Shakespeare light
Shakespeare? Schon viel über ihn, doch noch keines seiner Werke gelesen. Aber dafür habe ich sein Geburtshaus in Stratford-upon-Avon sowie den Nachbau des Globe Theatre am Südufer der Themse in London ...
Shakespeare? Schon viel über ihn, doch noch keines seiner Werke gelesen. Aber dafür habe ich sein Geburtshaus in Stratford-upon-Avon sowie den Nachbau des Globe Theatre am Südufer der Themse in London besucht.
Seine Stücke waren schon immer ein Quell der Inspiration für Autoren. Man denke an das Hogarth-Shakespeare-Projekt aus dem Jahr 2013, als renommierte Autorinnen/Autoren Neuinterpretationen seiner Stücke geschrieben haben. Beteiligt daran waren u.a. Margaret Atwood, Ann Tyler, Edward St Aubyn, aber auch Jo Nesbø, der sich „Macbeth“ widmete. Und dessen Version vom Leben und Sterben des schottischen Königs ist auch die einzige, die ich kenne, weshalb ich recht unbedarft an Isabelle Schulers „Ich, Lady Macbeth“ herangegangen bin.
Der Roman nimmt uns mit ins frühmittelalterliche Schottland und wirft einen Blick auf die Kindheit und Jugend von Gruoch, der späteren Lady Macbeth, Enkelin des früheren Königs Coinneach. Das Christentum ist nun die offizielle Religion im Norden. Obwohl das Erbe der Pikten ausgelöscht werden soll, werden deren Riten noch immer im Verborgenen praktiziert, auch in Gruochs Familie. Ihre Großmutter hat druidische Wurzeln, und ein Besuch bei ihr wird Gruochs Leben bestimmen, denn sie hat in einer Vision eine große Zukunft für ihre Enkelin gesehen:
„Du wirst die Größte von uns allen sein. Dein Ruhm wird sich in ganz Schottland bis nach England ausbreiten. Alles Land, das deine Füße berühren und das deine Augen sehen, wird dir gehören. Du wirst viel mehr sein. Du wirst unsterblich sein.“
Und es ist diese Prophezeiung, die das Leben und das Handeln des Mädchens in den kommenden Jahren bestimmen wird. Gruoch verinnerlicht sie, setzt alles daran, Herrscherin von Schottland zu werden, und folgt zielgerichtet und mit viel Kalkül diesem Plan.
Schulers Blick auf Gruoch ist feministisch geprägt und zeigt am Beispiel der Protagonistin ungeschönt die Rolle der Frau in dieser von Männern dominierten Welt, in der eine junge Frau mit List, Intrigen und jeder Menge Wut agieren muss, um ans Ziel zu gelangen. Sympathiepunkte konnte sie bei mir nicht sammeln, dafür war sie bei all ihrem Handeln zu verbissen, zu skrupellos, zu sehr auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Natürlich darf man bezweifeln, ob eine Heranwachsende tatsächlich so zielgerichtet und rational vorgeht, wie wir es bei der Protagonistin sehen. Aber da die spätere Lady Macbeth in der Tat eine real existierende Person war, ist davon auszugehen, dass das eine oder andere Körnchen Wahrheit in diesem Roman zu finden ist.
Ein interessanter, unterhaltsamer Blick auf eine der schillerndsten Figuren in Shakespeares Oeuvre, ein leicht lesbarer historischer Roman, durchaus auch für die Altersgruppe 16+ geeignet und ein passender Einstieg in das Werk des Barden von Stratford-upon-Avon.