Ein spannender, feinfühliger Familienroman
Inhalt: Die 1960er. Jón hat für sein Medizinstudium den elterlichen Bauernhof in Island verlassen und ist in die Millionenstadt Hamburg gezogen. Doch als ihn ein Brief aus der Heimat erreicht, kehrt er ...
Inhalt: Die 1960er. Jón hat für sein Medizinstudium den elterlichen Bauernhof in Island verlassen und ist in die Millionenstadt Hamburg gezogen. Doch als ihn ein Brief aus der Heimat erreicht, kehrt er umgehend auf den Hof zurück. Dort erwarten ihn nicht nur eine im Sterben liegende Mutter, eine sturköpfige Tante und ein Bruder, den er seit Jahren versucht, zu vergessen – zugleich beherbergt der Hof ein Geheimnis, für dessen Lösung Jón seine Kindheit aus einem neuen Blickwinkel betrachten muss…
Persönliche Meinung: „Am Tisch sitzt ein Soldat“ ist ein Roman von Joachim B. Schmidt. Vorweg: Auch wenn der Titel des Romans vielleicht Erwartungen an eine martialische Handlung weckt: Krieg, Gewalt oder das Soldatentum spielen in „Am Tisch sitzt ein Soldat“ keine Rolle (natürlich ist der Titel des Romans nicht von ungefähr gewählt: Die Figur „Soldat“ ist wichtig für die Handlung; wie genau sie eingeflochten ist, soll hier aber nicht verraten werden). Die Handlung des Romans ähnelt eher einem Familienroman – Mitglieder von drei unterschiedlichen Generationen treten auf –, der – durch das Familiengeheimnis, dem Jón auf die Spur kommen möchte – Elemente einer Krimihandlung in sich birgt. Auch spielt die Gefühlswelt von Jón in „Am Tisch sitzt ein Soldat“ eine vergleichsweise große Rolle: Jón fühlt sich auf dem elterlichen Hof mit seiner Kindheit konfrontiert, trifft Personen, mit denen er ewig keinen Kontakt mehr hatte, und verfällt durch die Rückkehr in die Heimat in eine Identitätskrise. Weiterhin versucht Jón, irgendwie mit dem Tod seiner Mutter klarzukommen; er macht sich Vorwürfe, längere Zeit nicht am Hof gewesen zu sein, was ihn zusätzlich belastet. Zum konkreten Handlungsverlauf möchte ich nur einzelne Stichworte geben, da die Spoiler-Gefahr recht groß ist: Die Handlung entfaltet sich – auf eine feine Art und Weise – behutsam und ist – trotz ihrer ernsten Themen – immer mit einer Prise leichtem Humor gewürzt. Strukturell sorgt innerhalb des Romans für Spannung, dass Jón teilweise mehr zu wissen scheint, als er (den Lesenden) preisgeben möchte. Daneben hält der Roman einige Wendungen bereit, mit denen man nicht unbedingt rechnet, und endet stimmig. Sehr gut hat mir auch die atmosphärische Darstellung Islands gefallen: Es wirkt hier eher karg und rau, besitzt aber zugleich auch idyllische Fleckchen. Der Schreibstil von Joachim B. Schmidt ist angenehm und flüssig zu lesen. Insgesamt ist „Am Tisch sitzt ein Soldat“ ein einfühlsamer Familienroman mit Krimielementen, der mit schönen Wendungen auftrumpft.