Florian Schroeder begibt sich auf Reisen, quer durch Deutschland. Ganz unterschiedliche Leute trifft er, teilweise auch mehrfach, über Jahre. Menschen, die eher am Rand der Gesellschaft stehen. Menschen, ...
Florian Schroeder begibt sich auf Reisen, quer durch Deutschland. Ganz unterschiedliche Leute trifft er, teilweise auch mehrfach, über Jahre. Menschen, die eher am Rand der Gesellschaft stehen. Menschen, die so etwas wie das Böse verkörpern könnten. Er besucht einen Holocaust-Leugner im Gefängnis, begleitet einen Sexualstraftäter auf seinem Freigang, besucht NATO-Soldaten in Litauen, spricht mit Psychologen und fragt nach der Bedeutung der KI und was die Letzte Generation umtreibt. .
Schroeder selbst sieht sein Buch als „Zustandsbeschreibung unserer Zeit“. Das ist sehr hochgegriffen. Zu hoch. Schroeder greift durchaus aktuelle Themen auf, manchmal fragend, manchmal urteilend, manchmal auch ratlos. Er spricht mit Rechtsradikalen, kritisiert die seiner Meinung nach inhumane und sinnlose Sicherheitsverwahrung, fragt nach Gefahr und Nutzen der KI. Aber eine Zustandsbeschreibung Deutschlands wird damit mitnichten. Zu punktuell sind dafür die Ausführungen – etwa über die apokalyptische Weltsicht.
Das soll aber nicht heißen, dass Schroeders Begegnungen mit ganz unterschiedlichen Menschen nicht interessant wären. Im Gegenteil. Sie sind oft spannend zu lesen, man spürt, dass Schroeder ein guter Zuhörer ist.
Schroeders „Unter Wahnsinnigen“ ist aber auch keine Buch, das sich mit dem Bösen als solchem auseinandersetzt. Viel eher ist es ein Buch, das den Blick auf das wirft, was am Rand unserer Gesellschaft abläuft. Themen, die wir eher vermeiden, als dass wir den Fokus darauf setzen wollen. Schroeders Theorie, die dahintersteckt, ist einfach: Er glaubt, dass wir Dinge als „böse“ kategorisieren, um uns nicht mit ihnen beschäftigen zu müssen.
Das Böse ist für Schroeder folglich keine religiöse Instanz, sondern eine soziologische oder psychologische, zum Teil auch eine philosophische. Es verwundert nicht, dass der studierte Philosoph Schroeder sich vielfach auf Philosophen bezieht – bis er schließlich in seinem Nachwort bei Niklas Luhmann landet und bei dessen Forderung nach Emanzipation von der Vernunft. Vernunft, sagt Schroeder, sei zu berechnend, zu kalt.
Um zu dieser Erkenntnis zu kommen, ist Florian Schroeder eine Art inneren Pilgerweg gegangen. Das Böse in sich selbst erkennen, das ist das Ergebnis dieses Pilgergangs. Es gilt zu lernen, damit umzugehen. Denn nur dann verliere es seine dämonische Kraft.
Florian Schroeder begibt sich auf Reisen, quer durch Deutschland. Und doch landet er schließlich bei sich selbst.