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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.10.2017

Glück?

Herrn Haiduks Laden der Wünsche
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Herr Haiduk betreibt einen Zeitungs-/Zeitschriftenladen – früher mit Lottoannahmestelle. Doch als Paul, der ehemalige Schriftsteller, der früher hier in der Nähe gewohnt hat, ihn besucht, ist das Lottoschild ...

Herr Haiduk betreibt einen Zeitungs-/Zeitschriftenladen – früher mit Lottoannahmestelle. Doch als Paul, der ehemalige Schriftsteller, der früher hier in der Nähe gewohnt hat, ihn besucht, ist das Lottoschild verschwunden. Warum dem so ist, erzählt er dem Nicht-Mehr-Schriftsteller an mehreren Tagen.
Alles begann damit, dass Alma, eine schüchterne Kundin Herrn Haiduks, auf dem Gehweg einen Lottoschein gefunden hat, ausgerechnet den Schein, der 13 Millionen gewonnen hat.
Gemeinsam mit Herrn Haiduk versucht sie, den richtigen Verlierer bzw. eben Gewinner zu finden.
Dabei entblättert sich vor dem Leser ein Kosmos an Figuren, die alle ihr Päckchen zu tragen haben und auf ganz unterschiedliche Art und Weise mit dem vermeintlichen Glück des Reichtums umgehen.
Und im Zentrum des Ganzen agiert Herr Haiduk, ursprünglich wegen der Liebe nach Berlin gekommen, auf eine derart warmherzige Art, dass man ihn knuddeln möchte.
Dieser „Wohlfühlroman“ eröffnet einen weiten Blick auf einen Ausschnitt der Berliner Gesellschaft, in der sich wohl jeder an irgendeiner Stelle wiederfinden kann.
Die Geschichte fließt wie ein ruhiger Strom dahin und vermittelt einem das Gefühl, dass die Welt eigentlich eine Gute ist und alles seine Bestimmung hat, allerdings muss man gelegentlich ein bisschen nachhelfen oder sich helfen lassen.

Veröffentlicht am 19.10.2017

Affen sind auch nur Menschen

Das verrückte Affentaxi
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Es bleibt eine Futterlieferung aus. Das verstört die Tiere im Glücksstädter Zoo sehr. Doch so leicht lassen sie sich nicht unterkriegen.

Schnell ist klar, dass die Nahrung dann eben von außerhalb beschafft ...

Es bleibt eine Futterlieferung aus. Das verstört die Tiere im Glücksstädter Zoo sehr. Doch so leicht lassen sie sich nicht unterkriegen.

Schnell ist klar, dass die Nahrung dann eben von außerhalb beschafft werden muss. Selbst ist das Tier, in diesem Fall der Affe Anton, die Hauptfigur dieser magischen Geschichte für Erstleser.
Gemeinsam mit seinen Freunden, die alle ein (magisches) Talent besitzen, kapern sie ein Taxi und fahren in die Stadt.
Sellerie statt Bananen soll der Affe fressen – da hat er bei seiner Abneigung gegenüber dieser Zumutung gleich alle Erstleser auf seiner Seite.
Große Zeilenabstände, große Schrift, viele farbige Illustrationen und rechts ausflatternde Zeilen sorgen dafür, dass sich das Buch leicht lesen lässt, auch für wirkliche Leseanfänger. Ebenso ist die Wortwahl ganz offensichtlich der Sprachwelt der Zielgruppe angepasst. Es gibt eine ganze Menge wörtliche Rede, was das Erlesen noch einmal einfacher macht. Die zahlreichen Abbildungen unterstützen das Verständnis ebenso. Sie sind farbig gestaltet und wirken immer humorvoll, vor allem durch die kleinen Details.
Der Text wird außerdem von blauen Feldern unterbrochen, die Sachinformationen über Tiere enthalten. Dies kommt den männlichen Lesern entgegen, die so eine Kombination aus Sachbuch und witziger Geschichte mit mutigen Helden vor sich haben.
Am Ende gibt es ein Quiz – die Lesejagd durch den Zoo – in diesem können die Kinder gleich überprüfen, ob sie alles richtig verstanden haben, und man kann sogar eine Eintrittskarte in den Zoo gewinnen, wenn man das Lösungswort gefunden hat.
Auf der Homepage von Klett werden zusätzliche Aktivitäten angeboten, Tiermasken zum Ausdrucken und Ausschneiden, weitere Infos über den Glücksstädter Zoo und die weiteren Abenteuer der Tiere sowie Leseproben.
Fazit: Ein durchdachtes Buch, das nicht mit dem pädagogischen Zeigefinger winkt, sondern humorvoll und mit viel Liebe zum Detail eine abenteuerliche Geschichte erzählt, bei der Mut, Zusammenhalten und Freundschaft im Mittelpunkt stehen.

Veröffentlicht am 06.10.2017

optimistisch

Ein Gentleman in Moskau
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Graf Rostov wird zum Tode verurteilt, weil er für die neuen Machthaber in Russland unangemessen erscheinende Gedichte geschrieben hat oder auch, eben weil er ein Graf ist. Die Todesstrafe wird im letzten ...

Graf Rostov wird zum Tode verurteilt, weil er für die neuen Machthaber in Russland unangemessen erscheinende Gedichte geschrieben hat oder auch, eben weil er ein Graf ist. Die Todesstrafe wird im letzten Augenblick aufgehoben und in eine lebenslange Haft im besten Luxushotel am Platz umgewandelt. Hier dafür allerdings keine Suite bewohnen, sondern ein kleines Zimmerchen im sechsten Stock direkt unter dem Dach.
Graf Alexander wächst einem beim Lesen sofort ans Herz. Er ist korrekt, aufmerksam und einfach immer optimistisch. Egal, was das Leben ihm bietet, er setzt sich damit auf seine ganz besondere Art und Weise auseinander. Ob es sich um einen Kellner oder um einen Gast, wie zum Beispiel das Mädchen Nina, handelt, er versetzt sich in ihre Lage und tut alles, um Ihnen zu helfen. Problematisch an der ganzen Sache ist natürlich, dass die anderen jederzeit das Hotel verlassen können, er jedoch auf Gedeih und Verderb hier gefangen ist. Verständlich erfährt er, was sich außerhalb des Hotels abspielt, da die anderen ihm alle notwendigen Informationen mitbringen.
Die Geschichte spielt in den dreißiger Jahren in Russland und vermittelt einen sehr bleibenden Eindruck von den politischen und sozialen Entwicklungen jener Zeit. Doch der eigentliche Dreh- und Angelpunkt der ganzen Geschichte ist Graf Alexander, ein Gentleman der ganz alten Schule mit einem ganz speziellen Verhältnis zur Welt.
Der Text fließt mit enormer Geschwindigkeit und saugt einen in den Roman hinein. Obwohl eigentlich nicht wirklich etwas Spannendes geschieht, will man doch unbedingt wissen, wie es weitergeht will den Grafen in seiner Gefangenschaft begleiten. Der Mikrokosmos des Hotels wird ihm zur Welt, beschäftigt seine Gedanken, seine Gefühle und wird ihm letztlich zum Lebenszweck.
Ein rundum zu empfehlendes Buch mit einer großen Tiefe und einer wirklich liebenswürdigen Hauptfigur, die einem noch lange in Erinnerung bleibt.

Veröffentlicht am 02.10.2017

Geht zu Herzen

Sami und der Wunsch nach Freiheit
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Scharif ist ein syrischer Flüchtling und ein Freund des Autors. Er erzählt von seinem Freund Sami. Die beiden sind zusammen aufgewachsen. Sie leben im Damaskus vor dem Bürgerkrieg, werden älter, entwickeln ...

Scharif ist ein syrischer Flüchtling und ein Freund des Autors. Er erzählt von seinem Freund Sami. Die beiden sind zusammen aufgewachsen. Sie leben im Damaskus vor dem Bürgerkrieg, werden älter, entwickeln sich und werden zu Rebellen.
Einer eher abenteuerlichen Kindheit folgt eine Jugend, in der die Willkür des Regimes immer deutlicher wird, Ungerechtigkeit und Abhängigkeit vom Wohlwollen der Oberen eine immer größere Rolle spielt.
Die einzelnen Episoden beleuchten die unterschiedlichsten Aspekte verschiedener Menschen in Syrien, zeigen, was Willkür bedeutet und wie die Menschen lernen, damit umzugehen.
„Sami und der Wunsch nach Freiheit“ ermöglicht bei aller Grausamkeit der Geschehnisse eine gewissen Distanz für die Leserinnen und Leser, da auch der Autor eine Distanz wahrt, indem er Scharif die Geschichte erzählen lässt und er sie selbst nur aufschreibt – scheinbar ohne innere Beteiligung.
Dadurch gelingt es Rafik Schami, ein eigentlich grausames, ja schon beinahe brutales Geschehen, so darzustellen, dass es die Leser beeindruckt, aber nicht verschreckt oder gar schockiert. Gleichzeitig bekommen die Leser einen klaren Eindruck von den Lebensbedingungen in Syrien, von dem, was die Menschen dort meistern mussten und müssen, wie der Traum von Freiheit alles beeinflussen und verändern kann.
Die einzelnen Episoden sind sehr authentisch beschrieben, wirken gleichzeitig fremd und nah, denn bei allen Unterschieden, die sie trennen, sind sich die syrischen Jugendlichen und die deutschen Jugendlichen doch auch wieder ganz nah, wenn es z.B. um ihre Smartphones geht. Auch ihre Wünsche und Hoffnungen unterscheiden sich nicht wesentlich. So gelingt es Schami, ein Jugendbuch zu schreiben, dass die jugendlichen Leserinnen und Leser in ihren Bann zieht, weil sie sich in weiten Teilen mit Scharif und Sami identifizieren können, zur gleichen Zeit aber unglaublich viel über die syrische Kultur und die Lebensumstände dort erfahren. Ein Buch, das zu Herzen geht und Herzen öffnet.

Veröffentlicht am 18.09.2017

Tiefschürfend

Die Geschichte der getrennten Wege
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Der dritte Teil der Saga um die Leben von Lila und Elena in Italien behandelt die Erwachsenenjahre der beiden. Lila hat ihren Sohn mitgenommen und muss sich durchschlagen. Elena hat einen recht erfolgreichen ...

Der dritte Teil der Saga um die Leben von Lila und Elena in Italien behandelt die Erwachsenenjahre der beiden. Lila hat ihren Sohn mitgenommen und muss sich durchschlagen. Elena hat einen recht erfolgreichen Roman geschrieben, arbeitet auch für die Zeitung, lässt sich aber immer mehr in den Haushalt zurück treiben.
Im Mittelpunkt stehen daneben aber auch die gesellschaftlichen, sozialpolitischen Umbrüche der 60er Jahre. Viele Figuren, die den Lesern bereits in den ersten Bänden begegnet sind, tauchen auch jetzt auf, haben sich auf verschiedene Seiten geschlagen.
So entsteht ein umfassendes Bild der politischen und sozialen Lage.
Das Verhältnis zwischen Lila und Elena ist sehr abgekühlt und es bleibt abzuwarten, ob und wie sich das noch einmal ändern wird.
Das Grandiose an diesen Romane ist jedoch, dass es der Autorin gelingt, über ganz private Einzelschicksale den Wandel, die Entwicklung in einer Zeit des Umbruchs auf einer sehr breiten Basis darzustellen. Das Persönliche ist zugleich immer auch politisch und gesellschaftlich relevant.
Sehr ansprechend ist auch die Sprache, Elenas Sprache, die aus ihrer Sicht schildert, wie die Dinge laufen, wo etwas falsch läuft und wer wem hinterherläuft.
Insgesamt ist es ein großes Vergnügen, den dritten Band zu lesen. Erwartungsvoll sehe ich dem vierten und letzten Teil entgegen, der hoffentlich die in Band ganz zu Anfang aufgeworfene Frage nach dem Verbleib von Lila aufklären wird. Beide sind mir ans Herz gewachsen.