Geteiltes Deutschland - Grenzerfahrungen
Das Jahr ohne SommerDie Ich-Erzählerin ist ca. 3 Jahre alt, als ihren Eltern die Flucht aus der DDR missglückt und sie ins Gefängnis müssen. Das Mädchen kommt nach einem kurzen Zwischenstopp im Waisenhaus zu ihren Großeltern ...
Die Ich-Erzählerin ist ca. 3 Jahre alt, als ihren Eltern die Flucht aus der DDR missglückt und sie ins Gefängnis müssen. Das Mädchen kommt nach einem kurzen Zwischenstopp im Waisenhaus zu ihren Großeltern nach Leipzig. Nach 2 Jahren in diesem Zustand, werden ihre Eltern von der BRD freigekauft und so ziehen sie in den äußersten Westen Deutschlands. Einige Zeit später darf auch das Mädchen zu ihren Eltern nach Aachen ziehen.
Ein Neuanfang, Erwartungen, Träume, alte Traditionen. Der Vater stets korrekt, Disziplin ist sein oberstes Gebot. In Westdeutschland trifft er damit oft auf Unverständnis, denn die Rheinländer haben eine ganz andere Mentalität. Die Mutter während des Gefängnisaufenthalts schwer erkrankt, erhofft sich noch immer ein Leben als Geigenspielerin. Das Mädchen hat Sehnsucht nach der Oma und in der Schule freundet sie sich auch nur mit Zugezogenen an, denn aufgrund ihres Dialektes, kann jeder sofort erkennen, woher sie kommt.
Die Autorin erzählt diese Geschichte aus Sicht des Mädchens sehr unaufgeregt, fast schon neutral, so dass mir anfänglich tatsächlich der Schwung gefehlt hat, es ist eher eine Aneinanderreihung von Begebenheiten. Vielleicht wollte die Autorin auch damit die Zerrissenheit der Familie widerspiegeln. Trotzdem konnte ich mich gut darauf einlassen und in die Situationen hineinversetzen. Die Protagonisten werden eher etwas zurückhaltend dargestellt. Ich fand, der Vater hatte hier den ausgeprägtesten Charakter.
Wie ist es, wenn man die Heimat verlässt, die vertrauten Orte, die liebgewonnenen Menschen? Ein Leben zwischen hier und drüben. Alles in allem wurde die Situation eines geteilten Deutschlands, der Wunsch nach Freiheit, Republikflucht, die damit zusammenhängenden Schwierigkeiten, der beschwerliche Neuanfang aber auch Sprachbarrieren durch die Dialekte und die verschiedenen Mentalitäten, gut dargestellt.
Freiheit und Ausgelassenheit vermittelt auch sehr anschaulich das gelungene Cover. Die graue Tristesse der DDR im Hintergrund und ein Mädchen, das fröhlich in den blauen Himmel schaukelt. Absolut passend zum Inhalt.
Alles in allem hat mich das Buch gut unterhalten, zum Nachdenken gebracht und mich emotional mitgenommen. Einige historische Ereignisse, wie zum Beispiel die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl oder der Mauerfall wurden auch wieder ins Bewusstsein gerückt. Hier spreche ich gerne meine Leseempfehlung aus.