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Veröffentlicht am 26.09.2017

Spannend erzählte Biographie, mit gehöriger Portion Verneigung vor Churchill und seinem Werk.

Winston Churchill
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Churchill Biographie aus der Feder von Thomas Kielinger ist ein gehaltsvolles Werk, das nicht nur das Leben von W. Churchill erzählt, sondern auch ein gutes Stück europäischer Geschichte aus dieser spannender ...

Churchill Biographie aus der Feder von Thomas Kielinger ist ein gehaltsvolles Werk, das nicht nur das Leben von W. Churchill erzählt, sondern auch ein gutes Stück europäischer Geschichte aus dieser spannender Perspektive.
Es gibt viel Positives über dieses Buch zu berichten. Man sieht die fundierte Recherche, die hier zugrundeliegt. Churchill kommt deutlich sowohl als Politiker als auch als Schriftsteller und Maler rüber. Es wird auch klar, wie diverse Facetten seiner Persönlichkeit ineinander greifen und Churchill zu einer komplexen Figur gestalten. Die Leser erfahren auch mal weniger bekannte Details aus Churchills Leben. Auch die wichtigen Fragen und Entscheidungen vor dem und während des zweiten Weltkrieges, genauso diese im Fall des ersten Weltkrieges, sind detailliert und unterhaltsam dargeboten worden.
Der Autor ist sprachgewandt und setzt dies gezielt wie gekonnt ein. Für den Erzählstil konnte ich mich etwas weniger begeistern: Er ist wie ein Gespräch mit den Lesern angegangen worden, bloß erschien er mir doch etwas gekünstelt und manchmal auch belehrend und von oben herab.
Ein weiterer Punkt, der auf wenig Begeisterung meinerseits stieß: Es wurde rege zwischen den Zeiten, Ereignissen und Themen gesprungen. Etwas mehr Stringenz habe ich oft gewünscht. Zudem wurden einige, nicht wenige, Themen angesprochen und fallengelassen, sodass man etwas über den Anfang eines Sachverhalts, einer Beziehung, in etwa zw. Churchill und Stalin oder Churchill und Adenauer, etc. erfuhr, das wurde dann aber nicht zu Ende erzählt, und ich musste rätseln, was daraus geworden ist. Bei Stalin z.B. wurde zum Schluss dieses Erzählstrangs angedeutet, Stalin hätte sich an bestimmte Zusagen nicht gehalten. Es blieb aber wage, was denn genau. Zwei, drei Sätze, um solche angefangenen Subthemen abzuschließen, wären schon sehr hilfreich gewesen und hätten dem Ganzen einen besseren, stimmigeren Eindruck verliehen. Viele angefangene Erzählstränge lösten sich leider im Wohlwollen auf.
Etwas weniger Pathos und Verneigung vor Figur Churchill wäre auch schöner gewesen. Es ist, als ob das unbedingte Ziel war es, Churchill als einen Helden hinzustellen, egal was, völlig ungeachtet dessen, was er für Fehler gemacht und für grausige Pläne gehegt hat, z.B. Er plante, kurz nach der Beendigung des zweiten Weltkrieges Russland anzugreifen, um seinen politischen Einfluss zu mindern. Oder auch Bombardement der dt. Städte kurz vor dem Kriegsende, uvm. Churchill ist eigentlich ein Mann, der viele unnötige Tode, viel Leid und Zerstörung im großen Stil zu verantworten hätte. Er wurde innenpolitisch auch mehrmals abgewählt und aus der großen Politik entfernt. Solche Dinge wurden zwar erzählt, aber alles in so ein Licht voller Glanz und Gloria und Bewunderung über die historische Größe etc. pp. dieses Mannes getaucht, dass eine kritische Auseinandersetzung da keinen Platz hatte.
Gut, man kann wohlwollend sagen, es ist wohl so ein Ansatz, die Churchill Biographie auf solche Art zu erzählen. Der Autor hat sein profundes Wissen zu dem Thema und vielen angrenzenden Bereichen eingehend demonstriert. Das Ganze jedoch etwas nüchterner darzubieten, wäre ein Plus gewesen.

Nichtsdestotrotz, kann ich hier vier Sterne vergeben und eine Leseempfehlung aussprechen. Man erfährt schon viel Spannendes, unterhaltsam dargeboten, über Churchill und seine Zeit, die eine beachtliche Spanne aufweist und Kernmomente der europäischen Geschichte beinhaltet.

Das Buch habe ich auch gehört. Sprecher Gert Heidenreich hat sehr gut gelesen. Er hat eine wohl klingende, professionell geschulte Stimme, die er perfekt einzusetzen weiß. Ich gewann jedoch den Eindruck, dass dieses Belehrende und sich vor Churchill Verneigende, aber auch das Unterhaltsame dieses Werkes, durch Heidenreichs Art noch verstärkter zutage trat. Man kann dieses Werk auch gut hören, keine Frage.

Veröffentlicht am 24.09.2017

Informativ und lesenswert!

Darknet
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Darknet habe ich ganz gern gelesen. Da Buch liefert, was der Klappentext verspricht.
In 9 Kapiteln plus kurze Einleitung auf knapp 220 Seiten erzählt Stefan Mey, was Darknet ist, seine Entstehung und ...

Darknet habe ich ganz gern gelesen. Da Buch liefert, was der Klappentext verspricht.
In 9 Kapiteln plus kurze Einleitung auf knapp 220 Seiten erzählt Stefan Mey, was Darknet ist, seine Entstehung und Funktionsweise, im letzten Kap. gibt es einen Ausblick „Vom dystopischen Internet zu einer Utopie des Darknets“, was kaum fehlen durfte.
Dass es nicht nur Darknet als Ort der illegalen Marktplätze oder nur das böse Darknet (Waffen, Terrorismus, Kinderpornographie) gibt, sondern dass es so etwas wie gutes Darknet gibt und dort auch die Whistleblower oder Oppositionelle ihre Anonymität genießen, oder auch die linkspolitische Aktivist*innen, die sich vor Überwachung und Repression schützen wollen, sich dort entspr. Dienste eingerichtet haben, wird wohl noch für viele Neulinge auf dem Gebiet neu sein. Auch Studenten tummeln sich dort: Um kostenlos an bestimmte wissenschaftliche Artikel oder Kapiteln aus schwer zugänglichen Büchern ranzukommen, gibt es dort ein Hintertürchen.
Ein Zitat wirke auf mich recht futuristisch: „In seinem Vortrag auf dem Kongress des Chaos Computer Clubs meinte der Tor- Forschungsdirektor Roger Dingledine, er träume davon, dass eines Tages alle großen Webseiten… stets auch .onion-Zugang anböten.“ S. 73.
Kap. 6 erzählt, wie die Software Tor funktioniert, mit deren Hilfe man Darknet betritt, und was man im Einzelnen tun muss, um sich dort Zugang zu verschaffen, alles recht zugänglich und für Neulinge auf dem Gebiet gut geeignet dargeboten. Als Laie wird man gut bedient, denn anfangs werden auch IP Adressen, welche Funktion sie haben und ähnliches erklärt.
Nicht minder spannend ist Kap. 8 „Was die Polizei im Darknet tut und wieso sie nicht nur ohnmächtig ist.“
Im Anhang gibt es lesenswerte Interviews mit Darknet Spezialisten und noch einige Infos zu alternativen Darknets: I2P, Freenet, ca. 10 Seiten zum Thema: „Wie sicher ist das Tor?“. Ein kleines Glossar rundet dieses informative Werk ab.

Fazit: Wer sich als Laie über Darknet näher informieren möchte, kann hier gut zugreifen. Das Wesentliche ist gekonnt und zugänglich erklärt worden. Ich habe mich sowohl gut unterhalten informiert gefühlt und bleibe prima informiert zurück, daher vergebe ich sehr gute 4 Sterne und eine klare Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 24.09.2017

Humoristische Sichtweisen auf den Alltag.

Gemischte Sätze
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Gemischte Sätze. „Humoristische Sichtweisen auf den Alltag“ von Andreas V. Engel habe ich sehr gern gelesen, einen vergnüglichen Abend damit verbracht. Mir war, als ob ich einer lustigen Kabarett-Vorstellung ...

Gemischte Sätze. „Humoristische Sichtweisen auf den Alltag“ von Andreas V. Engel habe ich sehr gern gelesen, einen vergnüglichen Abend damit verbracht. Mir war, als ob ich einer lustigen Kabarett-Vorstellung beiwohnte.

Humorige und/oder auch philosophisch angehauchten Gedichte wechseln sich mit kurzen Sketchen, wie z.B. „Havlitschek & Einfalt – Auslandsaufenthalt“ ab, die man sich sogleich von zwei Kabarettisten von der Bühne vorgetragen vorstellt; oder auch mit kurzen Stories wie „Miss-Wahl“, die mit doppeldeutigen Wortspielereien glänzen und leicht politisch angehaucht sind.

Auch die Überlegungen und Neuinterpretationen zu bekannten Sprüchen wie „Da ist Hopfen und Malz verloren“, „Sauer macht lustig“, „Jemanden durch den Kakao ziehen“, etc. sind sehr gut geeignet, den Lesern ein Lächeln zu entlocken und gute Laune zu verbreiten.
Dieses „Sich-selbst-und-die-anderen-auf-die-Schippe-nehmen“ kommt hier und da deutlich rüber und macht das Ganze sympathisch und lesenswert.

„Tagesteller: Mei-nung“ ist mein Favorit! Humorig dargeboten, kaum ein Zutat von der Hand zu weisen, zeugt es von der wohl geübten Beobachtungsgabe des Autors und seinem Können, das Wesentliche unterhaltsam und zum Nachdenken anregend auf den Punkt zu bringen.

Fazit: Ein sehr gut gelungenes Erstlingswerk. Bitte mehr davon und gerne auch etwas bissiger. Besonders hell leuchtende vier Sterne und Leseempfehlung für diejenigen, die mal einen Abend schmunzelnd bei netter, kluger und unterhaltsamer Lektüre verbringen möchten.

Veröffentlicht am 22.09.2017

Unterhaltsam, neues Wissen bringend und lesenswert!

Hinter dem Horizont
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„Hinter dem Horizont. Eine Geschichte der Weltbilder“ von Ernst Peter Fischer habe ich sehr gern gelesen. Gekonnt und unterhaltsam erzählt, wirkte es auf mich wie ein gehaltvolles Gespräch mit einem älteren ...

„Hinter dem Horizont. Eine Geschichte der Weltbilder“ von Ernst Peter Fischer habe ich sehr gern gelesen. Gekonnt und unterhaltsam erzählt, wirkte es auf mich wie ein gehaltvolles Gespräch mit einem älteren Freund.
Zum Autor: „Ernst Peter Fischer, geboren 1947 in Wuppertal, studierte Mathematik, Physik und Biologie und habilitierte sich 1987 im Fach Wissenschaftsgeschichte. In den Jahren darauf lehrte er als Professor an den Universitäten Konstanz und Heidelberg. Als Wissenschaftspublizist schreibt er unter anderem für die «Welt» und «Focus». Fischer ist Autor zahlreicher Bücher, darunter des Bestsellers «Die andere Bildung» (2001). 2015 erschien «Durch die Nacht. Eine Naturgeschichte der Dunkelheit»“.

Klappentext beschreibt den Inhalt sehr treffend.

Auf rund 333 Seiten in 9 Kapitel samt kurzer Einleitung plus Anmerkungen, Literaturhinweise, Register, Dank, Bildnachweis spricht Ernst Peter Fischer mit seinen Lesern über die Bilder, die Menschen von ihrer Welt (erzeugt) haben. Er erzählt u.a. davon, wie die Menschen ihre Welt früher sahen, zu den Zeiten von Pharaonen, später im alten Griechenland, usw. Er erzählt auch von der Vielfalt der Weltanschauungen im sehr aufschlussreichen Kap. 6 mit all den Mythen, Legenden und diversen Weltenentwürfen, und wie sich diese Weltbilder im Laufe der Zeit gewandelt haben, als die Menschen z.B.: in Weltall reisen und von dort aus auf die Erde schauen oder auch als sie in die feinsten Bestandteile der Zellen blicken konnten; oder auch, was heute aus der Weltwahrnehmung kaum wegzudenken ist: von der Welt durch die Bilder der Medien.
Es sind im Wesentlichen kurze, aber griffige Zusammenfassungen der Sachverhalte, ein unterhaltsamer Mix aus Physik, Philosophie, Kulturgeschichte uvm, prima dazu geschaffen, das Interesse der Leser anzuregen, noch mehr zu den angesprochenen Themen erfahren zu wollen. Die Literaturhinweise sind praktischerweise nach Kapiteln aufgeteilt, sodass man gezielt nach weiterführenden Titeln suchen kann. Darwin, Kopernikus, Einstein &Co. sind da genauso präsent wie Neil Postman (und einige anderen), der den Begriff „Infotainment“ eingeführt hat und in seinem Buch „Wir amüsieren uns zu Tode“ schieb: „Fernsehen wurde nicht für Idioten erschaffen – es erzeugt sie.“ Es gibt noch einige tolle Sprüche, die mich auflachen ließen.

Erst gewann ich den Eindruck, das Buch ist eher etwas für Jugendliche, aber je weiter ich las, desto besser gefiel mir das Werk.
Schade, dass die Bilder im Buch schwarz-weiß sind. Gerade in einem Buch über die Bilder der Welt hätten die Fotos gern farbig sein können.

Fazit: Sehr leserfreundlich und zugänglich aufbereitet, gibt das Buch genug Stoff, zum Nachdenken und Auszudiskutieren im Freundes- und Familienkreis.
Unterhaltsam, neues Wissen bringend und lesenswert, sowohl für die Jugend als auch für Erwachsene. Besonders hell leuchtende vier Sterne und eine Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 07.09.2017

Ganz gut und recht aufschlussreich.

Aufklärung
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Klappentext: „Ohne die Aufklärung im 18. Jahrhundert sähe unsere Welt anders aus. In beeindruckender Fülle zeichnet Steffen Martus das Bild eines doppelgesichtigen Zeitalters: Es ersehnt den Frieden und ...

Klappentext: „Ohne die Aufklärung im 18. Jahrhundert sähe unsere Welt anders aus. In beeindruckender Fülle zeichnet Steffen Martus das Bild eines doppelgesichtigen Zeitalters: Es ersehnt den Frieden und führt mit patriotischer Zerstörungswut Krieg; es betreibt mit Hingabe wissenschaftliche Experimente und schwärmt zugleich für Okkultismus und Geisterseherei. Lessing, Herder oder Kant propagieren den selbstbestimmten Menschen, müssen aber feststellen, dass dieser sich vor allem von seinen Gefühlen leiten lässt. Ein einzigartiges Werk über die Epoche der Vernunft, die ebenso eine Epoche der Leidenschaft war.“
„Aufklärung“ von Steffen Martus ist ein gutes Werk, das die Leser über einige Aspekte des dt. 18. Jahrhunderts in Kenntnis setzt, insb. was Geschichte, Politik, Philosophie, Kirchliche und manche gesellschaftliche Angelegenheiten angeht. Dem Autor ist es gelungen, diese „Doppelgesichtigkeit“ der Aufklärung vor Augen der Leser zu führen.
Auf rund 876 Seiten reinen Textes, in vier Teilen geordnet:
Teil I 1680-1726: Die Anfänge der Aufklärung: „Im Fürstenstaat: die höfische Gesellschaft und ihre Projekte“, „In der Gelehrtenrepublik: die Universität als Staatsprogramm“, „Zwischen Stadt und Reich: Hamburger Patriotismus“.
Teil II 1721-1740: Aufklärung ohne Grenzen, darunter: „Die Natur der Aufklärung“, „Weibliche Aufklärung“, „Die radikale Aufklärung des Buchmarkts“, usw.
Teil III 1740-1763: Aufklärung im Widerstreit: „Politik für Newtonianer?“, „Jeder gegen Jeden“ , darin: „Thomasianer und Wolffianer“, „Scherzende und empfindsame Aufklärung“, „Strukturen der Empfindung“, darin „Demographie und Heiratsfurcht“, „Regieren mit Herz: Friedrich II. und Maria Theresia“, „Das ‚Spiel des Zufalls‘: der Siebenjährige Krieg“.
Teil IV 1763-1784: Das Ende eines „Zeitalters“?: „Zeitverwandte“, darin „Winckelmanns Griechen“, uvm, „Individualität der Aufklärung“, „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“
erzählt der preisgekrönte Professor aus Berlin seine Version der dt. Aufklärung. Dabei stützt er sich u.a. auf die Werke der bedeutenden Gelehrten dieser Zeit, sowie auf zeitgenössische Zeitungen. Er fängt mit Kant’schen „Entdeckung der Unmündigkeit“ in der Einleitung an und schließt auch mit Kant und seinen Problemen und Auseinandersetzungen mit Herder ab.
Besonders gut gelungen fand ich die Ausführungen über: die Buchmarktentwicklung und seine Monetarisierung, auch über die Ursachen der aufsteigenden Popularität der Schauerromane, über die Diskussion zu Urheberrechten, denn „Der Buchhandel der Aufklärung funktionierte im Prinzip ohne Urheberrecht. Der Autor verkaufte sein Werk einem Verleger, der es fortan als sein Eigentum betrachtete.“ S. 736; über die Entwicklung und Rolle der Städte wie Hamburg, Leipzig, Frankfurt im politischen und gesellschaftlichen Geschehen jener Tage. Auch die philosophischen Aspekte, z.B. Wolffianer vs. Newtonianer vs. Thomasianer, später Kant vs. Herder sind sehr gut ausgearbeitet und zugänglich präsentiert worden. Einige Politiker wie Friedrich I., Friedrich II. sind auch ausführlich beschrieben worden, ferner Maria Theresia im Vergleich zu Friedrich II.
Die Entwicklung der Bildung, der Medizin sowie Frauenaufklärung, nicht nur die med. Aspekte, sondern auch Frauen als begeisterte Leserinnen, sind ebenfalls recht griffig dargeboten worden.
Zum Schluss gibt es Ausführungen über die Erbauung von Sanssouci und die Rolle der Gärten: „Die Idee, den Garten als Ort politischer Einstimmung zu nutzen, knüpfte problemgeschichtlich an die Diskussion um die ‚Ästethik‘ an.“ S. 753. „Der Landschaftsgarten oder auch der ‚Englische Garten‘, wie er im 18. Jahrhundert in ganz Europa reüssierte, galt lange als Symbol sozialer oder politischer Liberalität.“ S. 757.
Einiges aus den Kapiteln „Die Individualität der Aufklärung“ und „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“ fand ich recht aufschlussreich. Hier geht es anfangs wieder um Bücher, Leser und Autoren, weiter um Kriminalität, u.a. Kindesmorde, die damals nicht gerade selten vorkamen. Hier wurde u.a. der Fall von „Susanna Margaretha Brandt, das mutmaßliche Vorbild für das Gretchen aus Goethes Faust…“ S. 772, beschrieben. Oder auch der Fall mit dem Müller, der seinen Geschäften nicht nachgehen konnte, da das Wasser für königliche Karpfenteiche abgegraben wurde. Vor Gericht wurde der Müller schuldig gesprochen, da er seine Zahlungsunfähigkeit angeblich seiner Trägheit zu verdanken hatte. „Friedrich reagierte scheinbar im Namen des gesunden Menschenverstands, der bekanntlich nur selten wie der Justizapparat urteilt.“ S. 780. „… die regionale und lokal gewohnten Gesetze wurden gesammelt, kodifiziert und in die Hand des Staats gelegt, materiell aber wenig verändert. Daher wurden keine gleichen Rechte für gleiche Menschen formuliert, sondern weiterhin Gesetze, die je spezifisch für Elemente einer ständisch gegliederten Gesellschaft von Ungleichen, von Adligen, Bürgern und Bauern, Frauen und Männern, Mündigen und Unmündigen, galten.“ S. 781.
Am Ende geht es näher um Kant und seine Probleme u.a. wegen der Kritik der reinen Vernunft. „Während Kant zu Beginn seiner Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? mit Blick auf den Einzelnen den ‚Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit‘ gefordert hatte, rief er im weiteren Verlauf seiner Argumentation das Kollektiv auf die historische Bühne und sprach am Ende im Plural vom ‚Ausgang der Menschen aus ihrer selbst verschuldeten Unmündigkeit‘. … Nur wer die eigene Unmündigkeit und Unzulänglichkeit einsieht, die Abhängigkeit von unendlich vielen Freundlichkeiten, Zuwendungen und Hilfestellungen, vermag s ich auf eine produktive Art von seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit zu befreien…“ S. 881.
Martus schließt mit: „Die Aufklärung geht uns heute als zwiegesichtige Epoche an. Wir können von ihr lernen, wie tief und historische Umbrüche berühren….Uns überfordert die Aufgabe, große Ideen strikt zu realisieren… Das sanfte Licht der Aufklärung zeigt etwas anderes: wie man sich an unklare Verhältnisse und unruhige Zeiten gewöhnen kann.“ S. 887.
Anmerkungen auf 70 S., Literatur auf 50 S., Personenregister 10 S., Zeittafel 8 S. runden das Ganze ab.

Fazit: Es ist ein gutes Werk über die dt. Aufklärung 1680-1784 mit Schwerpunkten Geschichte, Politik und Philosophie, das mit kaum so einem hohen Unterhaltungsfaktor erzählt wurde, wie man es heute in einigen Sachbüchern sieht. Über manche bedeutende Person, ihr wirken und Denken, wurde seiten- oder auch kapitellang, wie z.B. über Winckelmann, oder auch Wieland, berichtet. Insg. ging es eher in die Breite, da ein umfangreiches Bild dieser Zeit angestrebt wurde, dennoch fehlen größtenteils solche Aspekte wie Malerei, Musik, Wirtschaft, einige gesellschaftliche Aspekte. Aber insg., wenn man ein Neuling auf dem Gebiet ist und sich für diese Epoche interessiert, wird man hier erstmal gut bedient.

Das Buch ist schön gestaltet: Festeinband in Hellbraun, Umschlagblatt, Lesebändchen in Dunkelrot. Es wiegt 1180gr, ist 5,5cm dick, aber da es gebunden ist, lässt es sich gut lesen.