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Veröffentlicht am 11.11.2018

Verzerrte Wahrnehmung

Der Vogelgott
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Vier Mitglieder einer Familie kommen mit dem Mythos vom Vogelgott in Kontakt und drohen, darüber ihren Verstand zu verlieren.
Und so fragt sich mancheiner: „Wozu sind wir hier? Welche Rolle spielen wir ...

Vier Mitglieder einer Familie kommen mit dem Mythos vom Vogelgott in Kontakt und drohen, darüber ihren Verstand zu verlieren.
Und so fragt sich mancheiner: „Wozu sind wir hier? Welche Rolle spielen wir in diesem barbarischen Stück, das von den Vogelmännern ersonnen wurde?“. Die Wesen, halb Mensch, halb Vogel, erscheinen den Protagonisten auf unterschiedliche Weise, in Aufzeichnungen, Visionen, Erinnerungen und beeinflussen ihre Wahrnehmung der Realität.
Das Buch liest sich mit einer Mischung aus Faszination für das Übernatürliche und Verwirrung. Ähnlich muss es den Figuren ergangen sein, die ihre Selbstbestimmung verlieren, eine Besessenheit erfahren und nicht mal mehr sich selbst trauen können.
Die Idee zu diesem Roman ist außergewöhnlich, die Sprache ausgefeilt. Und doch bleibt bei mir eine gewisse Unzufriedenheit übrig über das Fragmentarische, die geringe Verknüpfung der Einzelschicksale, den ausbleibenden Aha-Effekt, so als sei ich selber in den Bann des Vogelgotts geraten, der mich daran hindert, alle Informationen ausreichend zu deuten.

Veröffentlicht am 03.11.2018

Flüchtige Kunst

Flucht über den Brenner
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In Verona gibt es einen Kunstraub; in Bayern werden Flüchtlingsschlepper aus dem Verkehr gezogen. Wie dies zusammenhängt, ergründen die Kommissare Fontanaro und Breitwieser in ihrem dritten grenzüberschreitenden ...

In Verona gibt es einen Kunstraub; in Bayern werden Flüchtlingsschlepper aus dem Verkehr gezogen. Wie dies zusammenhängt, ergründen die Kommissare Fontanaro und Breitwieser in ihrem dritten grenzüberschreitenden Fall.
Mit der Flüchtlingskrise hat die Autorin ein aktuelles Thema in den bayrisch-italienischen Krimi eingebunden, zu dem man in beiden Ländern unterschiedliche Meinungen hat. Trotz aller Dramatik führt dies aber durchaus zu witzigen Szenen. „Deine Schwiegermutter kocht in einer Turnhalle Tomatensauce in einem Zehnlitertopf und Spaghetti bis zum Abwinken.“
Neben den bekannten Ermittlern werden neue Figuren eingeführt, die noch Entwicklungspotenzial für Folgebände bieten. Ansonsten gibt es die fallspezifischen Verdächtigen unter den offensichtlich Kriminellen und den Reichen und Schönen. Schade fand ich, dass die Kommissare diesmal wenig interagierten, eher nebeneinanderher ihre Pläne verfolgten. Und so kam der freundschaftliche neben dem kulinarischen Teil (früher gingen sie zur Erholung essen oder zumindest einen Kaffee trinken) in meinen Augen zu kurz, was zulasten des Charmes der Reihe ging.

Veröffentlicht am 02.11.2018

Schmelztiegel der Kulturen

Piccola Sicilia
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Moritz wird als Kameramann für Propagandafilme im Zweiten Weltkrieg nach Tunesien geschickt, wo sein Schicksal seinen Lauf nimmt.
Der Roman wird auf zwei Zeitebenen erzählt. In der Gegenwart versucht Moritz‘ ...

Moritz wird als Kameramann für Propagandafilme im Zweiten Weltkrieg nach Tunesien geschickt, wo sein Schicksal seinen Lauf nimmt.
Der Roman wird auf zwei Zeitebenen erzählt. In der Gegenwart versucht Moritz‘ Enkelin, die Umstände zum Verbleib ihres Großvaters herauszufinden. Der Großteil der Handlung spielt jedoch in Kriegszeiten in Tunis, einem Schmelztiegel der Kulturen. Und so spielt Identität eine zentrale Rolle. „Ein paar Minuten, nachdem wir auf die Welt kommen, geben sie uns einen Namen, eine Nationalität und eine Religion. Und dann verbringen wir den Rest unseres Lebens damit, etwas zu sein, das wir nie gewählt haben.“
Tunesien ist ein exotischer Kriegsschauplatz, der abwechselnd von verschiedenen Mächten besetzt wird. Vor diesem Hintergrund erleben wir, wie eine jüdische Familie lebt, kämpft und liebt. Das ist gut erzählt (mit tollen sprachlichen Bildern) und mitreißend. Problematisch an „Piccola Sicilia“ sind lediglich die Längen, die mich das Buch immer wieder aus der Hand legen ließen. Im Kopf bleibt es mir allemal.

Veröffentlicht am 02.11.2024

Gott und die Welt

Lieben
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In diesem Band der Reihe Hanser Berlin LEBEN soll es ums Lieben gehen, und zwar nicht nur im Sinn der rosaroten Brille, sondern etwas weiter gefasst.
„Die romantische Liebe hat ein wankelmütiges Wesen. ...

In diesem Band der Reihe Hanser Berlin LEBEN soll es ums Lieben gehen, und zwar nicht nur im Sinn der rosaroten Brille, sondern etwas weiter gefasst.
„Die romantische Liebe hat ein wankelmütiges Wesen. Sie erhebt uns in die höchsten Höhen und stürzt uns in die tiefsten Tiefen, sie befreit und sperrt uns ein, wir sehnen uns nach ihr, und wenn wir sie finden, sind wir oft so überwältigt, dass wir Reißaus nehmen.“ Solche sprachlichen Bilder lassen mich in Verzückung geraten. Allerdings ist imselben Kapitel ständig von „Lovers“ die Rede - warum nicht „Liebende“, um nicht eine Fremdsprache zu bemühen?
Die Autorin wird an vielen Stellen sehr persönlich, wofür ich großen Respekt habe, zumal es unter anderem um Missbrauch geht. Doch die Liebe bleibt dabei auf der Strecke. Ich sehe den Kontext nicht bei einer Vergewaltigung und auch nicht bei der Deutung der Sterne.
Es geht hier um Werte, Freundschaft, Tiere oder den Kosmos. Und das sind durchaus spannende Themen. Mir ging jedoch beim Lesen meist ein Gedanke durch den Kopf, und der war: Das ist doch völlig am Thema vorbei. Und deshalb fällt mein Urteil harsch aus: Ich empfehle das Buch nicht, handelt es sich doch um eine Mogelpackung.

Veröffentlicht am 14.11.2023

Verkorkst

Im Prinzip ist alles okay
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Miryam hat in ihrem Leben schon viel durchgemacht. Doch auch als frischgebackene Mutter ist es schwer für sie, ihr Glück zu finden.
Im Roman werden, aus der Perspektive der Protagonistin, verschiedene ...

Miryam hat in ihrem Leben schon viel durchgemacht. Doch auch als frischgebackene Mutter ist es schwer für sie, ihr Glück zu finden.
Im Roman werden, aus der Perspektive der Protagonistin, verschiedene Momente ihres verkorksten Lebens aufgegriffen. Wir erfahren, wie sie von einem schwierigen Elternhaus in die nächste toxische Beziehung torkelt und schließlich bei dem Vater ihres Kindes landet. Wenn man den so reden hört, kann man auch hier nicht auf ein respekt- oder gar liebevolles Miteinander schließen: „Nur weil dein Vater scheiße war, nervst du jetzt alle. Geh mal lieber in die Wanne, Miryam, du musst mal deine Psychosen einweichen und uns hier in Ruhe frühstücken lassen.“
Ich habe mich von der anfänglichen Eloquenz der Ich-Erzählerin einwickeln lassen und war schnell von den niveaulosen Dialogen genervt. Sie wird beispielsweise als „Du Opfer“ angesprochen und lässt das ohne weitere Gedanken oder Reaktionen so stehen. Es wird klar, dass sie es im Leben schwerhatte, und ich verstehe, dass sie daran zu knabbern hat. Doch, wie dies vermittelt wird, ist übertrieben (alle Menschen sind fies zu ihr, sogar die Chefin, die gar nichts zur Sache tut) oder realitätsfern (selbst ein Psychologe verurteilt sie beim ersten Gespräch). „Im Prinzip ist alles okay“, aber ein Lesegenuss wollte sich bei mir nicht einstellen.