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Veröffentlicht am 12.02.2024

Wiederkehr mit Folgen...

Krummes Holz
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Vor fünf Jahren hat Jirka den Hof im Krummen Holz verlassen, das Drängen seiner älteren Schwester Malene und vor Monaten die Bitte ihr gegen den Vater beizustehen ignoriert. Doch ausgerechnet jetzt, wo ...

Vor fünf Jahren hat Jirka den Hof im Krummen Holz verlassen, das Drängen seiner älteren Schwester Malene und vor Monaten die Bitte ihr gegen den Vater beizustehen ignoriert. Doch ausgerechnet jetzt, wo alles zu spät scheint, der Hof sehr heruntergekommen ist und seinen ehemaligen Glanz verloren hat, nur noch Leander, Malene und die demente Großmutter vor Ort sind, der Vater seit Tagen verschwunden... ausgerechnet jetzt kehrt Jirka zurück. Den 19-Jährigen erwartet eine Wand aus Schweigen, Enttäuschung, Feindseligkeit und Wut. Er fühlt sich als Fremdkörper in der einstigen Heimat und sieht erneut mit den Erinnerungen an seine Kindheit konfrontiert. Mit der Zeit gelangt viel Unausgesprochenes an die Oberfläche, doch ob es zwischen ihnen jemals so wie früher wird, er wieder geht oder bleibt und wie es mit ihnen und dem Hof weitergehen wird, steht noch lange in den Sternen...

"Malenes größte Angst war es, den Hof zu verlieren. Ich verstehe das erst jetzt. In der Rückschau. Und ich kann meine Angst darüberlegen und sie vergleichen.
Ich hab richtig Muffe. Wenn ich gehe, dann werde ich für immer gehen. Der Hof ist mir dabei fast egal. Aber Malene, die ist so verwachsen mit diesem Ort, dass es auch zu ihr kein Zurück geben wird."

Was zunächst nach einer sehr intensiven Auseinandersetzung, einem etwas ländlich-karg-geprägten Roman klingt, der zwischen rauen Momenten, Szenen vom Leben auf einem Gutshof, Gedanken über die mit der Zeit/Abwesenheit entwickelte Veränderung und des Heimkommens tangiert, entwickelte sich für mich leider zu einer sehr fraglichen Geschichte. Ich möchte nun nicht zu viel verraten, aber hätte ich vorher gewusst, dass es hier nicht nur um das Durchbrechen des Schweigens und die erneute Annäherung zwischen den beiden Geschwistern geht und "Krummes Holz" von Julja Linhof teilweise eher in die Richtung Gayfantasy abdriftet, hätte ich wahrscheinlich nicht zu diesem Buch gegriffen. Auch das Schweigen und die Suche nach dem Vater haben es mir im weiteren Verlauf sehr schwer gemacht überhaupt eine Freude an diesem Roman zu entwickeln... vieles war mir zu bemüht, zu abwegig, zu viel angerissen und nicht wirklich ausgeführt. So konnte ich dann leider auch keinem der Protagonist*innen wirklich nahe gekommen oder begeisternd davon berichten. Es ist ein netter Roman zur Berieselung und Unterhaltung, aber sobald man selbst Fragen stellt, unter atmosphärisch mehr erwartet als Bäume im Wind, deren Brandung durchs geöffnete Autofenster schlägt oder der/die, wie ich, in Büchern nicht auf Eifersuchtsdramen steht, dem würde ich eher davon abraten.

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Veröffentlicht am 21.11.2023

Ein spannendes Thema, nur gefunkt hat es nicht.

Zeiten der Langeweile
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Ich liebe Gedankenspiele und kritische Auseinandersetzungen mit der heutigen Zeit. Was Social-Media, die Übervernetztheit und ständige Erreichbarkeit mit uns, unseren Gegenübern und unseren Erwartungen ...

Ich liebe Gedankenspiele und kritische Auseinandersetzungen mit der heutigen Zeit. Was Social-Media, die Übervernetztheit und ständige Erreichbarkeit mit uns, unseren Gegenübern und unseren Erwartungen macht, was die ständige Informationsflut, generell das Internet, für einen Einfluss auf uns hat und was es anrichten kann, ist für mich jetzt schon wahnsinnig erschreckend. Und die Weiterentwicklung mit der Künstlichen Intelligenz... ich möchte es mir ehrlich gesagt gar nicht so genau vorstellen. Doch was ist, wenn man dem Ganzen den Rücken kehrt? Wenn man sich überall abmeldet, seine über Jahre gepflegten Onlinekonten und -beziehungen einfach löscht? Und was macht es mit einem? Wird man wieder freier? Entspannter? Glücklicher?
In ihrem Roman "Zeiten der Langeweile" spürt Jenifer Becker genau diesen Gedanken nach, ihre Protagonisten möchte die Oberhand über sich, ihr Leben und ihre Daten zurückgewinnen, nicht mehr im Internet auffindbar sein und alle Spuren, die es im www von ihr gibt entfernen.

"Ich begann mich im Oktober 2021 aus dem Internet zu löschen. Ich fing mit meinen Social-Media-Accounts an, zuerst TikTok, das ich eh kaum benutzte, dann Facebook und schließlich Instagram. Auf dem irrgartenartigen Weg, den Facebook ausgelegt hatte, um zu vermeiden, dass man sich löschte, stieß ich auf Einstellungen für den eigenen Gedenkzustand. Sich zu löschen und sterben wirkte auf einmal sehr nah beieinander."

Und das sollte sich ziemlich schnell auch in Milas Leben bemerkbar machen. Mit dem Abmelden interessierte sich scheinbar kaum noch jemand für die 30Jährige. Sie war kaum zu erreichen und in Zeiten von Corona, Homeoffice und Lockdown... keine einfache Zeit für so ein Unterfangen. "Als mich mein Bruder nach meinen Beweggründen fragte, sagte ich, ich wolle online nicht mehr gesehen werden, Leute nicht mehr online sehen, mich nicht mehr darüber abfucken, warum Nicki mein Selfie nicht geliked hatte, jemand ein Buch publizierte, heiratete, ein Kind bekam, auf die Malediven flog oder darüber, dass ich meine Skin-Care-Routine nie einhielt.
Was ich vor allem wollte: Die fundamentale Angst loswerden, gecancelt zu werden. Für irgendwas, was ich einmal getan oder gesagt hatte, oder einmal tun oder sagen würde."
Und gerade diese Angst vor dem Urteil anderer und die Angst die Kontrolle zu verlieren soll Mila mehr oder weniger in einen zwanghaften Wahn treiben.

An dieser Stelle spreche ich absichtlich etwas ungenauer oder offener, denn so wirklich weiß ich, bis auf die Ankündigung im Klappentext, nicht genau wie dieser Roman endet. Jenifer Becker hat mich mit ihrem Schreibstil sehr gefordert. Ich fand es schade, dass Mila immer so kühl und distanziert wirkte. Die ständigen Aufzählungen oder die plötzlich aufploppenden, zahlreichen Fremdworte behinderten meinen Lesefluss und die thematischen Abdriftungen, die Teile über Corona oder die Einschübe über Geschehnisse und Nachrichten der letzten Jahre, sowie die Befriedigung vor dem Rechner, während ich eigentlich nur wissen wollte, wie es nun mit Milas Vorhaben weitergeht, nahmen mir gänzlich die Freude, sodass ich nach knapp 80 Seiten diesen Roman wieder zur Seite legte und erkennen musste, dass es einfach nicht mein Buch ist. Gern würde ich nun anderes über diesen Roman schreiben oder von einer packenden, mitreißenden Story sprechen, aber der Funke ist hier leider nicht übergesprungen und das finde ich wirklich schade, denn der Weg in die Einsamkeit und Zwängen schien mir gar nicht mal so unlogisch.


Veröffentlicht am 13.10.2023

Spannendes Thema, doch die Erzählart... schwierig

Elternhaus
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Fast zeitgleich zu Doris Knechts Roman "Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe", in dem es u.a. um den bevorstehenden Auszug der Kinder geht, beschäftigte ich mich mit Ute Manks Roman ...

Fast zeitgleich zu Doris Knechts Roman "Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe", in dem es u.a. um den bevorstehenden Auszug der Kinder geht, beschäftigte ich mich mit Ute Manks Roman "Elternhaus" in dem der Alltag und das Haus den Eltern über den Kopf wächst und deren Tochter sie nun zu einem Umzug bewegt. Eigentlich eine spannende Gegenüberstellung - das Gewinnen neuer Freiheiten und das Ausziehen in der Jugend und die Einschränkungen das Alters. Das Setting und die Herangehensweise an dieses Thema ist in beiden Fällen ein komplett anderes. Während Knecht sich eher autofiktional ihren Gedanken und Sorgen stellt, erzählt Mank von einer Familienkonstellation, die bereits an sich einige Schwierigkeiten bereithält. Drei Schwestern, die unterschiedlicher nicht sein könnten, deren Leben sich in komplett unterschiedliche Richtungen entwickelte und die auch persönlich, wie räumlich ganz andere Abstände zu den Eltern pflegen. Sanne, Gitti und Petra, sind es, die neben den Eltern und unzähligen Erinnerungen, die beim Ausräumen der Wohnung aufploppen, in den Fokus geraten und gerade ihre Lebensläufe, Handlungen und Gedanken haben mir das Lesen unglaublich schwer gemacht und recht schnell das Interesse an diesem Roman geraubt. Mank springt sehr viel zwischen den einzelnen Geschwistern und Lebensrealitäten, während die eigentliche Geschichte der Entwurzelung irgendwie so weiterläuft und kaum einen Raum bekommt. Zeitweise folgen recht unlogische bis fragwürdige Handlungen, offen stehende Fenster, die scheinbar niemanden so recht interessieren wollen. Ich weiß nicht, aber irgendwie habe ich mir einen ganz anderen, feinfühligeren Roman über das Problem des Auszugs, der Bedeutung von Erinnerung und Verbundenheit, vorgestellt. Diesen fragwürdig, unterhaltsamen Roman habe ich irgendwie erleichtert nach 100 Seiten wieder zur Seite gelegt. Das war einfach nicht meins.

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Veröffentlicht am 17.04.2023

Ein Buch der vielen kuriosen Zufälle, oder ist das etwa so im Leben?

Wovon wir leben
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Birgit Birnbacher setzt sich in ihrem Roman "Wovon wir leben" mit einer sehr spannenden Frage der heutigen Zeit auseinander: wie wollen wir in Zukunft leben? Macht ein bedingungsloses Grundeinkommen wirklich ...

Birgit Birnbacher setzt sich in ihrem Roman "Wovon wir leben" mit einer sehr spannenden Frage der heutigen Zeit auseinander: wie wollen wir in Zukunft leben? Macht ein bedingungsloses Grundeinkommen wirklich vieles einfacher? Wie sieht die optimale Work-Live-Balance aus? Und vielleicht auch ein Stück weit: wie sieht die Arbeit der Zukunft aus? Doch der Weg dorthin ist nicht unbedingt logisch und leicht... zumindest in Birnbachers Roman. Durch einen Fehler verliert die Protagonistin und Asthmatikerin Julia Noch nach zwölf Jahren ihren Job im Krankenhaus. Sie hat einer Patientin ein falsches Medikament verabreicht, gegen das diese allergisch war, und in Panik anschließend den Herzalarm ausgelöst. Nach ihrer Kündigung macht sie sich auf den Weg zu ihrem Vater aufs Dorf, in dem auch nicht mehr alles so ist wie früher, ganz zu schweigen von der Situation des Vaters. Die Mutter hat ihn und den kranken Bruder einfach sitzen gelassen und einen Neuanfang gewagt. Und die Fabrik im Dorf wurde geschlossen. Beim Herumschlendern durch den Ort trifft Julia auf den Städter Oskar. Er hatte ihr schon auf den ersten Blick irgendwie gefallen und so lernen sie sich nach und nach näher kennen. Ein Herzinfarkt riss ihn aus seinem alten Leben, er erholt sich im angrenzenden Rehabilitationszentrum und ein zusätzlich gewonnenes Grundeinkommen lässt ihn nochmal ganz anders über sein Leben denken, andere Erwartungen aufkommen. Doch wie sieht Julia es mit ihrem Leben, ihrer Zukunft, ihrer Familie? Fragen über die sie sich vorher sichtlich kaum Gedanken gemacht hat...
"Ich hätte nicht gedacht, in meinem Alter noch einmal in diese Lage zu kommen, aber seit ich diese ständigen Erstickungsanfälle habe, ist das Gefühl, Mutter zu brauchen, stärker als jemals zuvor. Das alles habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt, dass ich eine Auszeit brauche, und ob ich für einige Zeit zu ihnen kann."
Ich hätte diesen Roman irgendwie gerne gemocht, so finde ich die Auseinandersetzung mit dem Leben und andere Ansichten doch immer sehr faszinierend, allerdings war mir die Aneinanderreihung von 'Zufällen' einfach zu viel. Auch, dass beinahe alle Protagonisten dieses Romans mit ihrer Gesundheit hadern und kämpfen, von Julia mit ihren Asthmaanfällen, ihrem Vater, der sich selbst schon als tickende, kranke Zeitbombe betrachtet, bis Oskar, der natürlich einen Herzinfarkt erlitt und sich in dem Ort erholen muss. Dass Julia und Oskar dann näher zusammenfinden und was dann noch so passiert... ach, warum? Das hat mir persönlich die ganze Geschichte ins Absurde driften lassen und ich war immer weniger gewollt ihrem weiteren Werdegang zu folgen. Da konnten dann auch die verschiedenen Lebenswege, Ansichten und Erwartungen vom Leben, die hier aufeinanderprallen, mich nicht mehr wirklich begeistern. Wer sich nun nicht an solch fragwürdigen Zufällen stört und gerne leichtere Geschichten mit tiefgründigen Gedanken liest, wird an diesem Buch sicherlich Gefallen finden, meins war es einfach nicht.

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Veröffentlicht am 22.12.2022

Weihnachtserinnerungen der ganz besonderen Art

Alle Jahre wieder
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Eigentlich war ich sehr erfreut, als ich gesehen habe, dass das diesjährige Weihnachtsbuch der edition chrismon von David Wagner stammt. Ich habe viele seiner Romane gelesen und immer das Gefühl gehabt ...

Eigentlich war ich sehr erfreut, als ich gesehen habe, dass das diesjährige Weihnachtsbuch der edition chrismon von David Wagner stammt. Ich habe viele seiner Romane gelesen und immer das Gefühl gehabt etwas neues, sehr nahbares und persönliches zu lesen. Gerade „der vergessliche Riese“, das Buch über die Demenz seines Vaters fand ich wahnsinnig toll und bewegend. Und das erhoffte ich mir nun auch von diesem Telefongespräch zwischen Martha und ihren Vater. Der Klappentext verspricht eine leichtfüßige, humorvolle Diskussion/ ein Gespräch über das anstehende Weihnachtsfest, das zum Nachdenken einladen soll… und ja, nachgedacht habe ich wirklich viel über dieses und jenes, denn der Text ist schon sehr überladen mit zahlreichen Themen rund um Bräuche, Traditionen und damals… Krieg, Trauma, Depressionen. Und das machte es dann irgendwie eher zu einem anstrengenden, teilweise gar belehrenden und sehr deprimierenden Gespräch, das mich nicht gerade in Weihnachtsstimmung versetzte. Klar, es gibt auch schöne Momente, die eigene Gedanken über vergangene Weihnachtsfeste hervorlocken oder an die eigene Kindheit denken lassen, aber, ich weiß nicht, will man das wirklich alles zu Weihnachten lesen? Ich jedenfalls nicht, zuerst war ich noch bemüht, dann habe ich’s leider irgendwann nur noch quergelesen und schlussendlich abgebrochen.

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