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Veröffentlicht am 04.12.2023

Spektakulär und atemberaubend

Der Spion und der Verräter
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Ben Macintyre legt mit „Der Spion und der Verräter“ die Biografie von Oleg Gordijewski vor, der als KGB-Offizier für den britischen Geheimdienst spionierte. Daneben werde Einblicke in die Arbeit des KGB ...

Ben Macintyre legt mit „Der Spion und der Verräter“ die Biografie von Oleg Gordijewski vor, der als KGB-Offizier für den britischen Geheimdienst spionierte. Daneben werde Einblicke in die Arbeit des KGB und anderer Geheimdienste sowie in das russische Denken und Handeln gegeben. Streckenweise liest sich dieses Buch wie ein Thriller, insbesondere was die Planung und Durchführung der spektakulären Flucht aus Moskau betrifft.

Das zunächst unspektakulär anmutende Cover enthält alle wichtigen Informationen in Schrift und Bild. Im Hintergrund des eher unscheinbaren Mannes mit Aktenkoffer sind sehr zurückhaltend zwei Gebäude abgebildet, die die Sowjetunion und Großbritannien symbolisieren. Nicht zufällig wird der Eindruck erweckt, der Mann bewegt sich von Ost nach West.

Ben Macintyre nimmt in seiner Einführung, die auf den 18. Mai 1985 datiert ist, eine für Oleg Gordijewski einschneidende Situation vorweg und baut damit Spannung auf. Im Anschluss daran wird Gordijewskis Lebensgeschichte chronologisch erzählt. Bereits die Ausgangssituation in der Familie ist sehr interessant, denn hier lernt Oleg Gordijewski, wie man Geheimnisse voreinander verbergen kann.

Macintyre arbeitet sehr gut heraus, welche Beweggründe Oleg Gordijewski gehabt hat, für den britischen Geheimdienst zu arbeiten. Auch Gordijewskis Zweifel, seine Ängste und seine Überlegungen, u.a. zu der Frage, ob er seine Frau einweihen soll, werden thematisiert.

Insgesamt ist es eine mit vielen Informationen und Namen durchsetzte Geschichte, die sich nicht nebenbei lesen lässt. Fotos, eine Liste der Decknamen und Aliasse, ein umfangreicher Zitatnachweis und ein informatives Nachwort vervollständigen das Buch.

Fazit: eine absolut lesenswerte wahre Geheimdienstgeschichte

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Veröffentlicht am 29.11.2023

Schneereiches Weihnachtsfest mit Überraschungen

Stille Nacht im Schnee
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In einem wunderbar lockeren Schreibstil erzählt Alexander Oetker vom Weihnachtsfest der Familie von Elisabeth und Pascal mit ihren drei Kindern. Der ältere Sohn verschwindet nach der Ankunft grußlos im ...

In einem wunderbar lockeren Schreibstil erzählt Alexander Oetker vom Weihnachtsfest der Familie von Elisabeth und Pascal mit ihren drei Kindern. Der ältere Sohn verschwindet nach der Ankunft grußlos im Chalet, um sich hinter einer Zeitung zu verstecken. Sein Sohn Mats hat seinen Hamster Willi mitgebracht, der noch für Aufregung sorgen wird und seiner Frau kann nichts recht gemacht werden. Dafür kommt der jüngere Sohn zwar mit seinen Töchtern Ronja und Thea, aber ohne seine Frau Sylvie. Die Tochter kommt wie immer als letzte und hat ihren Hund und, wie jedes Jahr, einen neuen Freund an ihrer Seite.

Allein die lebendige Beschreibung der so unterschiedlichen Protagonisten sorgt für Spannung, Alexander Oetker macht daraus eine wunderbare Weihnachtsgeschichte mit vielen Überraschungen und einem stimmigen Ende.

Das Cover ist perfekt dazu gestaltet.

Fazit: eine besondere Weihnachtsgeschichte für einen gemütlichen Nachmittag, besonders in der Vorweihnachtszeit

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Veröffentlicht am 19.11.2023

Unbewusste Glaubenssätze bewusst machen

Ist das Gott oder bin das ich?
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Der Untertitel dieses Buches lautet: Meine unbewussten Denkmuster erkennen und Gottes Willen näherkommen. Dies versucht Christiane Sautter, ihren Lesern in drei Abschnitten näher zu bringen.

Nach einem ...

Der Untertitel dieses Buches lautet: Meine unbewussten Denkmuster erkennen und Gottes Willen näherkommen. Dies versucht Christiane Sautter, ihren Lesern in drei Abschnitten näher zu bringen.

Nach einem Vorwort und einer Einleitung überschreibt sie Teil I mit „Warum wir oft scheitern, Gottes Willen zu erkennen“. Was treibt uns an, oft unbewusst und gibt es Möglichkeiten der Veränderung? Im zweiten Teil geht es um den „Seelenacker“, den es zu bearbeiten gilt, um Gott näher zu kommen. Hier untersucht Christiane Sautter Fragen nach den in den ersten Lebensjahren gemachten Erfahrungen, die Beeinflussung der kindlichen Glaubenssätze als Erwachsenen, emotionale Auswirkungen und Fragen nach der Vergebung. Im dritten Teil unter der Überschrift „Befreit, Gottes Willen zu tun“ führt die Autorin aus, wie wir erkennen können, dass wir Gottes Willen erfüllen und wozu Gott unsere Gaben nutzt.

Christiane Sautter, Jahrgang 1956, ist Familientherapeutin, Supervisorin, Kindertherapeutin und Heilpraktikerin für Psychotherapie und führt zusammen mit ihrem Mann eine Gemeinschaftspraxis für systemische Therapie. Sie hat zahlreiche Bücher geschrieben und engagiert sich in ihrem Gemeinde, der evangelisch-lutherischen Stadtkirche in Ravensburg.

Mit ihren Erfahrungen aus ihrer langjährigen beruflichen Tätigkeit ist Christiane Sautter prädestiniert, ein solches Buch zu schreiben. Das Buch ist klug aufgebaut. Gut verständlich bereitet die Autorin die einzelnen Kapitel und Unterkapitel auf. Reflexionsfragen helfen dabei, die Ausführungen und natürlich sich selbst besser zu verstehen.

Gastbeiträge von Elke Werner, Theologin und Referentin, bilden eine ausgezeichnete Ergänzung, insbesondere in und aus theologischer Sicht.

Ein ausgezeichnetes Buch für alle, für die der Glaube eine wichtige Konstante in ihrem Leben ist.

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Veröffentlicht am 19.11.2023

Familiengeschichte aus dem "kleinsten Staat im Reich"

Unsereins
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Der neue Roman von Inger-Maria Mahlke ist eine Familiengeschichte, die in der Hansestadt Lübeck angesiedelt ist, der Stadt, in der die Autorin aufwuchs, aber auch die Geburtsstadt von Schriftstellern und ...

Der neue Roman von Inger-Maria Mahlke ist eine Familiengeschichte, die in der Hansestadt Lübeck angesiedelt ist, der Stadt, in der die Autorin aufwuchs, aber auch die Geburtsstadt von Schriftstellern und Dichtern wie Thomas Mann oder Emanuel Geibel. Beide finden im Roman Berücksichtigung, Mann wird genannt, Geibel erhält den Namen „Keitel“, sein Denkmal in der Stadt wird des öfteren erwähnt.
Seine Tochter Marie bildet mit ihrem Mann, dem Rechtsanwalt Friedrich Lindhorst und ihren acht Kindern die Familie, um die es in diesem Roman hauptsächlich geht. Eine Vielzahl weiterer Protagonisten, die auf unterschiedliche Weise mit der Familie in Beziehung stehen oder Berührungspunkte haben, verdeutlichen die gesellschaftlichen Strukturen in der Zeit von Januar 1890 bis September1906, die Zeit, in der der Roman spielt. Um einige Beispiele zu nennen: Ida, das Dienstmädchen, bildet sich heimlich weiter, um als Stenotypistin eine bessere Stelle zu bekommen und nicht ständig die Wünsche ihrer Herrschaft erfüllen zu müssen. Der Ratsdiener Isenhagen hat neben seiner Arbeit einige geheime „Plehsiere“ und macht dann einen Fehler, der sein Leben verändern wird. Henriette kann erst ein selbstbestimmtes Leben als Schriftstellerin leben, als ihr unverhofft das Erbe ihres Vaters zufällt.

Inger-Maria Mahlke erzählt chronologisch mit Zeitsprüngen, die dem jeweiligen Kapitel vorangestellt sind. Dabei stehen andere Protagonisten im Vordergrund, so dass Aufmerksamkeit gefragt ist. Einiges wird detailliert erzählt, anderes wiederum wird nur zwischen den Zeilen erkennbar. Die Autorin erzählt von Macht und Ohnmacht, von der Stellung der Frau, deren Zugang zur Bildung sehr erschwert wurde, wenn er denn überhaupt möglich war, dem Leben derer, die sich ihren Lebensunterhalt mehr oder weniger mühsam verdienen, von ausweglosen Situationen, sowohl für geschwängerte und entlassene Dienstmädchen wie auch für Söhne „aus gutem Hause“, von gescheiterten Lebensentwürfen und hohen Erwartungen – kurz: Inger-Maria Mahlke zeichnet ein gesellschaftskritisches Bild der Zeit.

Ein Personenverzeichnis, auf das während der Lektüre hin und wieder zurückgegriffen werden muss sowie zwei Karten von Lübeck in den Vorsätzen komplettieren den Roman. Das Cover passt in die Zeit und zeigt auf gelungene Weise Symmetrie und Asymmetrie.

Inger-Maria Mahlke, Jahrgang 1977, hat Rechtswissenschaften an der FU Berlin studiert und am Lehrstuhl für Kriminologie gearbeitet. Für ihre Romane wurde sie vielfach ausgezeichnet, zuletzt erhielt sie für „Archipel“ den Deutschen Buchpreis.

Fazit: ein anspruchsvoller, sehr lesenswerter Roman über die Gesellschaft um die Jahrhundertwende des letzten Jahrhunderts.

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Veröffentlicht am 16.11.2023

Veränderungen in der Ordnung der Mächte

Welt in Aufruhr
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Das schlicht gehaltene Cover in überwiegend gedeckten Farben passt ausgezeichnet zu diesem informativem Sachbuch. Der in roter Farbe gedruckte Titel sticht heraus – diese Farbe ist nicht zufällig gewählt.

Ich ...

Das schlicht gehaltene Cover in überwiegend gedeckten Farben passt ausgezeichnet zu diesem informativem Sachbuch. Der in roter Farbe gedruckte Titel sticht heraus – diese Farbe ist nicht zufällig gewählt.

Ich durfte den emeritierten Professor für Politikwissenschaft und vielfach ausgezeichneten Autor Herfried Münkler (Jahrgang 1951) in zwei Veranstaltungen zu „Der Dreißigjährige Krieg“ und „Marx, Wagner, Nietzsche – Welt im Umbruch“ erleben. Er äußerte sich klug und reflektiert, so dass das neue Buch für mich ein „Muss“ war (und ist).

Münkler stellt seinem Buch zwei Zitate von André Malreaux und Karl Marx voran, die verdeutlichen, was sein Anliegen ist, nämlich der Versuch, eine neue Weltordnung zu antizipieren und zu erläutern. In seiner Einleitung mit der Überschrift „Vom Wandel der Weltordnung“ beschreibt er diesen im Laufe der Zeit. In den folgenden sechs Kapiteln werden verschiedene Aspekte beleuchtet. Münkler beginnt mit der Abrüstung am Ende des Kalten Krieges, stellt verschiedene Friedensordnungen vor und geht auf die Herausforderungen ein, die eine Einbindung von Russland in die europäische Friedensordnung darstellen.
Im zweiten Kapitel geht es um „Geopolitik und Weltordnung“, in dem historische Beispiele benannt und erläutert werden. Gleiches gilt auch für das folgende Kapitel „Module der Weltordnung“, hier werden Fragen gestellt nach Polaritäten (Uni-, bi- und multipolar) und dem Gleichgewicht der großen Mächte. Die „Erzählungen und Bilder der Weltordnung“ im vierten Kapitel beginnen mit den Narrativen der Ukraine und Russlands, um dann sehr ausführlich auf das Gleichnis von Leviathan und Behemoth einzugehen. Im fünften Kapitel stellt Münkler „Analytiker des großen Umbruchs: Thukydides, Machiavelli, Clausewitz“ vor, bevor er zum Abschluss „Die Weltordnung der großen Fünf“ erläutert. Fünf große Staaten, hier die USA, Russland, China, die EU und Indien, sieht Münkler als gute Größe an, um ein gewisses Maß an Stabilität zu gewährleisten, wobei auch ein solche Konstellation durch verschiedene, nicht vorhersehbare Ereignisse immer Veränderungen unterworfen ist, die auch zum Scheitern führen können.

Durchgängig beschreibt Münkler auch Veränderungen, zu denen falsche oder fehlerhafte Einschätzungen, mangelnde Vorstellungskraft oder nicht beeinflussbare äußere Umstände geführt haben. Dies kann für die Vergangenheit gezeigt werden, gilt jedoch auch für die Zukunft.

Umfangreiche Anmerkungen und ein ausführliches Literaturverzeichnis runden dieses wertvolle Buch ebenso wie das Lesebändchen ab.

Sehr schade, dass mir der schlichte und doch so wahre Satz „Münkler lesen macht klüger.“ (Tagesanzeiger) nicht eingefallen wäre.


Fazit: Herfried Münkler hat (erneut) ein ausgezeichnet recherchiertes, ein wertvolles Buch zu einem hochaktuellen Thema


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