Wo einmal deine Wiege stand, nur dort ist auch dein Heimatland.
Auf dem NullmeridianDer Erzähler ist ein in Kairo ausgegrenzter koptisch-christlicher Ägypter, der vor ca. 10 Jahren als Immigrant in London anerkannt wurde und als frustrierter Sozialarbeiter und Dolmetscher im sozialen ...
Der Erzähler ist ein in Kairo ausgegrenzter koptisch-christlicher Ägypter, der vor ca. 10 Jahren als Immigrant in London anerkannt wurde und als frustrierter Sozialarbeiter und Dolmetscher im sozialen Dienst der Stadtverwaltung seines Bezirks die Zuteilung von viel zu wenigen Sozialwohnungen bearbeitet, hier gesellschaftliche Missstände und zu viel Bürokratie aufführend. Seine Rückbesinnung an eine Kindheit und die wenigen Kontakte über soziale Medien machen sein starkes Heimweh nach Kairo spürbar. Doch jetzt wäre er dort ein Fremder wie jetzt noch immer in London, oft behandelt wie als Muslim. Thematisiert werden weiterhin seine Ohnmacht über die schlechten Lebensverhältnisse von Flüchtlingen und Demütigungen ihm gegenüber in dieser Demokratie voller Entrechteter, mit Speakers’ Corner im Hyde Park und dem Nullmeridian, einer Linie am Observatorium in Greenwich, die die Welt in Osten und Westen teilt. Anlässlich der Beerdigung eines jungen Syrers reflektiert der Autor über respektvolle heimatliche Beerdigungsriten mit Kondolenzfeier etc., über das gesellschaftliche Interesse hier an möglichst schnellen, kostensparenden Bestattungen. Voller Ohnmachtsgefühle und Gewissensbisse den Lebenden gegenüber möchte er wenigstens den Toten zu Nutzen sein und einen würdigen letzten Abschied bieten. Weitere Figuren wie Patrick der Baumwollmann, seine Arbeitskollegen, Frau A., Leute vor der ägyptischen Botschaft bei Solidaritätsdemonstrationen und seine ägyptischen Kontakte beleben den ansonsten tristen Arbeitsalltag des Erzählers. Sein Exkurs, wie man Freiheit und Meinungsfreiheit hier und in Ägypten praktiziert, strotzt vor Sarkasmus. Insgesamt die nachvollziehbare Beschreibung eines unbefriedigenden Lebens, vom National Health Service ausgegebene Fragebogen abzuarbeiten mit gelegentlichen Außenterminen, in der ungeliebten Fremde voller Rassismus und Missständen – ein trauriges, besinnliches Buch.