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Veröffentlicht am 29.03.2024

Was, wenn das möglich wäre?

Das andere Tal
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Voller plastischer Philosophie ist dieses Debüt des promovierten Philosophen Scott Alexander Howard. Er entsendet die Leserin und den Leser in eine Welt, in der Reisen in die Vergangenheit und Zukunft ...

Voller plastischer Philosophie ist dieses Debüt des promovierten Philosophen Scott Alexander Howard. Er entsendet die Leserin und den Leser in eine Welt, in der Reisen in die Vergangenheit und Zukunft möglich sind, jedoch nur unter strengen Auflagen. Wen würde man durch die Zeit reisen lassen und was würde das mit uns und unserer Welt machen?

Odile lebt in einem Tal. Die in Ost und West benachbarten Täler sind identisch, allerdings zeitversetzt um 20 Jahre in die Zukunft oder die Vergangenheit. Das Conceil entscheidet, ob jemand in das benachbarte Tal reisen darf. Als Odile Schülerin ist, träumt sie davon, im Conseil zu arbeiten. Sie bewirbt sich und durchläuft ein strenges Auswahlverfahren. Da kommt es zu einem Zwischenfall, der das Leben von Odile und ihrer Freunde verändert. Plötzlich wird das Reisen in ein anderes Tal für die Betroffenen relevant. Was könnte geschehen, wenn man Ereignisse in der Vergangenheit rückgängig macht und wie kann man verhindern, dass Menschen die Vergangenheit so beeinflussen, dass dies Auswirkungen auf das Heute hat?

Dieses fulminante Gedankenexperiment füllt die gut 450 Seiten mit einem fesselnden Plot und einer wunderschönen Sprache. Es zieht mich sofort in die Story und holt mich ab in diese Welt, in der die beschriebenen Menschen Du und ich sein könnten. Howard schreibt sehr realitätsnah, so dass dieses Geschichte fast wahrhaftig daher kommt. Er benutzt bildliche Mittel, die glaubwürdig sind und macht damit die Frage nach dem „Was wäre wenn?“ ganz greifbar. Es scheint in diesem Buch so, als ob es wirklich so ist. Gestützt wird dies durch die plastische Darstellung der Protagonistin Odile, die beim Lesen das Gedankenexperiment fassbar macht.

Ich habe das Buch mit Begeisterung gelesen und freue mich auf das nächste Werk dieses jungen Autors.

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Veröffentlicht am 07.02.2024

Schlichter Mann - grandios erzählt

Heinz Labensky - und seine Sicht auf die Dinge
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Michael Tsokos schreibt mit seiner Frau Anja ganz anders, als man es von seinen Büchern über Rechtsmedizin kennt. Die beiden erzählen herzerwärmend einen Roadtrip eines einfachen, schlichten Mannes, der ...

Michael Tsokos schreibt mit seiner Frau Anja ganz anders, als man es von seinen Büchern über Rechtsmedizin kennt. Die beiden erzählen herzerwärmend einen Roadtrip eines einfachen, schlichten Mannes, der auf seine Weise doch grandios ist.

Heinz Labensky lebt im sogenannten Feierabendheim, als ihn ein Brief von Rosa erreicht, der Tochter seiner Jugendliebe Rita. Rosa vermutet, dass die in Berlin in einer Baugrube gefundene Leiche ihre Mutter Rita sein könnte. Labensky macht sich auf den Weg zu Rosa, setzt sich in den Flixbus nach Warnemünde und erzählt unterwegs allerlei aus seinem Leben, seine kauzigen Erinnerungen. Dabei zieht er durch die DDR-Geschichte, den Alltag in der DDR, wahre Begebenheiten fiktiv verknüpft wie den Volksaufstand von 1953, den Besuch von Willy Brandt und andere.

Die Darstellung des Heinz Labensky ist dem Ehepaar Tsokos ganz besonders großartig gelungen. Labensky ist ein beschränkter Geist, wird in jungen Jahren als unbeschulbar abgegolten, schlägt sich mit niederen Arbeiten durch und erlebt und bewegt dabei doch Großes. So töricht, so simpel und unbedarft Labensky ist, so wenig scharfsinnig seine Gedanken, so groß ist sein Herz und seine eigene Sicht auf die Welt.

Ich freue mich auf eine mögliche Verfilmung. Dann sehe ich Milan Peschel als Labensky.

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Veröffentlicht am 31.10.2023

Herzerwärmende Weihnachtsgeschichte

Kein guter Mann
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Walter ist ein Griesgram, ein Stoffel, ein Spielverderber, Miesmacher, unbequemer alter, miesepetriger Postbote und nicht mehr tragbar für die Firma. Er wird strafversetzt in die Christkindfiliale. Dort ...

Walter ist ein Griesgram, ein Stoffel, ein Spielverderber, Miesmacher, unbequemer alter, miesepetriger Postbote und nicht mehr tragbar für die Firma. Er wird strafversetzt in die Christkindfiliale. Dort erhält er Briefe vom zehnjährigen Ben, welche dieser an den lieben Gott schreibt. Walter übernimmt die Rolle des lieben Gottes und zeigt allmählich, dass er im Herzen doch noch warm ist.

Von der ersten Seite an war mir Walter sympathisch, ich mochte seine miesepetrige Art zu provozieren, sich zu rächen, sich mit schlechtem Karma zu profilieren. Irgendwie stellte ich mir so einen vom Leben entzauberten alten Stinkstiefel vor. Geschickt gelingt das durch die liebevolle Brille des Autors, fast mit Humor schreibend die Story authentisch aufzubauen. Durch die eingewobenen Rückblicke in Walters Vergangenheit entsteht ein Verständnis für Genese des Miesepetrigen in Walter. Dieser hatte eine Vergangenheit mit viel Potenzial, jedoch auch Schicksalsschlägen, Fehlern und Missverständnissen. Irgendwie menschlich, wie eben das Leben selbst. Was so haften bleibt im Laufe der Jahrzehnte. Und was ist schon (k)ein guter Mann?

Der herzerwärmende Plot, verbunden mit der liebevollen sprachlichen Gestaltung berühren mich sehr und sind keineswegs trivial oder kitschig. Im Ganzen ist dieses Buch eine zeitgemäße Weihnachtsgeschichte und Walter ein moderner Scrooge. Das Buch ein Plädoyer für Mitmenschlichkeit, Toleranz und Verständnis, Güte und Wärme. Ein lohnenswertes Geschenk nicht nur in der Weihnachtszeit.

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Veröffentlicht am 31.10.2023

Für das Wahrnehmen, Empfinden und Spüren

Die spürst du nicht
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Ein exklusiver Urlaub in der Toskana, den die Binders und die Familie Strobl-Marinek mit ihren Kindern machen. Sophie-Luise, die Tochter der Strobl-Marineks - Mutter hochkarätige Politikerin, Vater erfolgreicher ...

Ein exklusiver Urlaub in der Toskana, den die Binders und die Familie Strobl-Marinek mit ihren Kindern machen. Sophie-Luise, die Tochter der Strobl-Marineks - Mutter hochkarätige Politikerin, Vater erfolgreicher Bio-Winzer - nimmt das befreundete, somalische Flüchtlingskind Aayana mit in den Urlaub. Das Kind spürst du nicht, so finden die Erwachsenen. Beeindruckend pflegeleicht. Und es ertrinkt.

Während die beiden Familien Binder und Strobl-Marinek auf erdenkliche Weise versuchen, das schlimme Ereignis von sich zu schütteln, es zu verdrängen, klein zu halten und sich von Schuld zu befreien, macht es sich doch auf unterschiedliche Weise in den Beteiligten Bahn. Sophie-Luise sucht Halt und entgleitet. Die politische Karriere der Frau Strobl-Marinek ist in Gefahr. Die Öffentlichkeit nimmt insbesondere in Presse und Internet auf ihre Weise Anteil. Es geht um die Frage, wie viel ist ein Menschenleben wert, das Leben eines Geflüchteten? Wie viel Anteil nehmen wir in unserer Gesellschaft an den Schicksalen dieser Menschen?

Mit einem feinspürigen Auge für die kleinen Nuancen, für gesellschaftliche Entwicklungen und menschliche Abgründe unserer zivilisierten Wohlstandswelt schreibt Daniel Glattauer diesen Roman in seiner ihm eigenen Weise. So beschämend und zugleich amüsant, dass ich als Leserin Glauben schenken konnte, den Fokus auf die Wunde lenkend das Nachdenken über meinen und unseren Umgang mit dem Thema auch in mir ankam. Der Roman macht betreten, beklommen und betroffen und er öffnet für etwas, den Blick auf die Doppelmoral, was dringend an der Zeit ist.

Glattauer schreibt flüssig und verständlich, lässt Schnörkel aus und all den Ballast, der nur ablenkt vom Plott. Er verbindet die Story mit Beispielkommentaren und -Posts zu diesem Fall, wie sie ganz realitätsnah in der Tat im Internet stehen würden und unterstreicht damit die Kontroversität, die dieses Thema in der Öffentlichkeit innehat. Geschickt gemacht. Absolut lesenswert.

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Veröffentlicht am 30.10.2023

Neues Meisterwerk des schwedischen Starautoren Alex Schulman

Endstation Malma
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Harriet reist mit ihrem Vater im Zug nach Malma. Oscar reist nach Malma. Und Yana fährt nach Malma mit dem Zug. Dann wird klar, dass es sich um unterschiedliche Zugfahrten zu unterschiedlichen Zeiten handelt, ...

Harriet reist mit ihrem Vater im Zug nach Malma. Oscar reist nach Malma. Und Yana fährt nach Malma mit dem Zug. Dann wird klar, dass es sich um unterschiedliche Zugfahrten zu unterschiedlichen Zeiten handelt, die Protagonisten der Reise jedoch auf tragische, schmerzhaft klebende Weise miteinander und mit Malma verbunden sind. Über drei Generationen stellt Alex Schulman im Rahmen der Zugfahrten nach Malma eine verstrickte Familiengeschichte dar, die ihm typisch die Vererbung von familiären Lasten aufzeigt. Harriet sagt über sich, sie sei „eine Gefangene der Entscheidungen, die andere für sie getroffen hätten und übertrage lediglich das Gift an die nächste Generation“. Verletzungen, Vernachlässigungen, Unterlassungen, Schweigen über Unaussprechliches, emotionale Instabilität gegenüber Kindern mäandrieren durch die Zeit, übertragen sich in die neuen Leben der Kinder und Enkel und kleben an ihren Seelen wie ein Kaugummi des Schicksals. Und immer wieder fragen sich die Eltern neu „Wann hat man ein Kind verloren?“

Ich habe dieses Buch nicht aus der Hand legen können, in einem Atemzug völlig gebannt ausgelesen und jede Seite genossen. Der Schreibstil von Alex Schulman fesselt. Die sphärischen Situationsbeschreibungen lassen mich abtauchen in ein nachvollziehbares, authentisches und emotional aktivierendes Set. Wenn es heißt, ihr Bett ist schmal wie ein Sarg ohne Deckel oder eine zum Fenster hereinfliegende Hummel verbreitet Nervosität unter den Fahrgästen oder ein Kabel bildet zwischen zwei Masten etwas wie ein Lächeln, holt mich diese Sprache wie ein Sog in das Zugabteil. Besonders beeindruckt der Autor - wie auch in den anderen Romanen - mit einer ausgeklügelten Struktur des Plots. Dieser ist in sich dicht und kompakt, so dass mich fasziniert, wie so viel Inhalt auf gut 300 Seiten passt. Gekonnt verwebt der Autor Vergangenheit und Gegenwart auf drei Zeitebenen zu einem Ende, das auflöst, erlöst, erklärt und so fulminant dasteht, dass ich bewegt nach dem letzten Satz zurückbleibe.

Schulman-Fans sollten zugreifen und wer noch keiner ist, wird mit diesem Buch einer werden.

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