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Veröffentlicht am 09.11.2023

Hoffnungsschimmer

Die November-Schwestern
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Aufgrund der Wirtschaftskrise zieht Familie Halmarne auf eine Farm, die schon lange im Familienbesitz, jedoch mit einer Hypothek belastet ist. Mutter Willa, Vater Arnold und die drei Töchter Kerrin, Marget ...

Aufgrund der Wirtschaftskrise zieht Familie Halmarne auf eine Farm, die schon lange im Familienbesitz, jedoch mit einer Hypothek belastet ist. Mutter Willa, Vater Arnold und die drei Töchter Kerrin, Marget und Merle versuchen, dem kargen Boden
Überlebensnotwendiges abzuringen und durch den Verkauf von Milch und Eiern ein wenig Geld zu erwirtschaften. Einige Jahre funktioniert das mehr recht als schlecht, als aber der Regen ausbleibt und die Ernte dahin ist, sieht es finster aus am Horizont.

Düstere Farben und eine trostlose Atmosphäre schweben über diesem in sehr eindrücklicher Sprache verfassten Roman. Während Marget und Merle sich anfangs damit begnügen, „zu lesen, zu essen und zwischen den Hügeln am Leben zu sein“ (kindle, Pos. 642), ist das für Kerrin nie genug. Sie ist ein unruhiger Wirbelwind, der sich nur schwer zurechtfindet am Land. Als der Vater mit der harten Arbeit nicht mehr zurande kommt, stellt er Grant ein, der das Leben der drei jungen Damen gehörig auf den Kopf stellt.
Josephine W. Johnson strickt keine Handlung im klassischen Sinn, vielmehr versteht sie sich darauf, Bilder zu inszenieren, einzelne Problemfelder herauszugreifen. Die Figuren sind grob skizziert und dennoch kennt man schnell ihre ganz persönlichen Eigenheiten, ohne dass sie im grellen Rampenlicht stehen, denn das gibt es hier schlicht und einfach nicht. Das Leben am Bauernhof ist ein karges, der Spruch „Ihr Bauern habt zu essen … immerhin zu essen.“ (kindle, Pos. 822) auch nicht jederzeit gewiss. Realitätsnah und schonungslos erzählt die Autorin von Dramatik und Leid, nicht jedoch ohne am Ende mutig dem Morgen ins Gesicht zu sehen. Beeindruckend ist die glasklare Sprache, mit der das Farmerdasein geschildert wird, der unterschiedliche Umgang der einzelnen Familienmitglieder mit ihren Sorgen und Nöten. Die Tristesse ist bisweilen greifbar, die Abhängigkeit von Nachbarn und den Naturgewalten evident. Trotz allem kann mich dieses Buch nicht so recht begeistern, die Schwere lastet gleichsam auf den unnahbaren Figuren wie am Leser.

Fazit: ein stilistisch sehr ansprechender Roman, der jedoch bedrückend wirkt und nur einen kleinen Hoffnungsschimmer an den Horizont zaubert.

Veröffentlicht am 29.10.2023

Ein ganzes Leben

Florence Butterfield und die Nachtschwalbe
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In Babbington Hall, einem ehrwürdigen Seniorenheim nahe Oxford, verbringt Florence Butterfield ihre Tage, seit sie ihr linkes Bein verloren hat und im Rollstuhl sitzt. Aber Trübsal Blasen kennt die unternehmungslustige ...

In Babbington Hall, einem ehrwürdigen Seniorenheim nahe Oxford, verbringt Florence Butterfield ihre Tage, seit sie ihr linkes Bein verloren hat und im Rollstuhl sitzt. Aber Trübsal Blasen kennt die unternehmungslustige 87jährige nicht. Nachdem die Heimleiterin nachts aus ihrem Fenster im dritten Stock gestürzt ist, überlegt Florrie, dass es sich nicht um einen Selbstmord handeln kann, hat doch Renata ihr erst am Vortag eine neue Liebe angedeutet. Gemeinsam mit dem Mitbewohner Stanhope sucht Florence nach Spuren – im Todesfall Renatas und in ihrem eigenen Leben.

Sehr sachlich und distanziert beschreibt Susan Fletcher, wie im Garten der Seniorenresidenz ein Mann verstorben ist, und gleichzeitig sind die Informationen überaus detailliert, fast poetisch mit dem Efeu und den Zaunwinden. Die genauen Beobachtungen begleiten den Leser durch das gesamte Buch, sodass man sich das Leben in Babbington Hall sehr bildhaft vorstellen kann auch deren Bewohner und Mitarbeiter. Mit viel Liebe für Einzelheiten geht es aber dann nicht nur um den rätselhaften Sturz von Renata in der Mittsommernacht, sondern auch um Florris Leben, das immer wieder in die aktuelle Handlung eingeflochten und in nicht chronologischer Abfolge Puzzlestück für Puzzlestück preisgegeben wird. Leider kommt es da des Öfteren zu Langatmigkeit und ausschweifenden Abweichungen vom Thema, sodass man zuweilen befürchten muss, Andeutungen nicht zu verstehen, weil man vielleicht etwas überlesen hat. Dabei verdichten sich die eingestreuten Hinweise tatsächlich erst zum Ende hin zu einem logischen und überschaubaren Gesamtbild.

Der Leseprobe nach habe ich einen unterhaltsamen Roman mit dunklem Humor erwartet, tatsächlich liefert dieses Buch die teils langatmige Lebensgeschichte einer 87jährigen und kriminalistische Ansätze. Trotz allem sollte man aber bis zum Ende durchhalten, denn wenn einmal alle Fäden zusammenlaufen, ergibt sich auch der Reiz dieser zuweilen nicht enden wollenden Handlung. Ein guter Start und ein versöhnliches Ende, ein strafferer Mittelteil hätte nicht geschadet.

Veröffentlicht am 24.09.2023

Spurlos verschwunden

Die Suche
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Während Bundesermittler Aaron Falk ins südaustralische Weinland fährt, wo er bald als Taufpate fungieren wird, denkt er nach über das Marralee Valley Food and Wine Festival im Vorjahr, bei dem eine Frau ...

Während Bundesermittler Aaron Falk ins südaustralische Weinland fährt, wo er bald als Taufpate fungieren wird, denkt er nach über das Marralee Valley Food and Wine Festival im Vorjahr, bei dem eine Frau spurlos verschwunden ist. Niemand versteht, dass Kim ihre erst sechs Wochen alte Tochter allein im Kinderwagen zurückgelassen hat und sich aus dem Staub gemacht oder sich gar im nahe gelegenen See ertränkt hat, aber genau das scheint damals geschehen zu sein. Beim diesjährigen Festival will man einen Aufruf starten und die Ermittlungen noch einmal aufleben lassen, da Kims Leiche nach wie vor nicht gefunden worden ist.

Detailliert beschreibt Jane Harper die Situation auf der Kirmes, heute, ebenso wie ein Jahr zuvor. Einige Figuren spielen eine tragende Rolle und werden auch vorstellbar charakterisiert, etliche Namen tauchen aber auch nur in Erinnerung an frühere Ereignisse auf, wie beispielsweise an die Jugendpartys am See, wo man sich bis zum Erbrechen betrunken hat. Selbstverständlich gibt es schlüssige Zusammenhänge, die am Ende verknüpft werden, den Überblick zu bewahren, fällt jedoch mitunter schwer, insbesondere, weil sich Falks Überlegungen und die Rückblicke seiner Freunde in Marralee doch recht in die Länge ziehen. Während sich Harpers Schreibstil flüssig liest, bleibt die Handlung aber immer wieder zäh zurück und verliert sich in plötzlich eingeflochtenen Zeitsprüngen in die Vergangenheit. Trotz aller Wirrungen ergibt sich am Ende eine passende Auflösung für alle offenen Fragen; die Idee für den Roman gefällt mir sehr gut, die Umsetzung ist leider diesmal nicht so gut gelungen wie bei „Der Sturm“.

Fazit: ein interessanter Spannungsroman über Schuld und Gesellschaftskonflikte, der nach einem eher langatmigen Beginn erst nach und nach an Spannung zulegt und ein überraschendes Ende bereithält.

Veröffentlicht am 24.08.2023

Brutal

Sekunden der Gnade
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Im Jahre 1974 soll die Rassentrennung in Bostoner Schulen endlich der Vergangenheit angehören. Busse werden schwarze Kinder in weiße Schulen bringen und umgekehrt. Aber die Southie High ist genauso ein ...

Im Jahre 1974 soll die Rassentrennung in Bostoner Schulen endlich der Vergangenheit angehören. Busse werden schwarze Kinder in weiße Schulen bringen und umgekehrt. Aber die Southie High ist genauso ein Elend wie die Roxbury High, auch bei der weißen Bevölkerung herrschen Gewalt, Drogensucht und Selbstjustiz, der Hass gegen Schwarze ist allgegenwärtig. Als Mary Pats siebzehnjährige Tochter nicht nach Hause kommt, begibt Mary Pat sich auf die Suche und taucht immer mehr ein in einen Ring von Widersprüchen, bis sie zur schrecklichsten Erkenntnis kommt, die es für eine Mutter überhaupt geben kann: Jules wird nie wieder heimkehren.

Neugierig geworden durch die Leseprobe hat mich dann aber doch das Ausmaß an Gewalt und Brutalität überrascht, mit welchem man als Leser konfrontiert wird. Dennis Lehane erzählt eindringlich und ungeschönt, die Atmosphäre im Bostoner Stadtviertel ist mehr als greifbar. Auch Mary Pats Verzweiflung, dass ihr nun nach ihrem Sohn noch die Tochter genommen worden ist, ihre Entschlossenheit, gegen die Übeltäter vorzugehen, ist sehr gut dargestellt. Angepasst an das beschriebene Milieu herrscht eine grobe Sprache vor, alles ist rund und stimmig. Dennoch ist es an manchen Stellen schwierig, weiterzulesen, die bildhafte Vermittlung von rassistischen Szenen, die ja an tatsächliche Vorgänge in Boston erinnern, sind nicht leicht zu verdauen.

Wie Schmerz zu Rache führt, wie Leid Kräfte freisetzen kann, genau das zeigt Dennis Lehane in diesem aufrüttelnden Buch. Nicht ganz mein Geschmack, aber dennoch sehr realistisch und überzeugend.

Veröffentlicht am 14.08.2023

Elli in der Kita

Tödliches Dublin
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Vor etwa fünf Jahren ist Elli O’Shea aus dem deutschen Regensburg nach Celbridge in Irland gekommen, hat mit ihrem Mann Seán ein hübsches Häuschen gekauft und nun, da die beiden Kinder schon ein wenig ...

Vor etwa fünf Jahren ist Elli O’Shea aus dem deutschen Regensburg nach Celbridge in Irland gekommen, hat mit ihrem Mann Seán ein hübsches Häuschen gekauft und nun, da die beiden Kinder schon ein wenig größer sind, mit einem Kollegen eine Detektei gegründet. Aber so gut, wie alles scheint, läuft es nicht – das Haus muss kernsaniert werden und Seán kann nicht am versprochenen Arbeitsplatz beginnen. Umso mehr strengt sich Elli an und übernimmt kurzfristig eine Stelle im Kindergarten in Sandy Cove, wo sie verdeckt für eine Versicherung Nachforschungen anstellen soll. Außer arger Personalnot fällt ihr jedoch nichts auf, bis sie eines Morgens die Leiterin der Einrichtung tot hinter ihrem Schreibtisch findet.

Während Pia O’Connell Ellis interessante Geschichte erzählt, fügt sie zwischen den Kapiteln jeweils kurze kursiv gedruckte Sequenzen ein, in denen ein Heimkind berichtet. Wie diese beiden grundlegenden Handlungsstränge zusammenhängen, wird erst kurz vor dem Ende aufgelöst, sodass hier eine gewisse Grundspannung erzeugt wird. Im Mittelpunkt steht allerdings Ellie, die viel erlebt in diesem dritten Band. Die Handlung ist wohl in sich abgeschlossen, dennoch gibt es eine Menge Querverweise zu Ellis Eltern, Schwestern und einem Ex-Freund, die in diesem Ausmaß wenig zum Verständnis beitragen, aber vermutlich spannend sind für Leser, welche diese Reihe bereits kennen. Für mich als Neueinsteiger war die Verwandtschaft eher abschweifende Ablenkung als Unterhaltung. Auch sonst verliert sich die Handlung in vielen Nebenschauplätzen, die Vorfälle in der Kita verschwinden zunehmend in den Hintergrund, die Auflösung der Details wirkt etwas an den Haaren herbeigezogen. Am meisten aber vermisse ich Erklärungen zu den Kinderheimen und Magdalenenschwestern mit ihren Wäschereien, ein unrühmliches Kapitel in Irlands Geschichte, das sich in seiner Tragweite nur Lesern erschließt, die darüber bereits Bescheid wissen. In der vorliegenden Form finde ich dieses überaus ernste Thema zu rasch abgehandelt.

Nichtsdestotrotz liest sich Tödliches Dublin flüssig und unterhaltsam, realistischer Alltag in Ehe und Arbeit findet ebenso Platz wie ein Kriminalfall, in den Elli verstrickt wird. Für entspannte Lesestunden ist also gesorgt.

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