht von außen alles ganz okay aus, mehr als ok, nahezu perfekt - dank Instagramfilter! Doch was kann sich hinter den perfekt anmutenden Stories und lächelnden Frauen verbergen?

Yasmin Polat legt den Finger in die Wunden unserer Gesellschaft, vor denen allzu oft die Augen verschlossen werden, als ob sie dann aufhören würden zu existieren. Wie lebt man gesunde Beziehungen, wenn man selbst als Kind nur Gewalt und Kälte vorgelebt bekommen hat? Wie wird man ein guter Elternteil, wenn man selbst nie Kind sein durfte? Wie findet man zu sich selbst, wenn man nie herausfinden durfte, wer das ist?

Sie thematisiert psychische Erkrankungen, Wochenbettdepressionen, Gewalt in Beziehungen und was sie mit Familien über Generationen machen kann, aber auch ein idealisiertes Mutterbild, das Erwartungen an junge Frauen vermittelt, an der jeder echte Mensch eigentlich nur scheitern kann, potenziert durch die gesellschaftliche Entwicklung einer extrovertierten Bewertungsgesellschaft. Dabei beweist sie ein Gespür für Details und die Tiefen und Untiefen menschlicher Beziehungen.

Der Schreibstil ist oft eher umgangssprachlich, und passt damit gut zur Ich-Perspektive der jungen Erzählerin. Immer wieder entwirft die Autorin jedoch auch sehr starke sprachliche Bilder, die die Emotionen der Protagonistin anschaulich einfangen, einen so fast mitfühlen lassen, was bei diesen Themen auch beim Lesen schmerzhaft sein kann.

Das Thema Depression hat sich durch diese Erzählweise für mich zum ersten Mal unglaublich nah angefühlt. Diese Leere und die Verwirrung und später Verzweiflung darüber, nicht wirklich benennen zu können und erst recht nicht zu verstehen, was mit der Ich-Erzählerin passiert, fand ich sehr eindringlich und nachvollziehbar dargestellt.

Der Roman, er ist ein Freischwimmen der Protagonistin, aus ihrer Vergangenheit, Prägung und gesellschaftlichen Zwängen, hin zu sich selbst, jedoch eines mit einigen schmerzhaften Tauchgängen. Wie leider auch im wahren Leben!

Im Prinzip ist alles Okay, ist ein intensiver, bewegender Roman, der einen Blick dorthin wirft wovor gesellschaftlich nur allzu gern die Augen verschlossen werden, und der damit keinen Moment zu früh kommt!

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Veröffentlicht am 31.10.2023

Eine praxisnahe, wertschätzende und kluge Begleitung beim Weg näher zu sich selbst

People Pleasing
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Wenn du zu den Menschen gehörst, die, wenn sie von anderen angerempelt werden, sich selbst als erstes entschuldigen, solltest du dieses Buch auf jeden Fall lesen! Und alle anderen auch 😉

Zunächst muss ...

Wenn du zu den Menschen gehörst, die, wenn sie von anderen angerempelt werden, sich selbst als erstes entschuldigen, solltest du dieses Buch auf jeden Fall lesen! Und alle anderen auch 😉

Zunächst muss ich sagen, dass das Buch wirklich toll gelayoutet und gebunden ist, mit einem guten Blick fürs Detail, wie die Kacheln im Innenumschlag, quasi als kleiner Selbsttest vorab und das Gegenstück dazu im Rückumschlag: richtig toll!

Inhaltlich und sprachlich habe ich mich bereits in der Einleitung richtig gut abgeholt und besonders auch aufgehoben gefühlt. Bereits hier wird deutlich, wie positiv sich das Buch von Dr. Ulrike Bossmann in inhaltlicher Qualität von den zahlreichen phrasenhaften Psychoratgebern zu mehr Achtsamkeit oder Selbstermächtigung abgrenzt. Es sind keine lauten Töne, die die Autorin anschlägt, dafür umso einfühlsamer, stets wertschätzend, ermutigend, fachlich versiert und in einem klugen Abwägen.

Dies setzt sich im Buch als solches fort. In einer Mischung aus Fließtext mit eigenen Erfahrungen und Erläuterungen sowie Fallbeispielen, und immer wieder Referenzen zu wissenschaftlichen Studien führt die Autorin eingängig und anschaulich durch das Phänomen People Pleasing, mit allen positiven und negativen Aspekten. Denn das macht sie überzeugend deutlich: People Pleaser haben sehr positive und wertvolle Eigenschaften, für sich und eine funktionierende Gesellschaft. Wie man diese reflektiert und gesund für sich selbst einsetzt, ist letztlich entscheidend und genau dafür gibt der Text einen Anstoß.

Als die drei inhaltlichen Schwerpunkte im Buch, die sich über 8 Kapitel verteilen, sehe ich 1. Was ist People Pleasing, wo kommt es her/wie entsteht es, wie äußert es sich 2. Wie kann ich damit umgehen, mit praktischen Tipps und Strategien, auch zur Verstetigung des Erfolgs und zuletzt 3. - was sich als Basis durch das ganze Buch zieht - ein besseres Bewusstsein für sich selbst zu entwickeln. Die zahlreichen eingestreuten praxisnahen Anwendungen, Übungen und Kommunikationstipps sind sehr hilfreich und mal mit mehr mal mit weniger Aufwand umsetzbar. Mir hat sehr gefallen, dass die Autorin auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen beleuchtet, und so beispielsweise herausarbeitet, warum in unserer noch immer patriarchal geprägten Gesellschaft gerade Frauen oft zum People Pleasing neigen.

Besonders hervorzuheben ist der unglaublich gute, eingängige Schreibstil und die persönlichen Einblicke der Autorin. Ein bisschen hatte ich das Gefühl, als ob eine gute Freundin, mich auf Augenhöhe mitnimmt, erklärt und mich versteht, so dass ich alles gut nachvollziehen und annehmen kann. Der ein oder andere AHA Moment ergibt sich dadurch bereits beim Lesen.

Stil und Inhalt machen das Buch insgesamt zu einem kleinen Werk, dass auch soziales Miteinander unabhängig von People Pleasing besser zu verstehen und gestalten hilft. Eine unbedingte Leseempfehlung, insbesondere natürlich für alle Menschen, die sich im Alltag manchmal fragen, wo sie selbst bleiben, wenn sie es allen versuchen recht zu machen, zu selten Nein sagen können, und sich immer verantwortlich fühlen.

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