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Veröffentlicht am 27.11.2023

Wo das Zuhause ist

Bei euch ist es immer so unheimlich still
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Silvia Borowski fährt mit einem geklauten Polo Richtung Süden, zurück in die Spießigkeit ihrer Heimat, aus der sie vor fast zwanzig Jahren geflohen ist. Sie ist nicht allein, ihre wenige Wochen alte Tochter ...

Silvia Borowski fährt mit einem geklauten Polo Richtung Süden, zurück in die Spießigkeit ihrer Heimat, aus der sie vor fast zwanzig Jahren geflohen ist. Sie ist nicht allein, ihre wenige Wochen alte Tochter Hannah nimmt sie mit. Sie weiß nicht, was sie erwartet, weiß nicht, ob ihre Mutter Evelyn noch in der süddeutschen Kleinstadt Ildingen wohnt, die Silvia ihrerseits so plötzlich und überstürzt verlassen hat, kurz nachdem ihre Tante Betti damals verschwunden ist. In Ildingen angekommen, muss sie sich ihrer Vergangenheit stellen.

Aus verschiedenen Perspektiven näherten wir uns der Erzählung an, die Gegenwart im Jahr 1989 wechselte sich mit der Vergangenheit ab, beginnend im Jahr 1950. So erfuhr ich vieles über die Kindheit von Silvia, aber auch der Werdegang ihrer Eltern wurde thematisiert. Ich kenne den Vorgänger mit dem wunderbaren Titel ›Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid‹ nicht, hatte aber zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, dass mir bestimmtes Wissen fehlen würde. Das vorgenannte Buch handelt unter anderem von der siebenundzwanzigjährigen Hannah, die im aktuellen Buch noch ein Baby gewesen ist. Beiden Büchern gemeinsam ist die Aufarbeitung der Familiengeschichte über mehrere Generationen, sodass diese wohl gut unabhängig voneinander gelesen werden können, behaupte ich. Anscheinend ergänzen sich die Bücher, sodass ich nun dringend das andere lesen will, um mir ein vollständiges Bild machen zu können.

Mir hat die Geschichte sehr gefallen, die gesellschaftlichen Probleme damals und heute, besonders was Familienplanung, Mutterschaft und Frauenarbeit betrifft, spielten eine Rolle, es wurde aber auch die Sprachlosigkeit zwischen den Generationen authentisch thematisiert. Die Wichtigkeit der Außenwirkung in einer Kleinstadt fasziniert mich zudem ebenfalls immer wieder, dieser Anspruch, den Nachbarn zu beweisen, dass das eigene Leben richtig ist, ohne jemandem vor den Kopf zu stoßen, weil das Ansehen so wichtig ist. Das Verhältnis der Frauen zueinander hat mich berührt, ihre Sehnsucht nach einer Normalität, die sich nie einstellen wollte, beide das Produkt ihrer Zeit. Das Ende hat mich erneut sehr bewegt, es passte ganz wunderbar zur restlichen Geschichte. Von mir gibt es fünf Sterne und ein Extrasternchen dazu. Natürlich auch eine Leseempfehlung, das versteht sich wohl von selbst.

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Veröffentlicht am 21.11.2023

Gehen oder bleiben?

Das leise Platzen unserer Träume
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Jule und David haben sich den Traum von einem Haus auf dem Land erfüllt, nur der Kinderwunsch erfüllte sich leider nicht. Nun leben beide nebeneinander her, keiner will sich eingestehen, dass die Ehe gescheitert ...

Jule und David haben sich den Traum von einem Haus auf dem Land erfüllt, nur der Kinderwunsch erfüllte sich leider nicht. Nun leben beide nebeneinander her, keiner will sich eingestehen, dass die Ehe gescheitert ist. Hellen wiederum lebt in der Stadt, hat ihre zerrüttete Ehe hinter sich gelassen und verdient das Geld für sich sowie ihre zwei Kinder mit einem Blog auf Instagram. Zusätzlich hat Hellen eine Affäre. Mit David, dem Mann von Jule.

Abwechselnde Kapitel griffen tief in das Leben beider Frauen ein; während ich über das Landleben und die Gefühlswelt von Jule las, richtete sich Hellen unmittelbar an Jule, was sehr persönlich, fast schon intim war, sodass es mich anfangs ein wenig peinlich berührte. Die unterschiedlichen Auffassungen der Frauen und ihr gegensätzliches Leben, hatten nur auf den ersten Blick keine Berührungspunkte. Je weiter die Geschichte voranschritt, desto klarer wurde mir, worauf diese hinausläuft, worauf sie hinauslaufen muss. Dennoch hätte ich die weitere Entwicklung nicht erwartet, war überrascht, welchen Twist die Autorin eingebaut hat. Wiederholt fragte ich mich, wie ich reagiert hätte, welche Handlung ich nachvollziehen könnte und welche für mich persönlich gar nicht ging. Verständnis hatte ich für beide Frauen, so unglaublich es auch klingen mag. Das Ende überraschte mich erneut, aber es war stimmig und passte wunderbar zur Situation. Genauso hätte ich es mir gewünscht, wenn man mich gefragt hätte.

Ein wunderbares Buch, das mich mit der unaufgeregten und klaren Sprache begeistert hat. Von mir gibt es fünf Sterne und eine Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 19.11.2023

Ein modernes Märchen

Die Gouvernanten
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Laura, Éléonore und Inès sind Gouvernanten im Dienst von Monsieur und Madame Austeur. An der Erziehung der Jungen haben sie allerdings kein Interesse, denn das echte Leben liegt ihnen mehr. Verirrt sich ...

Laura, Éléonore und Inès sind Gouvernanten im Dienst von Monsieur und Madame Austeur. An der Erziehung der Jungen haben sie allerdings kein Interesse, denn das echte Leben liegt ihnen mehr. Verirrt sich ein Fremder in den Park, wird er gejagt, erlegt, mit Haut und Haaren gefressen. Unersättlich sind sie, stellen Regeln auf und folgen ihrem Begehren.

„Nicht alle Fremden werden an einem Nachmittag verschlungen. Die Gouvernanten haben auch wahre Liebesbeziehungen, von längerer Dauer, mit Anfang, Höhepunkt und unabwendbarem Ende. Zuerst sprühen die Gouvernanten vor Freude. Zur Mitte hin spüren sie bereits die langen, feinen Nadeln des Leids. Wenn sie sich trennen, ist die Liebe längst vorbei.“ (Seite 37)

Mit einem Augenzwinkern zu genießen, sinnlich, düster, lebensbejahend und wild. Dieser Mix aus Märchen, Fantasy und poetischer Prosa hat mich angenehm überrascht, eine solche Erzählung war für mich neu. Fantastisch und mystisch, dabei aber nicht abgedreht, wird die weibliche Lust gefeiert, nehmen sich die Frauen, was ihnen gefällt. Einem Experiment gleich ließ ich mich drauf ein und wurde belohnt mit einer Geschichte, die mich verzaubert hat. Da ist es toll, dass sie verfilmt wird mit der Tochter eines berühmten Filmstars. Volle Punktzahl gibt es dafür von mir.

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Veröffentlicht am 17.11.2023

Zwei Seiten einer Medaille

Dunkelzeit
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Es ist das Jahr 1985, Hal lebt in der Kleinstadt Gunthrum, Nebraska, und arbeitet als Landarbeiter auf der Farm von Alma und Clyle, die ihn fast wie einen Adoptivsohn behandeln. Der junge Mann ist geistig ...

Es ist das Jahr 1985, Hal lebt in der Kleinstadt Gunthrum, Nebraska, und arbeitet als Landarbeiter auf der Farm von Alma und Clyle, die ihn fast wie einen Adoptivsohn behandeln. Der junge Mann ist geistig beeinträchtigt, was dazu führt, dass er der erste Verdächtige ist, als die siebzehnjährige Peggy verschwindet und man einen Schuldigen sucht. An dem fraglichen Wochenende war Hal auf einem Jagdausflug, allerdings kehrt er mit einer Delle im Pick-up und Blut auf der Ladefläche früher nach Hause zurück, ohne seinen Arbeitgebern eine zufriedenstellende Auskunft über die letzten Tage geben zu können.

Ich kann kaum glauben, dass Dunkelzeit das Debüt von Erin Flanagan sein soll, denn dieser Kriminalroman war eines der besten Bücher, die ich in letzter Zeit lesen durfte. Aus verschiedenen Blickwinkeln näherte sich die Autorin dem Geschehen an, schilderte das Leben in einer Kleinstadt so authentisch und realistisch, dass ich das Gefühl hatte, mittendrin zu sein. Ob Klatsch und Tratsch, die kleinen und großen Geheimnisse, Freundschaften, Verbrüderungen, Sticheleien oder die übliche Eifersucht; es gab von allem etwas, die Figuren waren mit Leben gefüllt, die Handlung dramatisch und die Geschichte wendungsreich. Ich hätte nicht gedacht, dass die Story es schafft, mich dermaßen gut zu unterhalten, der Ausgang war überraschend und die folgende Enthüllung absolut genial. So wünsche ich mir einen Kriminalroman! Volle Punktzahl gibt es dafür von mir und natürlich eine Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 10.11.2023

Eltern, Kinder und die Liebe

Endstation Malma
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In einem Zug fährt ein Vater mit seinem Kind, fährt ein Ehepaar, das nach vielen Streitigkeiten verschiedene Auffassungen von der Zukunft hat, und eine junge Frau, die endlich wissen will, was in der Vergangenheit ...

In einem Zug fährt ein Vater mit seinem Kind, fährt ein Ehepaar, das nach vielen Streitigkeiten verschiedene Auffassungen von der Zukunft hat, und eine junge Frau, die endlich wissen will, was in der Vergangenheit geschehen ist. Alle diese Menschen sind miteinander verbunden, ihre Schicksale miteinander verwebt. Sie fahren nach Malma, einen kleinen Ort, der wenige Stunden von Stockholm entfernt ist.

Ich muss mich hier zurückhalten, denn obwohl ich meine Begeisterung laut herausrufen will, möchte ich noch lieber jeder Leserin und jedem Leser das Erstaunen, das Begreifen und das Entzücken belassen, das mich immer wieder beim lesen ergriffen hat, als erneut ein Puzzleteil zum anderen fand und noch weitere dann das große Ganze vervollständigten. Dabei war eine übermäßige Spannung anfangs fast gar nicht vorhanden, diese baute sich kontinuierlich von Kapitel zu Kapitel auf, bis dies so unerträglich wurde, dass ich fast verrückt vor Neugierde geworden bin. Immer mehr Einzelheiten kamen hinzu, Zusammenhänge wurden klar, ich begriff, wer die Personen sind, denen ich seitenlang gefolgt bin. Ab da bin ich dem Buch verfallen.

Was für eine komplexe Handlung, wie passend dies alles ineinandergriff! Trotz der Sprünge zwischen Personen, Jahren und verschiedenen Handlungen, es war ein permanentes hin und her, gab es keinen Moment, in dem ich verwirrt gewesen bin. Ich war im Gegenteil total begeistert und hätte am liebsten sofort allen mitgeteilt, wie toll dieses Buch, wie großartig diese Geschichte ist. Unbedingt wollte ich wissen, wie es ausgeht, aber nicht, dass es endet; im Zwiespalt gefangen genoß ich die Erzählung, inhalierte förmlich jedes Wort, erfreute mich an Sätzen, Absätzen, Kapiteln und bekam doch nicht genug. Die Auflösung erstaunte mich, ein solches Ende habe ich nicht erwartet, war aber entzückt darüber, wie gut es gepasst hat.

Es ist ein trauriges, zeitweise sehr melancholisches Buch. Die Traurigkeit zieht sich durch die Erzählung, nur manchmal flacht sie ab und lässt die Hoffnung durch, die unermüdlich an die Oberfläche kommen will. Für mich ein lesenswertes Buch, ein Highlight gar, das mir unvergessliche Lesestunden beschert hat. Volle Punktzahl gibt es dafür von mir.

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